Evangelischer Kirchentag in Nürnberg: Trotz Krise ein Heimspiel für Habeck

Auf dem Kirchentag diskutiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Aktivistin Carla Hinrichs. Beide haben Fans - aber auch Kritiker*innen.

Carla Hinrichs spricht, während Robert Habeck böse dreinschaut

„Wir haben etwas zu sagen“: Carla Hinrichs mit Wirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Kirchentag Foto: Daniel Karmann/dpa

Nürnberg taz | Die größte Halle auf dem Nürnberger Messegelände ist voll besetzt, vor der Tür drängen sich Besucher*innen, die noch einen Platz ergattern wollen: Hier spricht gleich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Das Kirchentagspublikum sollte eigentlich ein Heimspiel für den Grünen-Politiker sein.

Mit ein paar Minuten Verspätung startet die Veranstaltung. Habeck muss derzeit eine Zerreißprobe seiner Partei durchstehen. Er hat die Aufgabe, den am Donnerstagabend auf der EU-Innenminister*innenkonferenz ausgehandelten Asylkompromiss gegen scharfe Kritik aus den eigenen Reihen zu verteidigen. Das Publikum hier dürfte dabei nicht unbedingt auf ihrer Seite sein. Doch darum soll es jetzt erstmal nicht gehen. Diskutiert wird über Verantwortung und Schuld in der Klimakrise: „Wer hat's verbockt? Und was machen wir jetzt?“ lautet die Frage.

Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, macht den Auftakt. Es sei ihr nicht leicht gefallen, heute hier zu sprechen sagt sie, denn sie habe den Eindruck, ihr und der Bewegung würde mit Ambivalenz begegnet.

Polizeieinsätze und Razzien gegen die Letzte Generation hätten gezeigt, dass es viele gäbe, die die Stimme der Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen nicht mehr hören wollten. Doch sie kündigt weitere Aktionen an: „Wir haben etwas zu sagen und wir werden uns nicht davon abbringen lassen, es weiter zu sagen.“ Die Gesellschaft wisse um die Konsequenzen des Nicht-Handelns in der Klimakrise: „Jetzt ist die Zeit, in der wir zusammenkommen müssen“, schließt sie. Das Publikum applaudiert.

Warnung vor apokalyptischen Szenarien

Habeck warnt dagegen vor der Instrumentalisierung apokalyptischer Szenarien, um Forderungen nach mehr Klimaschutz Nachdruck zu verleihen. Andauernde Negativnachrichten würden dem Populismus Zulauf bescheren. „Wie hast du dich in der Klimakrise positioniert“, das werde die eigentliche Frage sein, wenn später auf unsere Zeit zurückgeblickt wird. Es ginge jetzt ums „Hoffen und Machen“, eine Referenz auf das gleichlautende Kirchentagsmotto. Wer genau es in der Vergangenheit „verbockt“ habe, das sei eigentlich irrelevant. „Meine gesamte politische Erfahrung sagt mir, dass es für das Schaffen von Mehrheiten Gemeinsamkeiten braucht. Da hilft es nicht, wenn wir mit dem Finger aufeinander zeigen. Wir müssen uns die Hand reichen.“

Die Protestform der Letzten Generation kritisiert er als zu unspezifisch: „Der Protest trifft irgendwie alle. Damit erzeugt man nur Wut“. Das sei keine Hilfe sondern verhindere, dass sich eine Mehrheit für den Klimaschutz findet. Offen zeigt sich der Minister aber für die Forderung der Letzten Generation, zufällig ausgeloste Klimagesellschaftsräte einzuberufen. Allerdings dürften diese dann nicht über der repräsentativen Demokratie stehen. Die Reaktionen aus dem Publikum zeigen, dass sich die Kirchentags-Besucher*innen bei beiden wiederfinden. Sowohl Carla Hinrichs als auch Robert Habeck ernten viel Applaus.

Björn Kissering ist aus Baden-Württemberg zum Kirchentag angereist. Der Ehrenamtliche in der Behindertenhilfe sagt: „Ich bin mit einem ohnmächtigen Gefühl hier her gekommen: Die Auswirkungen des Klimawandels spüren wir jetzt schon, und zwar auch bei uns Deutschland. Aber bei dieser Veranstaltung, da merke ich, dass ich nicht alleine bin, dass sich andere auch Gedanken machen.“ Er schaut sich in der vollbesetzten Halle um: „Und wir sind viele.“

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