Umstrittener Agrarverband verliert Klage: Forscherin besiegt „Freie Bauern“
Janna Luisa Pieper darf den Verband Freie Bauern „rechtspopulistisch“ nennen, urteilt die zweite Instanz. Das sei eine zulässige Meinungsäußerung.
Als Tatsachengrundlage genügte laut Landgericht, dass die Freien Bauern „sich mit plakativ vorgetragener Kritik an Bauerndemonstrationen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung beteiligt“ hätten. Die Freien Bauern müssen jetzt laut Beschluss die Kosten des Berufungsverfahrens bezahlen. „Die Entscheidung des Senats ist unanfechtbar“, so der Sprecher.
Pieper hatte im Februar während der Bauernproteste, die auch zur Aufhebung wichtiger Umweltregeln für Agrarsubventionen führten, in einem NDR-Interview von „rechtspopulistischen Vereinigungen innerhalb der Landwirtschaft“ gesprochen und gesagt: „Dazu zählen natürlich auch LSV [Landwirtschaft verbindet Deutschland] und die Freien Bauern.“ Daraufhin brach besonders in den sozialen Medien ein Shitstorm über Pieper herein. Der Kölner Anwalt Stephan Stiletto flankierte diesen mit gleich drei Unterlassungsbegehren, in denen er Pieper aufforderte, auf die Aussagen zu verzichten. Da sie das ablehnte, beantragte er, dass Gerichte der Wissenschaftlerin die Äußerungen durch Einstweilige Verfügungen verbieten sollten. Falls sie sich nicht daran halte, solle ihr ein Ordnungsgeld von „bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft“ angedroht werden.
Kläger waren außer den Freien Bauern der Influencer Anthony Lee – damals noch LSV-Bundespressesprecher – und ein LSV-Landesverband. Doch sie unterlagen vor mittlerweile fünf Gerichten. Berufungen sind nicht mehr möglich. Zwar könnten die Kläger jetzt „Hauptsacheverfahren“ anstrengen, in denen sich Gerichte dann noch ausführlicher mit den Klagen befassen müssten. Aber die hätten wohl kaum Erfolgschancen, nachdem nun schon mehrere Kammern in drei Bundesländern im Sinne von Pieper geurteilt haben.
„Kartell aus Pseudowissenschaft und Medien“
Die Freien Bauern argumentierten in Halle, ihr Programm beschäftigte sich nur mit der Agrarpolitik, aber nicht mit rechtspopulistischen Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder angeblich korrupten Eliten. Die Organisation räumte allerdings ein, dass sie den Dialog mit Parteien und Gruppierungen „im gesamten politischen Spektrum“ suche, „um Schnittmengen zu finden“. Aber „ein Näheverhältnis“ zu Parteien meide man „gezielt“. Bei einer Demonstration in Berlin hätten sich die Freien Bauern „zur politischen Neutralität“ bekannt.
Pieper verteidigte sich damit, dass gerade agrarpolitische Themen „rechtspopulistisch bearbeitet und kommuniziert werden“ könnten. So hätten die Freien Bauern in einer Pressemitteilung erklärt, in „der gegenwärtigen Agrarpolitik würden sich fast ausschließlich die weltfremden Ideologien einer selbstgerechten liberalen Oberschicht widerspiegeln“. In einer anderen Pressemitteilung sei von „Brüsseler Bürokraten“ die Rede, die „als grüne Ideologen“ einen „Vormachtsanspruch“ und das Ziel einer „schleichende[n] Enteignung“ verfolgen würden. Bei einer Demonstration in Brüssel habe ein Bundesvertretungsmitglied der Freien Bauern gesagt, es gebe „ein gigantisches Kartell aus Pseudowissenschaft und Medien, die den Menschen einreden, sie würden die Welt retten, wenn sie anstatt Milch, Fleisch und Eiern oder Fisch ein industrielles Designerfood fressen würden“.
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