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Atomwaffen für EuropaStreit um europäischen Atomschirm

Lindner will Verhandlungen über ein europäisches Atomwaffensystem zur Abschreckung. Kritik kommt vom Verteidigungsminister Pistorius und aus der FDP.

Finanzminister Lindner löst eine Diskussion über die europäische Bewaffnung mit Atomwaffen aus Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin rtr | Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat vor Überlegungen gewarnt, einen europäischen Atomschirm aufzubauen. „Das Thema ‚Atomar‘ gehört nicht in der Öffentlichkeit diskutiert“, sagte sie im Deutschlandfunk. Frankreich biete zwar Gespräche über Atomwaffen an, aber die Fähigkeiten des Landes reichten nicht als Schutzschirm. Nur die USA könnten einen über Jahrzehnte aufgebauten Schutzschirm anbieten, der etwa auch die baltischen Nato-Länder miteinbeziehe.

Strack-Zimmermann stellt sich damit gegen ihren Parteichef Christian Lindner und die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley. Lindner verwies in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung darauf, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Kooperationsangebote gemacht habe. „Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken“, schrieb der FDP-Chef. Barley hatte sich ebenfalls offen dafür gezeigt, dass im Zusammenhang mit einer europäischen Armee auch über eine europäische Atombombe geredet wird.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bremst in der Debatte: „Ich kann nur davor warnen, mit dieser Leichtfertigkeit eine solche Diskussion vom Zaun zu brechen, nur weil Donald Trump, der noch nicht mal Präsidentschaftskandidat ist, solche Äußerungen macht“, sagte er Dienstagabend gegenüber Welt-TV mit Hinweis auf die Drohung Trumps, er würde als US-Präsident Nato-Länder, die nicht genug Geld für Verteidigung ausgeben, nicht gegen Russland verteidigen.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hatte dagegen am Montag nach einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt, dass man das Angebot des französischen Präsidenten zu einer möglichen Europäisierung der Atomwaffen „wirklich ernst“ nehmen solle.

Deutschland verfügt nicht über eigene Atomwaffen, eine atomare Bewaffnung wurde bisher auch nie angestrebt. Die Bundesrepublik hat aber mit den USA eine sogenannte „nukleare Teilhabe“ vereinbart. Im Kriegsfall fliegen deutsche Kampfjets in Deutschland stationierte US-Atomwaffen zu ihren Zielen.

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17 Kommentare

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  • Was macht die Schweiz falsch, dass sie so lange in keine Kriege involviert sein durfte?



    Sie könnte sich der Nato anschliesen, die USA um wohlwollenden Schutz bitten



    - aber nein sie wollen nicht. Aber dann sollen sie sich auch nicht beklagen wenn es ihnen langweilig wird.

    • @Luxusverschmäher:

      Wehrpflicht vielleicht? :>

      Tatsächlich macht man sich in der Schweiz sorgen, wie lange die NATO wohl noch hält.



      www.nzz.ch/schweiz...r-armee-ld.1772023

      Auch von der Frage, wie lange das wohl dauert bis russische Truppen Österreich Richtung schweizer Grenze durchquert hätten las ich schon.

    • @Luxusverschmäher:

      Na ja, die Schweitz liegt mitten in der NATO, ist von allen Seiten mit NATOumhüllt. Was will man mehr? Da brauch es nur noch eine Armee für den Paps und gegen die Bayern.

      Die Schweitz ist sozusagen die Made im Speck der NATO :-)

    • @Luxusverschmäher:

      Der Fehler der Schweizer ist, dass sie nicht denken, sie müssten ihre Lebensweise mit Waffengewalt auf dem Planeten verbreiten.

  • Da liegt Agnes Strack-Zimmermann falsch gerade diese Diskussion gehört transparent in die Öffentlichkeit.

    • @pablo:

      Aber im Hinterzimmer kann man doch besser...

      Wäre ja auch schlimm, mit der Bevölkerung offen über alle Folgen zu sprechen.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich ist nichts falsch daran die Frage einer nuklearen Abschreckung auf europäischer Ebene zu diskutieren.

    Polen steigt derzeit in die Atomkraft ein und zeigte schon Interesse an einer nuklearen Teilhabe. Das kann durchaus auch irgendwann in eine polnische Nuklearbewaffnung münden. Denn nicht nur, dass Russland nördlich, östlich und vielleicht auch bald südlich Polens Atomwaffen stationiert hat, auch gegenüber Deutschland besteht dort nach wie vor ein Misstrauen. Dieses ist auch nicht unbegründet, wenn man bedenkt, dass nicht nur die aufstrebende AfD mit Putin zu kuscheln bereit ist, sondern auch die NATO-kritische Linke.

    Wenn die größte Volkswirtschaft Europas sich von zwei Atommächten umgeben sähe, könnte dies vieles komplizieren. Denn die Zahl und Größe der verfügbaren Kanonen ist nach wie vor die ausschlaggebende Währung internationaler Politik. Daran hat sich in Jahrtausenden nichts geändert und daran wird sich auch so bald nichts ändern. Alle EU-Länder unter einem europäischen Schirm zu einen, könnte nicht nur Europa unabhängiger machen, sondern auch dem Problem eines innereuropäischen Ungleichgewichtes vorgreifen und die europäische Integration fördern.

    Das Problem ist jedoch, dass der militärische Bereich, mehr als jeder andere, mit Fragen der Souveränität verknüpft ist. Die ganze Glaubwürdigkeit einer nuklearen Abschreckung hängt an der Frage, ob es jemanden gibt, der einen Atomschlag in kürzester Zeit autorisieren kann. Aber wer sollte dies sein, in einem Staatenbund, in dem das wichtigste Amt durch ein undurchsichtiges Geschacher unter den einflussreichsten Regierungen vergeben wird und sich die Regierungen der weniger einflussreichen Länder dafür revanchieren, indem sie hin und wieder Entscheidungsprozesse per Veto-Recht blockieren.

  • Das Frau Strack-Zimmermann als Vizepräsidentin der Deutschen Atlantischen Gesellschaft dagegen ist, dass sich die EU von den USA abnabelt, verwundert nicht. Der Gedanke, das wir die Abhängigkeit von den USA beenden, ist solchen Leuten ein Graus.

  • Darüber muss natürlich auch öffentlich geredet werden, denn es ist mit der Beschaffung allein ja nicht getan. Es benötigt auch die für eine Zweitschlagfähigkeit notwendigen Strukturen, wenn die Abschreckung und um sonst nichts geht es ja perfekt sein soll.

    Die Beteiligung an Frankreich ist eine problematische Option, weil hier mit dem Front National erhebliche Risiken bzgl. der Verlässlichkeit im Raum stehen. Bzw. kommt es doch sehr auf die Ausgestaltung an.

    Gemessen an der wirtschaftlichen Stärke der EU sind ihre militärischen Kapazitäten, um ihre Interessen durchzusetzen geradezu erbärmlich, wie der Angriff Russlands auf die Ukraine eindrucksvoll vorgeführt hat.

    Wie sich nun zeigt, gab es nie eine Friedensdividende, denn in Wahrheit handelt es sich um eine weitere Struktur die man hat verfallen lassen, genauso wie Straßen, Brücken oder Schienen.

    Eines ist in jedem Fall gewiss, für all diese Probleme war und ist die FDP keine Lösung. So wenig wie die AfD, die BSW oder demnächst die Werteunion.

    • @insLot:

      "Die Beteiligung an Frankreich ist eine problematische Option..."

      Nein. Sie ist sogar die einzige Option, wenn man den Atomwaffensperrvertrag nicht brechen will.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Eine der wichtigsten Grundlagen des Atomwaffensperrvertrags überhaupt ist die Verlässlichkeit und die Sicherheitsgarantien der Atommächte in den jeweiligen Machtblöcken.

        Diese steht aber sowohl seitens Russland, als auch von Seiten der USA massiv zur Disposition.

        Mit Blick auf das Budespester Memorandum (Aufgabe der Atomwaffen und Beitritt zum Sperrvertrag der Ukraine) und dem Zurückbleiben der Hilfen für die Urkaine seitens der USA und GB darf der Atomwaffensperrvertrag schon jetzt getrost als Witz bezeichnet werden.

        Sollte Trump gewählt werden und Ernst machen, ist der Atomwaffensperrvertrag das Papier nicht Wert, auf dem er steht und die logische Folge ist leider der Austritt.

        • @insLot:

          "...darf der Atomwaffensperrvertrag schon jetzt getrost als Witz bezeichnet werden."

          Ich kann überhaupt nicht lachen...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Da haben Sie recht, zu lachen gibt es da eigentlich nichts. Es ist in der Tat ein Trauerspiel.

  • Das ist schon krass, wie jetzt von verschiedenen Politik Akteuren unterschiedlich politischer Farben in Deutschland, FDP Bundesfinanzminister Christian Lindner, der das neoliberale Lied der Schuldenbremse singt , wenn überhaupt alles nur über Sondervermöen am Bundestag vorbei finanzieren will, SPD Europawahl Spitzenkandidatin Katarina Barley, SPD Ex Außenminister Sigmar Gabriel von der Atlantikbrücke im Stern Gastbeitrag, SPD MdB Ralf Stegner, Agnes Strack-Zimmermann FDP Verteidigungsausschussvorsitzende Bundestages das Thema „Atomwaffen für EU“ mit dem wie bestellt und abgeholten Stichwortgeber Donald Trump aus den USA im Für und Wide in den Medien hochgejazzt wird, während Finanzen, Ressourcen der EU Verteidigung Facility noch nicht einmal reicht für ausreichende Munitions-, Waffenlieferungen an die Ukraine zur Abwehr russischer Aggression. Und das in einer EU ohne Verteidigungsstrukturen, mit einem Europaparlament, das, anders als Deutscher Bundestag, über keinerlei Initiativrecht für Gesetzeslagen noch generellem Mitentscheidungsrecht insbesondere bei der Pro und Contra Frage über EU Atomwaffen verfügt. Strack-Zimmermann hat schon recht, EU Atomwaffen bedeutet nicht, dass da hier und da ein paar Atomwaffen zur Abschreckung implementiert werden, sondern weit mehr, was sie nicht konkretisiert, wie die notwendige Re- Transformation weg von hin zu Atomenergie, AKWs, das ganz Unselige an Ausforschungs-, Geheimhaltungsnetzwerken, wie sie Robert Jungk (1913-1994) in seinem Bestseller „Der Atomstaat“ 1978 beschrieb, Privathaushalte, Unternehmen hinter die Fichte zu führen, damit sie nicht gewahr werden, dass sie alle am Bundestag, Verteidigungsetats aller EU Länder vorbei, atomare EU Bewaffnung über ihren Stromgebührenzähler bezahlen, weil abgebrannte AKW Brennelemente erst das notwendig waffenfähige Plutonium für Atomwaffenbau als atomaren AKW Abfall liefern. Frage offen, ob das alles überhaupt ohne russischen Rosatom Konzern geht trotz russischer Ukraine Aggression?

  • Das Stöckchen und der Sprung und so.



    Mal ganz ehrlich, der Mann bekommst mit einfachen Äußerungen hin, dass allem am Rad drehen. Ich bin mittlerweile der Meinung, dass das seine größte Stärke ist und sein Pull-Faktor der ihm Wähler verpasst.

  • Gesetz den fall wir hätten die Bombe. Erst diskutiert die Kommission den Einsatz. Dann das EU Parlament . Ein Entwurf geht dann an die einzelnen Regierungen, wo es in den Parlamenten diskutiert wird. Dann folgen die Abstimmungen. Sollten sich tatsächlich alle Länder einig sein, könnte die Bombe nach dann endlich nach 1 bis 2 Jahren geworfen werden. Natürlich wären wir vorher alle tot, aber die Demokratie hätte gesiegt.

    Kann Spuren von Ironie oder Sarkasmus enthalten.

    • @Stoffel:

      Russell-Einstein-Manifest

      Zitat @Stoffel: „Natürlich wären wir vorher alle tot.“

      Das wären wir bei einem Atomkrieg ohnehin, unabhängig von der Entscheidungsprozedur. Denn



      „Wir müssen lernen, auf neue Art zu denken. Wir sollten nicht mehr danach fragen, welche Mittel und Wege dem militärischen Sieg der von uns bevorzugten Partei offen stehen. Solche Möglichkeiten gibt es nicht mehr. Vielmehr stehen wir vor der Frage, auf welche Weise eine militärische Auseinandersetzung, deren Folgen für alle Beteiligten unheilvoll sind, verhindert werden kann.

      Die Öffentlichkeit und sogar viele Männer in führenden Stellungen haben sich noch nicht vergegenwärtigt, was ein Nuklearkrieg bedeuten würde. Als Menschen müssen wir uns stets vor Augen halten: Wenn die Streitfragen zwischen Ost und West auf irgendeine Weise entschieden werden können, welche jeden Partner- weitgehend zufriedenstellen kann, sei er Kommunist oder Antikommunist, Asiate, Europäer oder Amerikaner, Weißer oder Schwarzer, dann dürfen diese Streitfragen keinesfalls durch Krieg entschieden werden.

      Vor uns liegt, wenn wir richtig wählen, eine beständige Ausweitung von Glück, Wissen und Weisheit. Sollen wir stattdessen den Tod wählen, bloß weil wir unsere Streitereien nicht vergessen können? Wir wenden uns an unsere Mitmenschen: Erinnert Euch Eures Menschseins und vergeßt alles andere! Wenn Ihr das vermögt, dann öffnet sich der Weg zu einem neuen Paradies. Könnt Ihr es nicht, dann droht Euch allen der Tod.

      Angesichts der Tatsache, daß in einem künftigen Weltkrieg Kernwaffen bestimmt benutzt werden würden und daß derartige Waffen das Fortbestehen der Menschheit bedrohen, fordern wir die Regierungen der ganzen Welt auf, einzusehen und öffentlich einzugestehen, daß ein Weltkrieg ihren Zielen nicht förderlich sein kann. (aus: Russell-Einstein-Manifest 1955, unterzeichnet von: P. W. Bringmann, A. Einstein, L. Infeld, F. Joliot-Curie, H. J. Muller, L. Pauling, C.F. Powell, J. Rotblat, B. Russel, H. Yukawa)