AfD stimmt mit Thüringer CDU: Union gibt sich geschlossen

Die Erfurter CDU erhält vom Parteivorstand Verständnis nach ihrer Abstimmung mit der AfD. Die Union beteuert, keine Vorabsprachen getroffen zu haben.

Merz ballt die Fäuste

Friedrich Merz ballt schon mal die Fäuste: Der Parteivorsitzende am Samstag in Hanau Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Am liebsten würde der CDU-Vorstand die Tage der politischen Entrüstung an der eigenen Partei abperlen lassen. „Wir dürfen uns nicht abhängig machen von anderen, wenn es um unsere Gesetzesinitiativen geht“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin. Mit Stimmen der AfD hatte am Donnerstagabend die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ein weitreichendes Gesetz beschlossen. Aus den anderen Parteien und der Zivilgesellschaft hagelt es seitdem an Kritik am Vorgehen der Union. Der CDU-Vorstand gibt sich dagegen in demonstrativer Einigkeit und sieht keinen Anlass, die Par­tei­kol­le­g*in­nen in Erfurt anzugehen.

Um diesen Standpunkt darzulegen, scheute Linnemann nicht vor einem geistigen Spagat zurück. Die Beschlusslage in der Union sei klar, es gebe einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD. „In dieser Partei sind Nazis, damit will ich nichts zu tun haben.“ Dennoch habe der Thüringer CDU-Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzende, Mario Voigt, Rückendeckung aus der Parteispitze für sein Vorgehen erhalten. „Mario Voigt hat sein Vorgehen dem Bundesvorstand erklärt und auch Zustimmung bekommen“, sagte Linnemann.

Am Donnerstagabend hatte die CDU im thüringischen Landesparlament mit Stimmen der FDP und AfD einen Gesetzesantrag beschlossen, mit dem die Grunderwerbsteuer im Land gesenkt werden soll. Die Regierungsfraktionen von Linken, Grünen und SPD stimmten dagegen, sie haben jedoch keine eigene Mehrheit im Erfurter Landtag.

CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte daraufhin die thüringische Landtagsfraktion gegen Kritik in Schutz genommen. Er verteidigte die Gesetzesinitiative mit ähnlichen Worten wie Linnemann am Montag: Die CDU richte sich nicht danach, wer ihnen zustimme, die Partei richte sich danach, was sie in der Sache für richtig halte, hatte der Parteivorsitzende erklärt.

Inhaltliche Kritik an der Senkung der Grunderwerbssteuer war dabei unlängst auch vom Thüringer Rechnungshof gekommen. „Die Folgen aus der Absenkung des Steuersatzes wären für den Landeshaushalt durchaus beträchtlich“, schrieb die Behörde in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf bereits im Juni dieses Jahres.

Bei der geplanten Senkung auf 5 Prozent der Grunderwerbssteuer geht der Rechnungshof von einer Lücke von 128 Millionen Euro im Landeshaushalt aus, ein Einbruch um 45 Prozent im Vergleich zu 2022 bei der Grunderwerbssteuer. In seiner Stellungnahme rätselt der Landesrechnungshof, woher das fehlende Geld kommen solle.

Friedrich Merz stellt Daniel Günther bloß

Aus der Opposition ebbten die Vorwürfe gegenüber der Union auch am Montag nicht ab. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, die CDU habe begonnen, eine rechtsextreme Partei zu normalisieren und ihr Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Klingbeil sprach von einer „tektonischen Verschiebung“ in der Parteienlandschaft und äußerte die Hoffnung, dass die CDU nicht erneut auf Stimmen der AfD für ein Gesetzesvorhaben setzt.

Karen Prien, stellvertretende Vorsitzende der CDU, wollte diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Sie sagte, oft werde es als alleinige Verantwortung der Union gesehen, den Stimm­anteil der AfD klein zu halten. Sie forderte die SPD und Klingbeil dazu auf, selber mehr Verantwortung im Umgang mit der AfD zu übernehmen. Selbstkritische Töne zu dem Abstimmungsverhalten ihrer Par­tei­kol­le­g*in­nen in Thüringen waren dabei auch von Prien nicht zu hören, obwohl die Bildungsministerin aus Schleswig-Holstein zuletzt immer wieder gesellschaftspolitisch liberalere Positionen innerhalb der Partei vertreten hatte.

Damit bleibt der Vorsitzende ihres Landesverbands und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der einzige prominente Kritiker des Vorgehens in Thüringen. „Die zunehmende Radikalisierung der AfD erfordert eine noch konsequentere Haltung gerade einer konservativen Partei“, hatte Günther am Wochenende gesagt und wurde prompt vom Parteichef bloßgestellt. Günthers Äußerungen seien eine „Einzelmeinung in der CDU“, entgegnete Merz in einem Interview bei ProSieben und Sat1 am Sonntagabend. „Es gibt niemanden sonst, der das teilt.“

Die interessante Frage ist nun, ob die Thüringer CDU ihren Gesetzesantrag mit der AfD-Fraktion im Landtag vorab besprochen hatte. Generalsekretär Linnemann beteuerte am Montag in Berlin: „Mir wurde klar und deutlich gesagt, dass es keine Absprachen gab.“ Deshalb stelle sich die Frage nicht, was die Konsequenzen wären, wenn etwa herauskäme, dass es gezielte Absprachen zur durchgesetzten Steuersenkung zwischen der AfD und der CDU gegeben hätte. Karen Prien kritisierte, dass die AfD dieses Gerücht bewusst streuen würde und kein glaubhafter Kronzeuge sei.

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