Cum-Ex-Prozess eingestellt: Olearius kommt so davon

Der bislang wichtigste Prozess zur Cum-Ex-Affäre wird eingestellt. Der Grund ist die angeschlagene Gesundheit des Angeklagten Christian Olearius.

Bankier Olerairus mit seinen Anwälten.

Die Staatsanwaltschaft warf Olearius (links, mit seinen Anwälten) in 15 Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung vor Foto: Oliver Berg/dpa

BERLIN taz | Der bislang wichtigste Prozess, der Licht ins Dunkel der milliardenschweren Cum-Ex-Affäre bringen sollte, ist seit diesem Montagnachmittag Geschichte. Das Bonner Landgericht verkündete ein Einstellungsurteil und beendete den Prozess ohne Frei- oder Schuldspruch. Grund sind ernsthafte gesundheitliche Probleme (der Blutdruck) des Angeklagten: Christian Olearius, 82 Jahre alt und ehemals Chef der Warburg-Bank.

Begonnen hatte das Verfahren im September vergangenen Jahres. Stundenlang verlasen zwei Staatsanwälte die 371 Seiten starke Anklageschrift. Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Köln warf Olearius in 15 Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung vor. Der Bankier habe Cum-Ex-Deals initiiert und abgesegnet. „Er soll in alle Planungen eingebunden gewesen sein und die maßgeblichen Entscheidungen getroffen haben.“ Der entstandene Steuerschaden: „knapp“ 280 Millionen Euro.

Cum-Ex-Deals sind sogenannte Aktienkreisgeschäfte, um sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach vom Finanzamt erstatten zu lassen. Die vier Verteidiger von Olearius wurden angeführt vom ehemaligen CSU-Politiker Peter Gauweiler. Sein Mandant habe sich auf seine Fachabteilungen verlassen, welche die Transaktionen rechtlich und steuerlich geprüft hätten.

Der Anklage fehle ohnehin jegliche Glaubwürdigkeit: „Das Land NRW klagt Taten an, die es selbst begangen hat.“ Gauweiler zielt damit auf Cum-Ex-Geschäfte der staatlichen Landesbank WestLB, die bis heute nicht strafrechtlich verfolgt würden. Bundesweit laufen mehr als hundert Verfahren gegen etwa 2.000 Beschuldigte wegen Cum-Ex.

Eine staatstragende politische Rolle

Der 1942 in der heutigen polnischen Provinz Opole geborene Olearius studierte Jura in Heidelberg. Über einige Zwischenstationen bei Banken wurde Olearius 1986 von Max M. Warburg Junior zur 1798 gegründeten, überaus distinguierten Privatbank M.M.Warburg & CO in Hamburg geholt. Dort wurde er persönlich haftender Gesellschafter und Sprecher der Gesellschafter. Bis Ende 2019 leitete er dann den Aufsichtsrat des Traditionshauses.

Unter seiner Leitung wuchs die Bank wirtschaftlich und spielte in Hamburg eine staatstragende politische Rolle. Vom SPD-Senat um Hilfe gebeten, rettete Olearius Teile des maroden Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat sowie die Hamburger Stahlwerke und verhinderte eine feindliche Übernahme der Reederei Hapag-Lloyd, heute ein Weltmarktführer. Unter der Führung von Olearius beteiligte sich das Bankhaus aber von 2008 bis 2011 – in Zusammenarbeit mit dem mittlerweile vom Bonner Landgericht verurteilten Steuerstaranwalt Hanno Berger – auch an Cum-Ex-Deals.

Nicht allein in Nordrhein-Westfalen scheinen Politiker ihre schützende Hand über örtliche Kreditinstitute gelegt zu haben. Ein solcher Verdacht besteht auch gegenüber Olaf Scholz. Der heutige Bundeskanzler traf als Hamburgs Erster Bürgermeister mehrfach im Rathaus mit Olearius zusammen. „Es ging [Olearius] darum, drohende Steuerrückzahlungen durch Druck auf politische Entscheidungsträger abzuwenden“, meinte die Staatsanwaltschaft.

Beobachter hatten daher erwartet, dass Kanzler Scholz über kurz oder lang als Zeuge nach Bonn geladen wird. Für Ökonomen ist die Lage allerdings weniger eindeutig, als sie auf den ersten Blick erscheint. In vielen Cum-Ex-Fällen sind ausländische Banken die Steuerprofiteure. Hiesige Banker und Anwälte waren lediglich Dienstleister und kassierten dafür Provisionen. Eine Revision gegen das Urteil vom Montag ist möglich, dies gilt aber als unwahrscheinlich.

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