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Armutsgefährdung bei StudierendenLuxus Studium

Zum Weltstudierendentag veröffentlicht das Statistische Bundesamt Daten zur finanziellen Situation von Studierenden. Ein Drittel ist armutsgefährdet.

Lecker! Bafög! Foto: Bernd Jürgens/imago

BERLIN taz | In 2021 waren mehr als ein Drittel aller Studierenden in Deutschland von Armut gefährdet, teilte das Statistische Bundesamt mit. Dabei trifft es eine Gruppe besonders hart: Studierende, die in einer Wohngemeinschaft oder alleine wohnen – gut drei Viertel der Studierenden dieser Gruppe galt 2021 als armutsgefährdet. Verglichen mit der deutschen Gesamtbevölkerung, bei der im vergangenen Jahr die Quote bei 15,8 Prozent lag, sind Studierende somit überdurchschnittlich stark von Armut betroffen. Gewerkschaften rufen dringend zur finanziellen Unterstützung der Studierenden auf.

Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine, jetzt die Inflation und eine bundesweite Energiekrise: Das Leben in Deutschland wird immer teurer. Anlässlich des diesjährigen Weltstudierendentags am 17. November veröffentlichte das Statistische Bundesamt neue Daten bezüglich der finanziellen Situation von Studierenden in Deutschland.

Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt, was 2021 einem Betrag von 1.251 Euro im Monat entsprach. Während in der deutschen Gesamtbevölkerung knapp ein Drittel nicht in der Lage war, finanziell unerwartet große Ausgaben zu bestreiten, lag die Zahl bei Studierenden, die nicht im Elternhaus lebten, bei 55,5 Prozent.

Auch die Belastung durch Miete und Nebenkosten ist unter Studierenden überdurchschnittlich hoch. Bei der Gruppe der Studierenden, die alleine oder in einer Wohngemeinschaft lebt, floss laut Statistikamt mehr als die Hälfte des verfügbaren Einkommens in die Wohnkosten. Als belastet gelten Haushalte dann, wenn die Kosten für Wohnen bei mehr als 40 Prozent liegen, nach Abzug möglicherweise erhaltener wohnungsbezogener Transferleistungen.

Von der Corona-Krise in die Inflation

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zeigt sich alarmiert. Der stellvertretende Vorsitzende Andreas Keller fordert die Bundesregierung dazu auf, schnell zu handeln: „Die Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze um 5,75 Prozent, die seit dem Wintersemester 2022/23 gilt, reicht bei Weitem nicht einmal aus, die bei über 10 Prozent liegende Inflationsrate auszugleichen. Damit die Studierenden über den Winter kommen, müssen die in Aussicht gestellte Energiepauschale von 200 Euro sofort ausgezahlt und der Notfallmechanismus des BAföG aktiviert werden.“

Auch Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW) kommentiert die Daten und macht neben der prekären finanziellen Situation ebenfalls auf die psychische Gesundheit der Studierenden aufmerksam: „Studierende stehen in diesem Wintersemester vor einer dramatischen sozialen Notlage. Sie kommen finanziell und psychisch auf dem Zahnfleisch aus der Corona-Pandemie – und wissen angesichts explodierender Preise oftmals nicht, wie sie nun Strom, Gas und Lebensmittel bezahlen sollen.“

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26 Kommentare

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  • Und was ist den Azubis?



    Ich würde einmal gerne erleben, dass nicht immer nur "das Leid der Studierenden" gesungen wird, sondern auch das der Azubis, denn deren Problem sind nicht geringer.



    Viele mussten für ihren Ausbildungsplatz von zu Hause ausziehen, bekommen gar kein BAföG und deren "Einkommen" reicht bei weitem nicht aus um selbständig zu leben.



    Das eine TAZ laufend nur über Studierende berichtet und die Azubis links liegen lässt, finde ich schon erstaunlich. Dürfte aber daran liegen, dass 100% aller Reporter*innen eben Studierende waren.

    • @Rudi Hamm:

      Schauen Sie einmal 24.07. Artikel von Marita Fischer , " Lehrjahre sind Hungerjahre " Thema steigende Lebenshaltungskosten - da geht's auch um unsere Azubis in diesem Land.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Danke für den Hinweis

        • @Rudi Hamm:

          ...gerne - wir sind doch alle TAZI' s 🤺

  • Studium ist Luxus, das ist völlig richtig.

    Es ist ein absolutes Privileg, studieren zu dürfen, d.h. fünf oder mehr Jahre seines Lebens nur mit Lernen zu verbringen während andere im gleichen Alter schon in Werkhallen und auf Baustellen schuften.

    Ob man das darf, sollte im Idealfall nicht von der finanziellen Situation der Eltern abhängen sondern einzig und allein von der Begabung, der Motivation und dem Fleiß eines jungen Menschen. Es gibt in Deutschland immer noch viel zu wenig echte Stipendien. Die Kultur, dass private oder auch staatliche Stiftungen dafür viel Geld bereitstellen, ist hierzulande absolut rückständig.

    Insgesamt gibt es allerdings auch viel zu viele Studenten. An den Unis sind zu viele Menschen, die da von ihrer Begabung her da gar nicht hingehören, weil sie in praktischen Berufen besser aufgehoben wären. Die aktuelle Akademisierungsquote ist sinnfrei künstlich in die Höhe getrieben worden. Dementsprechend fehlen Fachkräfte im Handwerk und in der Industrie. Ein Studium ist für viele sinnvolle Berufe überhaupt nicht notwendig. Und für die praktischen Berufe fehlt die gesellschaftliche Wertschätzung!

    • @Winnetaz:

      Wir haben aber nicht nur zu wenig Handwerker, sondern auch zu wenig Lehrer, zu wenig Ärzte, zu wenig Programmierer, zu wenig Ingenieure. Die Akademikequote ist nicht die Ursache des Fachkräftemangels.Ohne eine hohe Zahl von Akademikern geht die Volkswirtschaft den Bach runter, und dann kann auch keiner mehr die Handwerker bezahlen.

      • @Ruediger:

        Richtig. Die Akademikerquote ist nicht das Problem, sondern eher die Quote von Laberfächern, die dem Land nicht dienlich sind und deren Absolventen im ungünstigen Fall ein Leben lang vom Steuerzahler abhängig sind, sofern sie sich nicht innerhalb der Universitätsbubble in irgendeinen Hiwi-Job retten können.

        • @SeppW:

          Die meisten arbeiten später fachfremd. Die wenigsten sind arbeitslos.

        • @SeppW:

          Sie haben wirklich null Ahnung. Selbst die Studenten aus sogenannten "Laberfächern" sind weit unterdurchschnittlich arbeitslos. Es kann auch nicht der alleinige Sinn von Arbeit sein, "dem Land dienlich zu sein" und ich sage Ihnen das als Ingenieur und Tischler.

      • @Ruediger:

        ist offtopic, jedoch, der Fachkräftemangel hat vor allem damit zu tun, dass viele Fachkräfte völlig unsinnige bis gesellschaftlich schwerst kontraproduktive Tätigkeiten ausüben, z.B. Autos bauen.

        • @guzman:

          "dass viele Fachkräfte völlig unsinnige bis gesellschaftlich schwerst kontraproduktive Tätigkeiten ausüben, z.B. Autos bauen."



          für sie "kontraproduktiv", für mich auf dem Land unverzichtbar!

  • In meiner Zeit waren gemäß dieser Definition signifikant mehr Studenten armutsgefährdet.

  • Studierende von heute müssen teure Fernreisen machen, um sich zu finden. Auch teure Elektronikproduke von der Firma mit dem angebissenen Apfel sind sehr beliebt, weil man mit denen einfach besser arbeiten kann. Und Single-Apartments scheinen auch nicht all zu selten genommen zu werden, um in Ruhe studieren und seinem Privatleben fröhnen zu können.



    Da reichen 1200 Euro pro Monat dann halt nur sehr knapp. Was hier als 'armutsgefährdet' deklariert wird, ist gepampertes Wohlfühlstudieren. Bevor es überhaupt zum gut bezahlten Job kommt muss man als Student von heute bereits so tun, als hätte man es schon geschafft.

    • @Mopsfidel:

      Wo haben Sie denn das her? Die mit den teuren Reisen und Geräten sind die, die eh aus sehr betuchtem Hause stammen. Es gibt kaum noch Aufsteiger, die sich hochgearbeitet haben. Mich würde interessieren wie viele von dem Drittel der Armutsgefährdeten gleichzeitig 'Arbeiterkinder' sind. Diese machen im Bachelor auch kaum ein Drittel aus.

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Nur ein Drittel ist armutsgefährdet? Da die Definition über das Netto-Einkommen stark irreführend sein kann, wäre ich davon ausgegangen, dass Armutsgefährdung bei Studierenden eher die Regel ist.

  • Ist 60% vom Median-Einkommen wirklich zu wenig für Studenten? Als Student muss man keine eigene Wohnung haben, kein Auto, man braucht nicht viele Möbel oder Haushaltsgeräte, kann subventioniert in der Mensa essen etc. Es scheint mir nicht besonders sinnvoll, diesen Armutsbegriff bei Studenten zu verwenden., weil es gar nicht darlegt, ob Studenten bei einem entsprechend angemessenen Lebensstandard finanziell zurechtkommen oder nicht.

  • Ein Drittel der Studenten ist armutsgefährdet und die Schwelle sind 1251 Euro im Monat?



    Ich hätte erwartet, dass die meisten Studenten mit weniger auskommen müssen.

    • @Abid Kidoh:

      Ich musste während meines Studiums mit 600€ mtl. Auskommen inklusive miete, Versicherung etc.. War kein Problem. Habe in einer WG gewohnt. (Ulmer Innenstadt) Wir haben regelmäßig die Prospekte der Handelsketten gewälzt. Gab täglich frisch gekochtes Abendessen (Öfter Mal Schweinebraten, ... Einmal sogar Gans zu Weihnachten). Wir kamen für Essen selten über 100€ pro Person. (Studium 2010-2015).



      Tipp: Es muss nicht unbedingt München oder Berlin sein. Es gibt viele kleine Unistädte mit sehr guten Unis (die haben meist auch ein viel persönlicheres Umfeld; In Ulm konnte man bei den meisten Profs einfach so ohne Termin vorbeischauen wenn man fragen hatte oder sich für ne Bachelor/Masterarbeit interessiert hat).

      • @silicananopartikel:

        Und wieviel kostete damals ein Brötchen?

        • @Ajuga:

          Zitat: "Und wieviel kostete damals ein Brötchen?"

          Wenn der Vorredner um 2015 mit circa 600 Euro durch den Monat kam, ist die Frage nach dem damaligen Brötchenpreis knapp daneben, wenn die aktuelle Armutsdefinition bei 1.250 Euro liegt.

          • @Mopsfidel:

            Naja, die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Mieten haben sich ja wohl massiv erhöht. Der Mietindex ist in den letzten sieben Jahren mehr als doppelt so stark gestiegen als in den zehn Jahren davor.

            • @Johan130:

              Ich bin um das Jahr 2000 bereits mit knapp 600 Euro als Student über die Runden gekommen. Dem Vorredner gelang dies 2015 ebenfalls. Und Sie wollen mir nun erzählen, daß man im Jahr 2022 mit 1250 Euro netto an der Armutsgrenze liegt?

              Ich wiederhole mich gerne. Die Definition von arm ist relativ, gerade bei Studenten. Wenn man gepampertes Wohlfühlstudieren als Maßstab nimmt, dann wird es mit 1250 Euro durchaus knapp.

  • Da gibt es nur noch eines:



    Die Studierenden sollten sich an den Demonstrationen von demokratischen



    Organisationen wie z. B. des paritätischem Wohlfahrtsverband anschließen.



    Und bitte gerne über die organisierte Studentenschaft in unserem Land!



    Da habe ich auch wärend meines Studiums getan, gegen das damalige Hochschulrahmengesetz.



    Also Studierende raus auf die Straße und stärkt damit auch unsere Demokratie!!!

  • „Studierende stehen in diesem Wintersemester vor einer dramatischen sozialen Notlage. Sie kommen finanziell und psychisch auf dem Zahnfleisch aus der Corona-Pandemie – und wissen angesichts explodierender Preise oftmals nicht, wie sie nun Strom, Gas und Lebensmittel bezahlen sollen.“

    Weshalb sollte es Studierenden anders gehen als der breiten Masse der Arbeitnehmer ? Die warten auch noch auf die Lohnerhöhung in Höhe von 10 % zwecks Inflationsausgleich ;) Man munkelt das viele noch nicht mal eine Lohnerhöhung in Höhe von 5% bekommen haben. Da sind Studierende schon als Privilegiert zu betrachten.

    Fazit : Gürtel enger schnallen,wie alle anderen Menschen in diesem Land auch.

  • "Gewerkschaften rufen dringend zur finanziellen Unterstützung der Studierenden auf."

    Das sollten die Studenten auch selbst hinbekommen - wenn es sein muss, großflächige Streiks an den Unis!

  • Dass Studenten arme Schlucker sind ist ja eine Binse - aber schön, dass das mal durch fundierte Zahlen belegt wird.

    Viel schlimmer finde ich, dass in vielen Bereichen das (Bachelor-)Studium nicht mehr berufsqualifizierend ist. Da muss man dann noch einige Semester für einen Master dranhängen um überhaupt eine Chance zu haben. Und oftmals ist das Niveu bezogen auf die Eignung für einen Beruf deutlich unterhalb der einstigen Meisterausbildung.

    Was helfen mir fünf hochausgebildete Betriebswirte wenn ich die komplette Fertigung nach China verlegen muss weil hier keiner mehr mit einer CNC-Fräse umgehen kann ?

    Auf der anderen Seite hat die Industrie das duale Ausbildungssystem vom Prinzip kaputtgemacht (Studium wird ja vom Staat bezahlt, Ausbildung von den Unternehmen)

    Und ein duales Studium, bei dem man eine gewerbliche Ausbildung mit einem fachverwandtem Studium verbindet, ist ein Feigenblatt denn in beiden Zweigen werden massive Abstriche gemacht damit die AusZu-Studis das überhaupt packen.

    Und all das nur, weil unsere Politiker (von denen ja auch allerlei einen Doktorgrad haben oder HATTEN) im internationalen Vergleich glänzen wollen.

    Aber dass nicht alles Gold ist, was glänzt ist ebenso eine Binse wie die des Bettelstudenten.