Bauern gegen Umweltschutz-Auflagen: Protest gegen eigene Interessen
Viele Landwirte stören sich an Vorschriften für Pestizide. Sie sollten lieber Agrarsubventionen für mehr Umweltschutz fordern.
S ie sind wütend, Tausende Bauern, die am Dienstag in Berlin demonstrieren werden. Aufgerufen von der Bewegung „Land schafft Verbindung“ wollen sie gegen Vorschriften zum Schutz des Wassers oder der Artenvielfalt protestieren. Die Landwirte denken, sie würden für ihre Höfe kämpfen. In Wirklichkeit tun sie genau das Gegenteil. Diese Bauern handeln gegen ihre eigenen Interessen.
„Land schafft Verbindung“ hat vor allem zwei Anliegen: Sie ist gegen das „Agrarpaket“ der Bundesregierung. Darin hat das Kabinett angekündigt, Unkrautvernichtungsmittel und besonders schädliche Insektengifte in den meisten Naturschutzgebieten zu verbieten – vor allem um das Insektensterben einzudämmen. Zudem sollen mehr Agrarsubventionen, die bisher vor allem für den Besitz von Fläche gezahlt werden, etwa Umweltprojekte von Landwirten finanzieren.
Außerdem wenden sich die Demo-Initiatoren dagegen, dass manche Landwirte weniger düngen dürfen, zum Beispiel mit Gülle. Das alles koste die Bauern Geld und würde vor allem viele kleine Familienbetriebe in den Ruin treiben, warnen die Landwirte.
Das ist maßlos übertrieben. Bei den Pestizidverboten geht es nur um wenige Ackergifte und 158.000 Hektar Acker – also 0,9 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Dazu kommen 1,1 Millionen Hektar Wiesen (6 Prozent der Agrarfläche), auf denen aber auch jetzt schon wenig Unkrautvernichter und kaum Insektengifte eingesetzt werden.
Gülle als Dünger belastet das Grundwasser
Die pro Fläche berechneten Direktzahlungen werden laut Bundesagrarministerium nur um 4,50 Euro je Hektar gemindert – bei einer Gesamthöhe von in der Regel mehreren hundert Euro.
Auch die Einbußen durch die umstrittene neue Düngeregel sind überschaubar. „Wir schätzen, dass die Erträge der Ackerkulturen im Durchschnitt um 5 Prozent sinken, wenn sie mit 20 Prozent weniger Stickstoff gedüngt werden, als in der Düngeverordnung aus dem Jahr 2017 erlaubt ist“, sagt Wissenschaftler Bernhard Osterburg vom bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstitut. Sicher, wenn die Bauern etwas weniger Pestizide spritzen, düngen und Gülle verklappen dürfen, kann das ihren Gewinn schmälern. Aber an Insekten- und Wasserschutz führt kein Weg vorbei.
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Potenziell gesundheitsschädliches Nitrat aus Stickstoffdüngern wie Gülle belastet Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei. Deutschland droht eine hohe Geldstrafe der EU, weil die Nitrat-Grenzwerte immer wieder überschritten werden.
Mehrere Studien belegen, dass das meiste Nitrat im Grundwasser aus der Landwirtschaft kommt: Messstellen im Einzugsbereich von Ackerland weisen bedeutend höhere Nitratkonzentrationen auf als Messstellen, deren Einzugsgebiet vorwiegend durch Siedlungen geprägt ist. Auch für das Insektensterben mehren sich die Hinweise auf eine maßgebliche Mitverantwortung der Landwirtschaft. Sie bewirtschaftet ja auch ungefähr die Hälfte der deutschen Landfläche und spritzt Pestizide, die Nahrungspflanzen für Insekten oder Insekten selbst töten.
Agrarsubventionen für Umweltschutz
Viele Bauern leugnen diese Fakten und verpassen eine wichtige Chance: Sie sollten fordern, die jährlich 5 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen dafür zu erhalten, dass sie weniger düngen und spritzen und die Belastung der Lebensmittelproduktion für Tiere und Umwelt reduzieren. Bisher zahlt der Staat den überwiegenden Teil des Geldes weitgehend unabhängig davon, wie umwelt- oder tierfreundlich die Bauern dort arbeiten.
Diese ungerechten Direktzahlungen der Europäischen Union fördern das Höfesterben. Denn das Prinzip lautet: Je mehr Land ein Hof hat, desto mehr Subventionen bekommt er. So können große Betriebe mit Hilfe des Staates noch leichter kleine Höfe verdrängen.
Wenn die Bauern für mehr Umweltschutz Geld bekämen, könnten sie auch gegen Konkurrenz aus Ländern mit laxeren Vorschriften bestehen. Von alldem findet sich in der Pressemitteilung zur Demo kein Wort. Sie beschränkt sich darauf, alles abzulehnen, was der Umwelt nutzt und Gewinne senken könnte.
Gleichzeitig verscherzen es sich die Bauern mit potenziellen Verbündeten. Ständig klagen sie über „Bauernbashing“ durch „Städter“, Umwelt- und Tierschutzorganisationen oder Medien. Sie würden „unfundierte und ideologische Entscheidungen“ vorantreiben. Viele Bauern applaudierten, als Kollegen von ihnen einen Journalisten und eine grüne Kommunalpolitikerin vor deren Privathäusern bedrängten. Eine inakzeptable Grenzüberschreitung.
Landwirte haben Probleme mit kritischen Fragen
Dabei kommt die Kritik nicht nur aus der Stadt, sondern auch vom Land: zum Beispiel von Anwohnern von Massenställen oder ehrenamtlichen Naturschützern. Der Landwirt ist laut Umfragen immer noch einer der angesehensten Berufe in Deutschland. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland setzt sich gegen das Höfesterben ein. Deutsche Medien lassen Bauern ausführlich zu Wort kommen.
Aber Journalisten stellen kritische Fragen. Damit haben die Initiatoren von „Land schafft Verbindung“ offenbar ein Problem. Wie lässt sich sonst erklären, dass sie für ein Interview mit der taz „keine Zeit“ haben, aber sehr wohl für einen stundenlangen Dreh des staatlichen Propagandasenders Russia Today, der mehrmals durch eklatante Falschmeldungen aufgefallen ist?
„Land schafft Verbindung“ läuft ins Abseits. Im Bundestag werden ihre Forderungen in ihrer Gesamtheit nicht einmal mehr von den traditionellen Bauernparteien CDU/CSU unterstützt, sondern nur noch von der AfD. Diese Radikalität könnte die Landwirte teuer zu stehen kommen. Es gibt nur noch 270.000 von ihnen – Tendenz: fallend.
Selbst die Union könnte angesichts der Sachzwänge und der Mehrheiten in Sachen Umweltschutz bald bereit sein, auf einen Großteil dieser kleinen Klientel zu verzichten. Die Bauern müssen für eine Umweltreform der Agrarsubventionen kämpfen – sonst wird sich bald keine Regierungspartei mehr für sie einsetzen.
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