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Abgeordnete im Bundestag11 Prozent Migrationshintergrund

Nur etwa je­de*r zehnte Abgeordnete im Bundestag hat einen Migrationshintergrund. In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil dagegen bei knapp 30 Prozent.

Ziemlich weiß: Nur sehr wenige Bundestagsabgeordnete haben einen Migrationshintergrund Foto: Michael Kappeler/dpa

Stuttgart afp | Obwohl der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland kontinuierlich wächst, sind sie im Bundestag und in den Landesparlamenten nach wie vor unterrepräsentiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart. Demnach stieg zwar in den vergangenen 30 Jahren der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Bund und in den Ländern kontinuierlich an.

Während aber in der deutschen Bevölkerung mittlerweile fast 30 Prozent einen solchen Hintergrund haben, sind es unter den Mitgliedern des Bundestags nur 11,4 Prozent – oder 84 der insgesamt 736 Parlamentarier. Noch größer ist die Diskrepanz in den Landesparlamenten – dort liegt der Anteil bei nur 7,3 Prozent.

Besonders auffällig ist die Unterrepräsentation laut Erhebung im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen. Die Anteile liegen hier zwischen 2 und knapp 9 Prozent. Mit 0,8 bis 1,3 Prozent sitzen die prozentual wenigsten Abgeordneten mit Migrationshintergrund jedoch in den Landtagen von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Lediglich in den Stadtstaaten ist die Zahl der Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit Einwanderungsgeschichte laut Studie „zumindest etwas höher“ als der Anteil der Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund. So besitzen beispielsweise 21,1 Prozent der Abgeordneten in der Hamburger Bürgerschaft einen Migrationshintergrund. In Berlin und Bremen liegen die Anteile bei 17 beziehungsweise 19 Prozent.

Anteil bei AfD höher als bei Union und FDP

Abgeordnete mit Einwanderungsgeschichte sind den Angaben zufolge zum überwiegenden Teil in den Parteien links der Mitte – Grüne, Linke, SPD – zu finden. Diese Parteien seien auch hauptsächlich für den Anstieg im Zeitverlauf verantwortlich. Rechts der Mitte stellt die AfD mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund als die Unionsparteien und die FDP.

Für die sogenannte Repchance-Studie wertete ein Team um den Politikwissenschaftler Andreas Wüst von der Münchner Hochschule Daten aus und führte Interviews mit Betroffenen sowie Führungskräften aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft. „Wir sind im Dialog mit den Abgeordneten der Frage nachgegangen, welche Umstände ihre Karriere ermöglicht, welche förderlich waren und welche ihnen im Weg standen“, erklärte Wüst.

Stark formalisierte Förderprogramme seien von vielen Befragten kaum genutzt worden, viel erfolgversprechender seien hingegen persönliche Mentoring-Beziehungen gewesen. „Motivation, Mobilisierung und Unterstützung für eine Kandidatur und während der späteren politischen Arbeit sind für diese Gruppe sehr wichtig – umso mehr zu Zeiten von Hatespeech und Bedrohungen.“

In der Pflicht sehen die Autorinnen und Autoren der Studie dabei vor allem die Parteien. Diese müssen sich nachhaltiger als bisher öffnen, so Wüst.

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27 Kommentare

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  • Laut Bundeszentrale für politische Bildung haben 13% der Wahlberechtigten einen MiHiGru.

    www.bpb.de/themen/...chte-im-bundestag/

    Mit 11,4% der Mandate sind sie damit völlig angemessen repräsentiert.

    Der Anspruch, dass Personen ohne Staatsbürgerschaft im Parlament repräsentiert sein mögen, ist mangels passiven Wahlrechts absurd.

    • @Moby Dick:

      Schlagendes Argument.

      Die Zahlen belegen eigentlich, dass es in dieser Hinsicht kein Problem gibt.

      Spannend ist, dass die AfD in dieser Hinsicht nicht schlecht aufgestellt ist.

  • Um in der Regierung mitarbeiten zu können, zählt die Herkunft nicht. Wissen, Können und Wollen zählt. Und noch einiges anderes.

  • Viel interessanter als die ethnische wäre die sozioökonomische Zusammensetzung. Wie viele haben oder hatten reiche Eltern. Wie viele haben Vermögen geerbt. Wir viele hatten schon vorher ein überdurchschnittliches Einkommen. Wie viele haben Immobilien......

    • @David Palme:

      Die bestverdienendste ist eine Ostdeutsche mit persischem Vater, also offiziell mit Migrationshintergrund.

    • @David Palme:

      Über die zusammensetzung des Bundestages gibt es von Deutschlandfunk ein Folge im Hörsaal Podcast "wenn der Bundestag immer akademischer wird" deckt ein Teil ab und jung und naiv hat ein Interview mit einem elite Forscher. Die Kombi vermittelt einen interessanten Einblick

  • Nicht alle Personen mit Migrationshintergrund gaben auch einen deutschen Pass und dürfen wählen oder sind wählbar. Nur etwas mehr als die Hälfte aus der dieser Personengruppe hat auch den die deutsche Staatsbürgerschaft. Von daher brauch in dieser Hinsicht nichts gefördert werden.

  • Hm, etwas monokausal, wie meistens...



    Dass die Parlamente nicht 1:1 die Bevölkerung abbilden (z. B. auch in Bezug auf Bildungsabschlüsse), ist ja nun nichts neues.



    Müssen sie ja auch nicht. Sie sollen lediglich den Willen des Souveräns abbilden.

  • Laut Migrationsbericht BAMF hatten 2022 28,6% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. www.bamf.de/Shared...sbericht-2022.html



    Davon haben mehr als die Hälfte die deutsche Staatsbürgerschaft, was im Umkehrschluss allerdings auch heißt, dass der Rest sie nicht besitzt. Sei es, weil sie EU-Bürger sind oder die deutsche Staatsangehörigkeit nicht wollen oder die Voraussetzungen dazu fehlen. Unter den Menschen mit eigener Migrationserfahrung überwiegt diese Gruppe sogar deutlich. D.h. aber auch: fast die Hälfte ist nicht wahlberechtigt, ergo auch nicht im Parlament vertreten.



    Das Ganze könnte man jetzt noch nach Bundesländern aufdröseln, aber dass es in den Stadtstaaten mehr Menschen mit Migrationshintergrund gibt, ist wohl allseits bekannt.



    Die Repräsentationslücke ist also deutlich kleiner, als der Artikel nahelegt, und ich frage mich, warum dies nicht erwähnt wird.

  • Was bedeutet eigentlich Migrationshintergrund? Mein Ururgroßvater hieß mit Nachnamen Lato, das wurde später eingedeutscht in "Sommer", habe ich jetzt einen Migrationshintergrund - oder ging der mit dem deutschen Namen verloren?

    • @Lars Sommer:

      Früher durfte man noch Ausländer sagen.

      Bei mir kamen alle direkte Vorfahren nachweislich ab 1524 aus 3 heute deutschen Nachbarlandkreisen. Muss ich mir deshalb was darauf einbilden?

      Meines Erachtens sollten maximal 8-10% der Bevölkerung in einem anderen Land als Deutschland geboren sein.

      Ein Land wie die USA ist nicht zufällig gesellschaftlich zerrissen.

      Als ich mein Haus (am Land) verkaufen wollte, da wollte es die halbe Straße kaufen, mit der Begründung, dass man keine Fremden in der Straße haben wolle, u.a. wegen Nachbarschaftshilfe, die eher innerhalb der gleichen Kultur stattfindet. Die Leute wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können und wollen keine Experimente.

      Selbst die Gastarbeiter aus Südosteuropa, die vor 50-60 Jahren hierher kamen, haben tendenziell noch ihre meisten Sozialkontakte mit Landsleuten bzw. Menschen aus den gleichen Herkunftsländern.

      Integration ist was anderes als einen Job haben.

      • @Michael84:

        Was für eine maximal gefühlte, unqualifizierte Meinung, dass max. 8-10% der Bevölkerung nicht deutsch sein sollten!

        Die Zerrissenheit in den USA hat als Ursache die Abschaffung eines Gesetzes in den 80ern, das die Medien dazu verpflichtete, bei Sachverhalte "beide" Seiten darzustellen. Das Ende des Gesetzes war der Beginn von Fox News und in der Folge die Aufspaltung der Gesellschaft. News verkaufen sich eben noch besser mit heißen Emotionen, statt sachlicher Neutralität.

        Hinzu kommt, dass die Menschen heute ihre gefühlte "Meinung" als besonders wichtig erachten und sich nicht mehr allzu viel Mühe beim kalten, realitäts-bezogenen Denken machen. Das Erste, was in den Sinn kommt, ist richtig. Das Ego ist stärker als die Ratio.

      • @Michael84:

        Bis auf die Nachfahren der Ureinwohner gibt es niemanden in den USA dessen Vorfahren keine Einwanderer waren. Ihre 8-10% sind aus der Luft gegriffener rassistischer Blödsinn.

        • @Andreas J:

          "Bis auf die Nachfahren der Ureinwohner gibt es niemanden in den USA dessen Vorfahren keine Einwanderer waren."



          Es sei erwähnt, dass auch die sogenannten Ureinwohner zu ihrer Zeit Einwanderer waren.



          Derartige Unterteilungen sind nicht wirklich hilfreich für ein Zusammenleben.

          • @Encantado:

            Rassismus zu tolerieren ist hilfreich für wessen Zusammenleben? Hier in Hannover haben mittlerweile 41,1% der Bewohner einen Migrationshintergrund. Ich fühle mich wohl hier und die meisten meiner Freunde und Bekannten haben einen migrantischen Hintergrund.

    • @Lars Sommer:

      Offiziell gilt als Deutscher mit Migrationshintergrund, wer selbst nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde oder ein Elternteil hat, dass nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Das gilt übrigens auch dann, wenn Sie oder das Elternteil ethnischer Deutscher sind, also z.B. in der deutschen Community in Brasilien mit brasilianischer Staatsbürgerschaft geboren wurden.

      Ihr Ururgroßvater macht Sie zumindest rein rechtlich nicht zum Deutschen mit Migrationshintergrund.

  • Ich finde die Bildunterschrift "Ziemlich weiß: Nur sehr wenige Bundestagsabgeordnete haben einen Migrationshintergrund"

    unglücklich. Du kannst auch als weißer einen haben z.B. weil du als Pole hier her gekommen bist. Oder wird damit schon angedeutet, dass man erst einen besitzt, wenn man nicht weiß ist?

    • @Wayko:

      Sehr wahr. Mir wurde schon einmal ins Gesicht gesagt, dass sich "weiße" Menschen trotz Migrationshintergrund überhaupt nicht in "richtige" Diskriminierung hineinfühlen könnten und sich aus Debatten zu Rassismus etc. heraushalten sollten. Da wurde mir in Erinnerung an die Dinge die dem polnischen Teil meiner Familie bis 1945 widerfahren sind schlecht.

    • @Wayko:

      Es sind hier in der taz halt nicht die weißen Privilegierten gemeint, die eh keine Lobby brauchen. Die waren ja schon früher trotzdem an prominenter Stelle vertreten. Denken Sie etwa auch an offensichtlich französische Einwanderer wie die Familie de Maizière oder die Lafontaines dieser Welt.

    • @Wayko:

      Richtiger Hinweis!

      Noch interessanter würde es, wenn man die MdB mit Migrationshintergrund mit dem Anteil des jeweiligen spezifischen Migrationshintergrundes in der Bevölkerung vergleicht. Der iranische Migrihu z.B. ist dann wahrscheinlich überrepräsentiert.

  • "Rechts der Mitte stellt die AfD mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund als die Unionsparteien und die FDP."

    Schon wieder so ein perfider Trick.

  • Ja, das sollte sich ändern!



    Ich stell mir aber auch die Frage, wie viele Menschen ohne Studium Abitur beschäftigt im Niedrig Lohnsektor, Hartz IV Empfänger , Frauen Im Landtag sitzen.

  • Der Anteil von Abgeordneten mit solider Ausbildung ist auch zu gering. Die sollten mal alle ein Pflichtpraktikum in Industrie und Handwerk machen.

    • @Stoffel:

      Ihr Kommentar gefällt mir!

  • "Während aber in der deutschen Bevölkerung mittlerweile fast 30 Prozent einen solchen Hintergrund haben, sind es unter den Mitgliedern des Bundestags nur 11,4 Prozent..."

    Bevölkerung schließt auch Ausländer mit ein; Abgeordnete müssen aber natürlich deutsche Staatsbürger sein. Unter allen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland machen Menschen OHNE deutsche Staatsbürgerschaft mittlerweile ca. 49 Prozent aus.

    Also sollten im Bundestag statistisch gesehen ca. 15 Prozent Abgeordnete mit Migrationshintergrund sitzen. Da sehen 11,4 Prozent gar nicht so schlecht aus, oder?

    Außerdem kommen dann noch Faktoren wie der Bildungshintergrund und der Beruf dazu. Im Bundestag sitzen nun mal überdurchschnittlich viele Akademiker und Juristen. Wie hoch ist der Migrantenanteil in diesen Gruppen?

    • @Suryo:

      Korrekt, dazu kommt, dass ein besonders großer Teil der Menschen mit Migrationshintergrund Kinder und Jugendliche sind - wenn die älter sind, wird sich wohl auch ihr Anteil im Bundestag erhöhen...

      • @Volker Scheunert:

        Stimmt.



        Und dann kommt noch dazu, dass Migrationshintergrund nicht gleich Migrationshintergrund ist. Die Erfahrungen eines Akademikers mit persischen Migrationshintergrund - Wagenknecht, Djir-Sarai, Fahimi, Nouripour - sind wahrscheinlich andere als die eines Kindes türkischer Gastarbeiter und die andere als das eines Kindes türkischer Kaufleute (zB Aydan Özoguz).

        Außerdem hat jeder offiziell Migrationshintergrund, der mindestens ein Elternteil, das ohne deutsche Staatsangehörigkeit geboren wurde, hat. Somit zB auch Sahra Wagenknecht, obwohl die ihren iranischen Vater ja wohl nie kennengelernt hat.