Asylgipfel der EU-Innenminister:innen: Allein gegen die Abschottung

Die Grünen werden die europäische Asylpolitik kaum ändern können. Deshalb aber die Regierung zu verlassen hieße, die Flüchtenden alleinzulassen.

Außenministerin Baerbock, Wirtschaftsminister habeck und Kanzler Scholz

Grünen-Minister:innen Baerbock und Habeck mit Kanzler Scholz im Kanzleramt im Mai 2023 Foto: Annegret Hilse/reuters

Die Grünen können einem fast schon leidtun. Kaum ist die Aufregung über Habecks Heizungsgesetz halbwegs abgeebbt, weil der Klimaschutzminister demütig zurückgerudert ist, da türmt sich schon das nächste Problem mit Potenzial zur Regierungskrise auf. Und diesmal wird es für die Grünen noch schwieriger, denn beim EU-Asyl-Gipfel am Donnerstag geht es nicht um technische Zukunftsfragen und Parteimanöver, die zumindest kurzfristig niemanden existenziell bedrohen, sondern um Menschen in akuter Not, die auf Schlauchbooten versuchen, in Europa Schutz zu finden.

Asylsuchenden zu helfen war immer ein grünes Herzensthema. Das macht der Appell von mehr als 700 Mitgliedern deutlich, die sich gegen die Pläne der EU wenden, die Aufnahme von Geflüchteten künftig mit dubiosen „Vorprüfungen“ an den EU-Außengrenzen einzuschränken. Wie das praktisch ablaufen soll, bleibt bisher nebulös. In Sammellagern? Inner- oder außerhalb der EU? Klar ist nur, dass alle Zeichen auf noch härtere Abschottung stehen. Und die politischen Ausgangsbedingungen für einen erfolgreichen Widerstand gegen diese Pläne sind denkbar schlecht.

Bis auf ein paar Abgeordnete signalisiert kaum jemand aus der Ampel großen Heldenmut. Nicht nur Rechte, auch grüne und sozialdemokratische KommunalpolitikerInnen berichten von ihrer Überforderung bei der Aufnahme von Geflüchteten. Auch die grünen MinisterInnen drängen sich nicht gerade nach Selfies mit SyrerInnen wie Angela Merkel 2015. Die damals kurzzeitig demonstrativ humane Kanzlerin hatte es jedoch auch leichter als Olaf Scholz heute. 2015 gab es keinen Krieg in Europa mit unabsehbaren Folgen und Millionen europäischen Binnenflüchtlingen aus der Ukraine, keine Energiekrise und keine große rechte Oppositionspartei. Heute sitzt der Ampel nicht nur die Merz-CDU im Nacken, sondern auch eine erstarkte AfD mit jetzt schon 19 Prozent.

Eine liberale Flüchtlingspolitik wäre trotzdem möglich, weil der eklatante Arbeitskräftemangel in Deutschland allen auffällt und die Aufnahmebereitschaft zumindest langfristig erhöhen müsste. Doch leider gibt es in der EU kaum noch MitstreiterInnen für eine offene Haltung und eine ausgewogene Verteilung der Geflüchteten auf die 27 Mitgliedsstaaten. Luxemburg, vielleicht. Skandinavien? Vorbei. Die Zahl der rechtsgerichteten Regierungen ist seit 2015 deutlich gestiegen.

Regieren zwingt oft zu bitteren Kompromissen. Und zu Ehrlichkeit: Für unkontrollierte EU-Grenzen gibt es auch hier keine Mehrheit, weil ein Großteil der Geflüchteten so nach Deutschland kommt. Angesichts der Verweigerungshaltung der meisten europäischen PolitikerInnen müssen die Grünen nun wenigstens ernsthaft versuchen, punktuelle, aber wichtige Zugeständnisse zu erreichen, etwa eine bedingungslose Aufnahme von Kindern. Ja, schon eine Vertagung wäre bei diesem Asylgipfel ein Erfolg, weil menschenfreundliche Beschlüsse nicht in Sicht sind.

Eine deutsche 15-Prozent-Partei wird die Grundrichtung der europäischen Asylpolitik kaum ändern können. Wer das nicht mehr aushält, müsste die Regierung verlassen. Damit ließe man die Menschen auf der Flucht aber erst recht allein.

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