Die CDU und die BSW: Reißt euch mal zusammen!
Die CDU möchte nicht mit der AfD und nicht mit den Linken koalieren. Die Lösung, die bleibt, heißt BSW. Die aber ist keine Alternative zur AfD.
K eine Panik. „5 vor 1933“, wie es im Titel des gerade erschienenen Buchs des Aktionskünstlers Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) behauptet wird, ist es in Ostdeutschland nicht.
Dabei überrascht diese schamlos geschichtsvergessene Übertreibung nicht, hat sich Ruchs ZPS mit seinen Aktionen in der Vergangenheit doch wenig sensibel und informiert präsentiert, wenn es um Geschichte ging. Ich bleibe lieber bei der Realität, die sieht ohne NS-Vergleich düster genug aus.
Die bedrohliche Prognose für den Wahlausgang im Osten im September lautet: Die AfD wird stärkste Kraft werden. Entscheidend wird sein, wie die demokratischen Parteien mit diesem Ergebnis umgehen werden.
Wenig hoffnungsvoll hat mich da der Blick nach Thüringen gestimmt. Dort will die CDU nicht mit der AfD, aber auch nicht mit der Linken. Dafür gibt es einen Parteitagsbeschluss. Die Lösung könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sein, so konnte man CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann diese Woche verstehen.
Dabei ist über das BSW schon genug bekannt, das einem CDUler wie ihm zu denken geben sollte.
Kurze Erinnerungsstütze: Wagenknechts Partei ist linksreaktionär, antiwestlich und populistisch; sie verharmlost Putin und dessen Kriegsverbrechen, ist ein Verstärker für die russische Propaganda, gibt vor, friedensbewegt zu sein, klammert dabei aber bewusst diejenigen aus, die, anders als der Kriegstreiber Putin, tatsächlich für den Frieden kämpfen.
Aber das weiß Linnemann natürlich. Für die CDU in Thüringen und in den anderen ostdeutschen Bundesländern geht es darum, nach der Wahl in Machtpositionen zu kommen.
Das ist weder überraschend noch verwerflich.
Aber es ist absurd, sich dafür ausgerechnet das BSW als Rettung auszusuchen, wenn die Linkspartei unter Bodo Ramelow doch in entscheidenden Fragen viel weniger problematisch ist. Ramelow spricht sich zwar grundsätzlich gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete aus, schafft es aber wenigstens, sich verbal mit der Ukraine zu solidarisieren und Russland als Aggressor zu benennen.
Keine Zusammenarbeit mit Ukraine-Unterstützern
Und was sagt das BSW? „Wir werden uns nur an einer Landesregierung beteiligen, die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht“, meint Wagenknecht. Heißt übersetzt: Wer die Ukraine finanziell in ihrem Überlebenskampf gegen das imperiale Russland unterstützt, kann die Zusammenarbeit mit dem BSW auf Landesebene vergessen.
Linnemann und die Thüringer CDU müssen sich jetzt zusammenreißen. Diesen Herbst steht die demokratische Zukunft ostdeutscher Bundesländer auf dem Spiel. Für Thüringen plant AfD-Chef Björn Höcke nämlich eine völkische Zukunft. Anders lässt sich das Wahlprogramm mit dem Titel „Alles für Thüringen“, der an den Slogan der nationalsozialistischen SA erinnert, den Höcke in der Vergangenheit verwendete und wofür er zweimal verurteilt wurde, nicht verstehen.
Wenn der CDU daran gelegen ist, dass in Thüringen künftig weder AfD noch BSW regieren, sollte sie dort ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Ramelow-Linken überdenken. Für eine konservative Partei ist das verständlicherweise schwer. Doch weil Grüne und FDP wohl aus dem Landtag fliegen werden und die SPD im Osten in einer noch schwereren Krise steckt als im Westen, sollte sie sich dazu durchringen, pragmatisch auf den Wählerwillen zu reagieren.
Ein Bündnis mit dem BSW sollte nicht dazugehören. Denn eine Partei, deren Chefin darauf aus ist, ihre Putin-freundliche Propaganda zu verbreiten, ist in entscheidenden Punkten keine Alternative zur AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Habecks Ansage zur Kanzlerkandidatur
Pragmatismus am Küchentisch
Solidaritätszuschlag in Karlsruhe
Soli oder Haushaltsloch
Belästigung durch Hertha-BSC-Fans
Alkoholisierte Übergriffe im Zug
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?