EU-Asylrecht wird verschärft: Grüne Basis entsetzt

Die Grünen wollen die geplante Reform des EU-Asylrechts mittragen. In einem Brief an ihre Spitze protestieren mehr als 700 Parteimitglieder dagegen.

it Schlauchbooten retten Mitarbeiter der Organisation Ärzte ohne Grenzen Migranten und Flüchtlinge im Mittelmeer von einem Boot in Seenot.

Die EU-Reform könnte die Situation an den Außengrenzen verschlimmern Foto: dpa

BERLIN taz | Bei den Grünen nimmt der interne Protest gegen Pläne der Bundesregierung für die EU-Asylrechts-Reform zu – und damit auch die Kritik am Kurs der eigenen Parteispitze. Über 700 Mitglieder haben inzwischen einen Brief unterzeichnet, der an die Mi­nis­te­r*in­nen Annalena Baerbock, Robert Habeck und Lisa Paus sowie an die beiden Parteivorsitzenden und die beiden Fraktionschefinnen gerichtet ist. „In großer Sorge verfolgen wir die Debatten um eine Reform des europäischen Asylsystems“, heißt es darin. Und: „Die Berichte über die Prioritäten der deutschen Bundesregierung [haben uns] erschüttert.“ Der Brief liegt der taz vor, der Spiegel hatte zuerst darüber berichtet.

„Die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems sind nur einige der Rechtsverschärfungen, die in der vorgeschlagenen Reform des Asylsystems angelegt sind“, heißt es weiter. „Mitgliedsstaaten werden teilweise zur Inhaftierung der Schutzsuchenden verpflichtet und erhalten zusätzliche massive Möglichkeiten zu Asylrechtsverschärfungen auf nationaler Ebene.“

Das gemeinsame Ziel der Grünen sei ein anderes gewesen: „eine Reform, die geeignet ist, das Grundrecht auf Asyl zu schützen, menschenunwürdige Bedingungen zu beenden und für eine faire Verteilung zu sorgen“. Auch wenn die Verhandlungssituation in Brüssel sicherlich schwierig sei, sei es schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspreche.

Unterzeichnet haben den Brief unter anderem die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, der Grüne-Jugend-Co-Chef Timon Dzienus und die Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, Astrid Rothe-Beinlich. „Ich könnte kein Lager an EU-Außengrenzen mitvertreten, das geht mit grüner, menschenrechtsorientierter Flüchtlingspolitik nicht zusammen“, sagte Rothe-Beinlich der taz. Es habe auch mit ihrer Ost-Erfahrung zu tun, dass sie grundsätzlich gegen tödliche Grenzen aufbegehre.

Die EU-Innenminister beraten am Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll. Die Bundesregierung hat sich dafür offen gezeigt, will aber durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen.

Entsprechend hatten sich auch Baerbock und Habeck geäußert. Die Außenministerin sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch – der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen.

Die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen des Briefes fordern die Grünen in Regierung, Bundestag und an der Parteispitze zu mehr Selbstbewusstsein in der Asyldebatte auf. „Wir erwarten nicht, dass sich die schwierige Lage in der europäischen Asylpolitik von heute auf morgen ändert. Aber wir erwarten, dass ihr gemeinsam mit viel Rückenwind aus der Partei, Zivilgesellschaft und der Wissenschaft dazu beitragt, dass Populismus nicht in Gesetzesform gegossen wird und wir die Hegemonie in der Debatte zurückgewinnen.“

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