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BSW und Ukraine-KriegGanz schlicht den Takt vorgeben

Frieden mit Putin sei möglich, suggeriert das Bündnis Sahra Wagenknecht – und bedient so geschickt Sehnsüchte der Ost-Wählerschaft.

Plakativ: Auch im Europawahlkampf, hier eine Szene aus Berlin, setzte das BSW bereits auf simple Krieg-und-Frieden-Rhetorik Foto: Stefan Boness/Ipon

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat in Thüringen, Sachsen und Brandenburg keine 200 Mitglieder. Trotzdem scheint das BSW die politische Landschaft zwischen Weimar und Pirna umzupflügen. Die AfD könnte in den beiden südlichen Bundesländern mehr als 20, vielleicht sogar 30 Prozent bekommen. In Erfurt und Dresden werden CDU und SPD nach den Wahlen am 1. September wohl keine Regierung ohne Beteiligung oder Duldung des BSW bilden können.

Das BSW gibt beim Thema Frieden schon jetzt scheinbar den Takt im Wahlkampf vor. Wagenknecht bedient mit schlichten Slogans im Osten vorhandene Sehnsüchte. „Krieg oder Frieden“, so ein BSW-Plakat. Es insinuiert, dass Frieden mit Putin möglich ist – wenn der Westen nur will.

Das Spitzenpersonal von CDU, SPD und Linkspartei im Osten, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bodo Ramelow in Erfurt und der SPD-Ministerpräsident von Brandenburg Dietmar Woidke, blicken schon länger eher skeptisch auf die militärische Unterstützung der Ukraine. Doch derzeit ist die Taktung von friedenspolitischen Ideen bei ihnen auffällig hoch.

CDU-Mann Kretschmer fordert eine Volksbefragung über die 2026 geplante Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Bodo Ramelow begrüßte erst die Moskauvisite des Putinfreundes Victor Orbán und fordert nun einen Nichtangriffspakt in Europa. Dietmar Woidke mahnte am Wochenende in Schwedt noch dringlicher als sonst, dass „dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden muss“. Der SPD-Mann erwartet, dass „die Bundesregierung alle diplomatischen Bemühungen ergreift, die möglich sind“.

Das geht an die Adresse seines SPD-Genossen Olaf Scholz, der Telefonate mit Putin derzeit für sinnlos hält und anstelle dessen lieber US-Mittelstreckenraketen in Deutschland aufbauen lässt. US-Raketen in Deutschland und immer mehr Waffen für Kyjiw sind für den Wahlkampf von CDU und SPD im Osten derzeit ein toxischer Cocktail. Dass Kanzler Scholz die neuen US-Raketen beim Nato-Gipfel wie einen kalt-technokratischen Verwaltungsakt präsentierte, der gar keine Debatte braucht, hebt die Stimmung der SPD im Osten auch nicht gerade. Man komme mit landespolitischen Ideen kaum gegen das Thema Frieden an, so die Klage von SPD-Wahlkämpfern.

Ein paar Bürgerrechtler um Marianne Birthler und Markus Meckel werfen Wagenknecht nun vor, russische Propaganda zu verbreiten. Als russisches Militär ein Kinderkrankenhaus in Kyjiw angriff, habe Wagenknecht den Ukrainern unterstellt, zu lügen. Solche „Desinformation sei in der DDR eine wohlbekannte Praxis“ gewesen, heißt es in dem Brief. Deshalb sollten die demokratischen Parteien, vor allem an die CDU, nicht „mit derartigen Lügnerinnen und Lügnern“ regieren. Doch die Frage, was zu tun ist, wenn AfD und BSW nach den Wahlen in Dresden oder Erfurt eine Mehrheit haben, umschifft der Brief der Bürgerrechtler großzügig.

Ist der Hagel von Friedensbotschaften von Woidke, Ramelow und Kretschmer ein Erfolg des BSW? Gar vorauseilende Anpassung? Wagenknecht hat ja vollmundig erklärt, das BSW werde sich nur „an einer Landesregierung beteiligen, die bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht“. Damit schien sie schon jetzt den Preis für mögliche Regierungsbeteiligungen hochzutreiben.

Kein Kniefall vor Wagenknecht

Allerdings ist vieles doppelt lesbar. Die Friedensbotschaften von Woidke, Ramelow und Kretschmer sind nur bedingt Sig­nale an das BSW oder gar ein Kniefall vor Wagenknechts prorussischer Agenda.

Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD in Sachsen, sagt der taz, dass „Frieden und die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen die Menschen umtreibt“. In Sachsen, so der Eindruck der Sozialdemokratin, hätten viele „Angst vor einer Ausweitung des Krieges“. Außerdem seien die Ostdeutschen „stärker mit Russland verbunden“. In Zahlen ausgedrückt: Im Osten findet eine Mehrheit von 52 Prozent, dass Berlin zu viel für Kyjiw tut, im Westen sind es nur 38 Prozent. Die Friedenssignale der Ministerpräsidenten sind nicht an das BSW, sondern vor allem an die Wählerschaft adressiert, die zwischen Prenzlau und Suhl anders über den Krieg denkt als der Westen.

Und auch Wagenknechts Ansage, per Landesregierung Einfluss auf den Bund zu nehmen, ist doppelt lesbar. Vielleicht ist das die Vorbereitung einer Flucht: Faktisch ohne Parteipersonal eine arbeitsfähige Fraktion zu bilden, ist eine Herausforderung. Auch noch MinisterInnen und StaatssekretärInnen zu stellen, wäre ein Abenteuer. Außerdem kalkuliert Wagenknecht wohl vor allem, was ihr bei der Bundestagswahl 2025 nutzt. Realpolitische Kompromisse in Landesregierungen zählen nicht unbedingt dazu.

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39 Kommentare

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  • "Außerdem seien die Ostdeutschen „stärker mit Russland verbunden“."

    Spätes Stockholm-Syndrom?

  • "CDU-Mann Kretschmer fordert eine Volksbefragung über die 2026 geplante Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.":

    Herr Kretschmer scheint nicht verstanden zu haben, daß er in sein Amt gewählt worden ist, um genau derart strittige und schwierige Entscheidungen zu treffen und nicht, um sich wie Herodes hinter einem vermeintlichen Volkswillen zu verstecken. Dafür braucht es keinen Ministerpräsidenten, der macht sich dadurch selbst überflüssig. Dafür würde auch ein Verwaltungsangestellter reichen. Wobei der sogar noch den Vorteil hätte, frei entscheiden zu können und nicht das Kalkül der Wiederwahl in seine Überlegungen einfließen lassen müsste.

    • @Josef 123:

      Die Landesregierungen (und damit Kretschmer) waren nicht in die Entscheidung über die Raketenstationierung involviert – genauso wenig wie der Bundestag. Über die Vor- und Nachteile von Volksentscheidungen kann man lange diskutieren, aber das Unbehagen darüber, dass eine so folgenreiche Entscheidung ohne Einbezug von Öffentlichkeit und Parlament hinter geschlossenen Türen getroffen wird, ist durchaus nachvollziehbar.

    • @Josef 123:

      Pontius Pilatus natürlich.

  • Wagenknecht will das fortsetzen was Angela Merkel über Jahrzehnt gegenüber Putin gemacht hat: in den Arsch kriechen und Milliarden Euro nach Russland rüber schieben damit Putin damit weiter die Einsätze seiner Armee finanzieren kann.

    Mit dem bekannten Ergebnis, dass Europa jetzt nach Georgien, Tschetschenien, Krim, Syrien u.a. direkt einen Krieg im Haus hat.

    Ich mag das Plakat. Es ist völlig klar für was Wagenknecht steht: Krieg.

  • "Auch noch MinisterInnen und StaatssekretärInnen zu stellen, wäre ein Abenteuer."



    Wenn sie parteilos sind nicht.



    Das geht eigentlich immer, will nur keine Partei durchexerzieren.



    /



    www.welt.de/print-...Bundeskanzler.html

  • Sara Wagenknecht hat empirisch bewiesen keine Ahnung von Putin und Russland, ihre Einschätzungen lagen nahezu immer falsch. Wer ihr und ihren Lügen (nichts anderes sind das) folgen will tut dies aus Ressentiment gegen den Westen, die Ukraine oder die westliche Demokratie oder aus einem reaktionären Bedürfnis das eigene Weltbild nicht in Frage stellen zu müssen.

    Sie war der festen Überzeugung Putin sei kein Nationalist der Grenzen verschieben will. Auch beim Tiergartenmord, Abschuss von MH-17 etc. Wer ihr also zum Friedenswillen Russlands glaubt der glaubt sehenden Auges eine Lüge.



    Wobei ich noch nichtmal Glaube das sie aktiv lügt. Sie ist ganz klar narzisstisch veranlagt und kann schlichtweg nicht glauben das sie jemals falsch liegt.

    • @Machiavelli:

      Mit der Pathologisierung von Andersdenkenden reihen Sie sich in eine wenig erfreuliche Tradition ein – aber leider ist es inzwischen zur Routine geworden, auf Diffamierung statt auf Argumente zu setzen. Lipset hätte daran seine Freude…

  • "Frieden mit Putin sei möglich, suggeriert..."

    Das ist keine Suggestion. Ein Blick auf die aktuelle Frontlage zeigt, dass man nicht drum rum kommen wird. Die Frage ist nur, zu welchen Konditionen.

    Aber die aktuelle Strategie schein zu sein: "Waffen liefern und auf ein Wunder hoffen." Nicht sehr Erfolg versprechend.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wie lauten denn Ihre Antwort auf die von Ihnen aufgeworfen Frage und Ihre Strategie?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Die Strategie der SPD im Umgang mit diesem Krieg war auch immer wieder:

      Waffen nicht liefern (Taurus),



      Waffen liefern welche die Ukraine nicht einsetzen darf (auf russischem Boden, wo die russischen Waffen stehen),



      Waffen erst dann liefern, wenn sie nichts mehr nützen (Leopard II),



      Waffen versprechen, aber nicht liefern (Artilleriegranaten).

      Und angesichts der offiziellen Nicht-Erklärungen für dieses Verhalten kann man sich schon ein bisschen fragen, was da eigentlich los ist, oder?

  • Warum sollte Frieden "pro-russisch" sein? Es ist die Ukraine, die gerade am Verlieren ist, eine Ortschaft nach der anderen. Es ist die Ukraine, die gerade einen demographischen Kollaps erlebt. Es ist die Ukraine, die so verwüstet wird, dass es hunderte Milliarden braucht, sie wieder aufzubauen. Es ist die Ukraine, die immer weitere Gebiete verliert, wenn der Krieg weitergeht.



    Man könnte also sagen: Krieg ist Pro-Russisch.

    • @Kartöfellchen:

      Russland wäre also zu einem Frieden bereit, wie man die letzten 10 Jahre in der Ukraine gesehen hat?

    • @Kartöfellchen:

      Sie vergessen allerdings den demographischen Kollaps, den Russland schon sehr viel länger erlebt und gerade massiv beschleunigt (nicht nur durch rund 250 Gefallene täglich). Dazu der brain drain. Ganz so rosig ist Russlands Aussicht auf die Zukunft auch nicht gerade.

    • @Kartöfellchen:

      Da Russland nur die Kapitulation als Verhandlungslösung anbietet gibt es Frieden derzeit nur zu russischen Bedingungen. Daher ist wer derzeit eine Verhandlungslösung um jeden Preis fordert pro-russisch.

    • @Kartöfellchen:

      Was man definitiv sagen kann ist, dass dieser Krieg russisch ist; und zwar ausschließlich und ganz allein.

  • Wenn ich daran denke, wie früher in den 80er Jahren gegen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland demonstriert wurde, wohlwollend und aktiv unterstützt von allen Grünen und Linken (inkl. der taz)...

    Den Osten verstehe ich hingegen.

    • @drafi:

      Exakt das ist das Problem: Dass diejenigen, die gegen die Unterstützung der Ukraine sind und glauben, man müsse nur auf Dialog und Verhandlung setzen, immer noch in den Kategorien der 1980er Jahre denken. Der fundamentale Unterschied, dass das größte Land Europas derzeit einen imperialistischen Eroberungskrieg führt, wird ausgeblendet, passt ja auch nicht in die seit Jahrzehnten eingeschliffenen Analysekategorien. Heute in Reinkultur zu beobachten beim BSW.

    • @drafi:

      "Den Osten verstehe ich hingegen."



      Den Osten, der 1989 unbedingt von den Russen loswollte?



      Ich nicht.

  • Warum sollte Frau Wagenknecht mit Ihrer Anschicht jetzt Recht haben? Sie hatte sich schon zu Beginn des Überfalls von Russland auf die Ukraine geirrt. www.spiegel.de/pol...-ba0e-ab972a0d581a



    Mir leuchtet viel mehr ein, dass die russische Führung (Putin) leider nur durch die Androhung massiver Gegenwehr bereit ist diplomatisch zu reagieren. In (nicht nur) diesem Zusammenhang frage ich mich oft, wie tickt eigentlich der Mensch, wenn er über Macht (Waffen, Kapital, Informationskanäle, Energie etc.) verfügt. Es hat den Anschein, als ob ihm dann der Machterhalt über alles geht und er sämtliche Kolateralschäden (Tote, Umweltzerstörung, etc.) ausblendet

    • @ThomLa:

      Wie soll diese massive Gegenwehr aussehen? Und wie soll sie finanziert werden?

      • @Schleicher:

        Wie bitte soll ein Waffenstillstand oder„Frieden" finanziert werden?



        UN-Beobachter, „KVOR"-Truppen, wer übernimmt die Grenzsicherung, etc. etc. etc.



        Frieden mit Putin gibt's devinitiv auch nicht zum Nulltariv. Mal bißchen weiterdenken, als nur von der Tapete bis zur Wand.

  • Hat noch nichtmal das Personal dafür und will Verantwortung. Klingt jetzt nicht großartig anders als das was wir schon kennen.

  • Vielleicht ist das ganze auch mal ein kleiner Wink an die 'taz', auch mal an die alten, drögen Friedensformeln von 'damals' zu denken?



    Ich war damals, in den 1980er Jahren, in Bonn dabei ('Frieden schaffen ohne Waffen'), und bin entsetzt über die derzeitige Kriegsfreundliche Stimmung im Grün-Alternativen Lager !!

    • @WBD-399:

      Anscheinend haben sie nicht bemerkt dass sich seit dem 80ern ein paar Dinge auf dem Globus geändert haben.



      Plumpe Friedensformeln befrieden keinen kriegs und machtlüsternden russischen Giftzwerg

    • @WBD-399:

      Ich erkenne in keinem politischen Lager eine "kriegsfreundliche" Stimmung. Aber da das Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" einen Mann wie Putin nicht recht zu überzeugen scheint, sind auch die Grünen zu der Erkenntnis gekommen. dass Waffenlieferungen zur Selbsthilfe kein Bruch zur Friedenspolitik sind.

    • @WBD-399:

      Es gibt doch gar keine kriegsfreundliche Stimmung.

      Nicht bei den Grünen, nicht in den anderen Lagern.

      Die Nationalisten, die sonst immer für Kriegslüsternheit gut waren, bejubeln in weiten Teilen Putin.

      Die lange Phase des Friedens in Europa fand nun wirklich jeder gut.

      Als Putin sie beendete, haben es manche überrascht bemerkt.

      Andere nicht.

      Die linken Slogans aus den 80ern helfen nicht weiter.

      Die Erde hat sich seitdem gedreht.

      Und schon damals die Losung "Frieden schaffen ohne Waffen " nur partiell.

      Für Mittelamerika sammelte man zu jener Zeit Geld für Waffen.

    • @WBD-399:

      Niemand ist kriegsfreundlich aber wenn man gegen Waffen ist soll man bitte erklären was die Ukraine machen soll? Sich Massenmord und Folter ausliefern? Damit einige reaktionäre Friedensbewegte ihre moralische Satisfaktion haben können?

  • Immer noch besser als das Blaue vom Himmel zu versprechen oder gar Programme zu entwerfen, die Deutschland in den Abgrund führt, wie etwa bei der AfD.



    Die können nichts!

    • @Horst Schlichter:

      BSW kann auch nur das, was die AfD tut: unrealistische Versprechungen machen und Hass schüren. Der Unterschied ist lediglich, dass ein Wagenknecht intellektuell schärfer und eloquenter ist als ein Björn Höcke.

    • @Horst Schlichter:

      BSE ist nicht sehr viel anders als die AfD: Sie können auch nichts, versprechen soziale Großtaten und Frieden; sind im Kern aber eine reaktiobäre, weltfremde Truppe.

    • @Horst Schlichter:

      Ääh, zu suggerieren, mit Putin sei Frieden möglich, ist exakt das: das Blaue vom Himmel versprechen.

      Und möglicherweise führt es in den Angrund.

  • Solange die Menschen lieber einfache Parolen glauben, statt selbst demokratisch Verantwortung zu übernehmen, solange werden die Populisten von links und rechts immer leichte Beute finden. Einfaches Beuteschema von Wagenknecht , Weigel und wie sie sonst noch heißen mögen.

  • Frau Wagenknecht hatte schon früh ein Probleme der (westdeutschen) Demokratie erkannt: 'Wähler*innen' haben sich viel zu lange darauf verlassen (wollen?), dass die Parteien und Politiker schon alles richtig machen. Sie beschrieb diese Trennung in ihrem Buch 'Die Selbstgerechten' : Richtige Demokratie fand eigentlich nie statt. Wurden die Gewählten allein gelassen von 'ihrem' Wählervolk oder wollten sie gar keine Mitwirkung, nachdem sie einmal da angekommen sind, wo es die Parteimänner (zuerst kaum Frauen, auch typisch!) so hingezogen hatte ? Für erwartungsvolle Ostdeutsche war Helmut Kohl der Höhepunkt dieses Populismus mit seinem Versprechen nach 'blühenden Landschaften'. Am Beispiel der Atomkraft, dem § 218 oder



    der Zuwanderung (der Einfluss der Kirchen in Bezug auf Mitmenschlichkeit oder der Gewerkschaften in Bezug auf Solidarität spielte bei den Altparteien keine Rolle mehr) oder dem Instrument Hartz 4 wird die Kluft zwischen 'der Politik' und der Gesellschaft immer deutlicher und ganz besonders dort, wo der Wohlstand durch Konsum eh' eingeschränkt war. Darauf baut Frau Wagenknecht ganz ohne Kirche oder Gewerkschaften und ohne Konzept, wie Demokratie richtig klappen könnte.

  • "Es insinuiert, dass Frieden mit Putin möglich ist – wenn der Westen nur will."

    Das ist ja schon seit Jahren ihre Masche. Regelmäßig unterfüttert mit Putin-Verharmlosung und einem kruden Antiamerikanismus (dazu auch Habermas, der zu Recht davon sprach "dass sich bei uns Antiamerikanismus stets mit den fragwürdigsten deutschen Traditionen verbunden hat." taz.de/Juergen-Hab...Krieg/!vn6025235/)

    Trotz ihrer ja geradezu legendären Fehleinschätzungen vermeiden sie und ihre Nachbeter es allerdings tunlichst, zu sagen, wie sie eigentlich Putin zu Verhandlungen bringen und was sie ihm anbieten möchten (die Frage habe ich hier im Forum ja ft genug gestellt, natürlich kam nie eine Antwort). Denn dann, das immerhin ahnt man, würde ja deutlich werden, dass man nötigenfalls auch die Ukraine Putins Gewaltherrschaft opfern würde. Man hätte dann Verhältnisse wie in Lukaschenows Weissrussland, nur müssten wir uns dann nicht mehr darum kümmern, weil ja "Friede" ist. Aber dieses Eingeständnis würde die Verhandlungsforderung, die ja immer nur an die westliche Seite geht, als das entlarven, was sie faktisch ist: ganz heiße Luft.

    • @Schalamow:

      Ihre Frage ist mehrfach beantwortet worden, auch hier im Forum. Natürlich kann niemand das Endergebnis genau vorhersagen, aber man kann mögliche Wege skizzieren.

      Das russische Großkapital ist zweifellos interessiert daran, die Beziehungen zu den früheren westlichen Geschäftspartnern wiederzubeleben. Demonstrative Großmäuligkeit von Medwedew & Co. sollte nicht darüber hinwegtäuschen.

      Es gibt im wesentlichen ja zwei Ansätze. 1.) Abgabe von Gebieten gegen NATO-Mitgliedschaft der restlichen Ukraine (Kissinger u.a.). - 2.) Blockfreiheit der UA gegen Rücknahme der russischen Annexionen. Diese zweite Linie scheint eher das Wagenknecht-Lager zu vertreten, und mir scheint diese Linie auch viel konstruktiver. Es ist dabei nur klar, dass ein russischer Rückzug nicht der Beginn eines solchen Friedensprozesses sein wird, sondern dessen Ende, dessen Krönung. Nach etlichen Jahren gegenseitiger vertrauensbildender Maßnahmen.

      Falsch haben diejenigen gelegen, die den Krieg durch situative Überlegenheit von schwerer Kriegstechnik auf dem Schlachtfeld entscheiden wollten (und zwar auf beiden Seiten). Nun ist es Zeit, die zerstreuten Steine wieder einzusammeln.

  • Ob die Slogans des BSW schlichter sind als die anderer Parteien, sei einmal dahingestellt; der Fokus auf „ostdeutsche Sehnsüchte“ scheint mir hier aber eher irreführend zu sein: Zweifel an der gegenwärtigen Außen- und Ukrainepolitik gibt es ja nicht nur in den neuen Bundesländern. Leider hat sich ein nicht unerheblicher Teil der politischen Eliten (und eine nicht besonders pluralistische Presse) entschieden, solche Zweifel zu ignorieren oder mit Diffamierungen zu beantworten: Widerspruch als russische Propaganda abzutun, mag in krawallbereiten Leserforen gut ankommen – man riskiert mit solchen Unterstellungen aber, dass nicht wenige Menschen sich aus dem demokratischen Diskurs ausgeschlossen fühlen. Und genau daran kann das BSW anknüpfen – zum Glück. Deutschland ist nicht das Privateigentum der gegenwärtigen Regierung und es ist gut, wenn Dissens auch eine parlamentarische Stimme bekommt.

    • @O.F.:

      Frau Wagenknecht vertritt seit Jahren regelmäßig die Position, die der aktuellen russischen Version am nächsten kommt. So bei den Morden an russischen Oppositionellen, beim Abschuss der Boeing 737 über der Ukraine oder jüngst beim Beschuss eines Kinderkrankenhauses in Kiew. www.tagesschau.de/...-russland-100.html



      Und immer nach demselben Muster: gezielt ahnungslos stellen und sämtliche Indizien ignorierend und damit eine Lesart fördernd, in der Russland nur als böswillig Beschuldigter vorkommt. Darauf hinzuweisen, hat nun wahrlich nichts mit "Krawallbereitschaft" zu tun, sondern hebt nur Offensichtliches hervor. Und die deutliche Kritik daran reflexartig als "Unterstellung" abzutun, verrät eigentlich nur den Unwillen zur inhaltlichen Auseinandersetzung. So wie ja auch Wagenknecht selber Unsinn wiederholt, selbst wenn sie mehrfach darauf hingewiesen worden ist.

  • "Krieg oder Frieden?"



    Welch simple, aber auch total vereinfachende Frage, also ob man Putin einfach nur fragen müsste, ob er Frieden möchte. Seine Interpretation von "Frieden" kennen wir ja, er hat schon oft genug gesagt, dass sofort Frieden herrscht, wenn sich die Ukraine ergibt, die russischen Soldaten in der Ukraine bleiben können und völkerrechtswidrig annektierte Gebiete zu Russland werden sollen.



    Frau Wagenknecht ist eine Bauernfängerin, die mit Lügen versucht auf Stimmenfang zu gehen. Mit Frau Wagenknecht an der Spitze des Landes würden wir ganz schnell wieder in die Abhängigkeit von Russland geführt.