SUV-Unfall in Nürtingen: Fahrer tötet zwei Fußgängerinnen

In Nürtingen rast ein Mann mit seinem SUV in eine Pas­san­t:in­nen­grup­pe. Zwei Frauen sterben. Dabei wäre ein automatisches Tempolimit längst möglich.

Blumen, Kerzen und Karten an einem Baum auf einem Bürgersteig

Blumen und Grablichter an der Stelle in der Bahnhofstraße in Nürtingen, wo am Sonntag zwei Menschen überfahren wurden Foto: Andreas Rosar/dpa

BERLIN taz | Bei einem schweren Verkehrsunfall in Nürtingen sind am Sonntagabend zwei Fußgängerinnen getötet worden. Gegen 18.50 Uhr war laut Polizei ein 54-Jähriger mit seinem Pkw ungebremst auf den Ampelmast an einer Kreuzung zugerast. Dort warteten zu dem Zeitpunkt mehrere Fußgänger:innen, auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich der Bahnhof der baden-württembergischen Stadt.

Eine 28-jährige Frau starb noch am Unfallort. Eine weitere, 27-jährige Frau wurde so schwer verletzt, dass sie später in einer Klinik ihren Verletzungen erlag. Ein 16-jähriger Jugendlicher wurde bei dem Aufprall schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Auch er kam in eine Klinik. Der 54-jährige Unfallfahrer wurde leicht verletzt.

Zur Unfallursache konnte die Polizei noch nichts sagen. Ein Gutachter wurde eingeschaltet.

Der Unfall erinnert fatal an einen ähnlichen Vorfall vor fast fünf Jahren in Berlin-Mitte. Dort hatte ein Mann mit seinem SUV binnen Sekunden auf über 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt, dann raste er in eine an einer Ampel wartende Fuß­gän­ge­r:in­nen­grup­pe. Vier Menschen, darunter ein dreijähriger Junge, waren damals getötet worden.

Fahrer muss zu schnell gefahren sein

Auch in Nürtingen muss der Fahrer viel zu schnell gefahren sein. Er kam offensichtlich aus nördlicher Richtung eine sehr gerade Durchgangsstraße entlang. Kurz vor der Unfallkreuzung, die eigentlich übersichtlich wirkt, weitet sich die Bahnhofstraße auf vier Spuren aus. Hier muss der Fahrer sein Auto aus noch unerfindlichen Gründen leicht nach rechts in die Gruppe der auf dem Bürgersteig Wartenden gesteuert haben.

Das Fahrzeug, ein SUV-Mercedes, wurde völlig zerstört, wie Bilder des Unfalls zeigen. Der Fahrer muss noch rund 35 Meter weiter über den Bürgersteig gerast sein, bevor er vor einem Laternenpfahl zum Stehen kam. Unterwegs zerstörte er einen Stromverteilerkasten und eine Telefonzelle.

Das Unfallfahrzeug war ein Mercedes-Benz GLK 350 4matic. Dieser SUV wurde von 2008 bis 2015 angeboten. Er wiegt leer schon rund 1,8 Tonnen, lässt sich dank seines je nach Modell rund 270 PS starken Motors aber in rund 6,5 Sekunden von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen.

Er hat eine für einen PKW vergleichsweise hohe Schnauze. Der Hersteller bezeichnete das als „steile Front mit LED-Tagfahrlichtern im Stoßfänger“. Der GLK 350 habe „Ecken und Kanten, an denen nicht nur Blicke, sondern auch die Gedanken hängen bleiben“, heißt es in einem Werbeprospekt von Mercedes.

Diskussion über Gefahren durch SUV

In der Fachpresse wurde „der kleine Geländewagen“ als „Held der Straße“ gefeiert. „Im Stadtverkehr ist ein behutsamer Gasfuß ratsam“, hieß es weiter, nur dann integriere „sich der starke GLK sanft und unauffällig in den Straßenfluss.“

Schon nach dem Unfall 2019 in Berlin hatte es eine bundesweite Diskussion über die für den Stadtverkehr übermotorisierten SUV gegeben. Der Fahrer hatte im Verlauf des Unfalls einen epileptischen Anfall erlitten und das Gaspedal durchgedrückt. Er wurde später zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Straße am Unfallort wurde durch ein Tempo-30-Limit und Radfahrspuren entschärft.

Geschwindigkeitsüberschreitungen ließen sich längst technisch vermeiden. Sogenannte Speed Limiter könnten Au­to­fah­re­r:in­nen etwa dazu zwingen, innerorts nicht schneller als die erlaubten 50 Kilometer pro Stunde zu fahren. Seit Juli 2022 ist laut EU-Verordnung ihr Einbau in alle neu auf den Markt gebrachten Modelle vorgeschrieben. Ab Juli 2024 sind sie Pflicht in allen neu verkauften Fahrzeugen.

Allerdings hat sich die Autolobby erfolgreich gegen zu harte Vorschriften gewehrt. Deshalb bleiben alle Tempobegrenzungssysteme abschaltbar – per einfachem Druck aufs Gaspedal.

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