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Israelische Offensive in Gaza Das Wieder-Wiederauferstehen der Hamas

Israels Armee rückt erneut in Gebiete vor, in denen sie die Hamas schon vor Monaten für besiegt erklärt hatte. Es fehlt weiterhin ein Plan für Gaza post-Hamas.

Weiterflucht: Menschen in Rafah bereiten sich vor, die Evakuierungszone zu verlassen Foto: Hatem Khaled/reuters

JERUSALEM taz | Im vergangenen Dezember verkündete das israelische Militär, dass es drei Hamas-Bataillone in Jabaliya in Nordgaza besiegt habe. Damals erklärte ein hoher Kommandeur der Streitkräfte: Man habe die „militärischen Kapazitäten“ der Hamas in Nordgaza zerstört, nur wenige Kämpfer der Hamas und anderer militanter Gruppen hielten in der Region Jabaliya noch die Stellung. Bald darauf zog das israelische Militär sich aus der Stadt zurück.

Mitte Januar erklärte Verteidigungsminister Yoav Gallant sogar: Die Phase intensiver Kämpfe in ganz Nordgaza sei nun vorbei, die Hamas-Bataillone besiegt. Etwa fünf Monate später ist das israelische Militär erneut in Jabaliya im Einsatz – zum zweiten Mal seit Beginn des Krieges gegen die Hamas, nach deren Angriff auf Israel am 7. Oktober.

Vor dem Beginn der Offensive am späteren Samstag in Jabaliya hatte das israelische Militär die etwa 100.000 bis 150.000 dort ausharrenden Palästinenserinnen und Palästinenser zur Evakuierung aufgefordert. Videos in den sozialen Medien zeigen Rauch über Jabaliya, ein Zeuge berichtet der Nachrichtenagentur AFP, seit Samstag seien vermehrt Luftschläge zu hören. Man habe in den vergangenen Wochen festgestellt, dass die Hamas versuche, ihre militärischen Strukturen in Jabaliya wiederaufzubauen. Dagegen gehe man nun vor, erklärte Daniel Hagari, Sprecher der israelischen Armee.

Jabaliya ist nicht der einzige Ort in Gaza, in den die israelischen Streitkräfte derzeit erneut vorrücken. Auch in Beit Lahija und Beit Hanun ganz im Norden Gazas ist das Militär wieder aktiv, ebenso in der südlicheren Großstadt Khan Younis. In einer großen Offensive seit Dezember hatte das israelische Militär in Khan Younis gegen die Hamas gekämpft und sich schließlich Anfang April – nach verkündetem Sieg – ebenfalls aus der nach Berichten zurückkehrender Palästinenser vollkommen zerstörten Stadt zurückgezogen.

Unentschlossenheit der Regierung verschaffe Hamas Zeit

Die Kriegsstrategie Israels bedeute eine „Sisyphusarbeit“ für das Militär, das immer wieder in den gleichen Orten erneut gegen die Hamas kämpft, sagte Militär-Stabschef Herzi Halevi am Wochenende, laut Berichten des israelischen TV-Senders Channel 13. So soll er sich hart gegen Premierminister Benjamin Netanjahu ausgesprochen haben, der es versäumt habe, eine Strategie für den „Tag danach“ in Gaza zu entwickeln. Wer das Gebiet kontrollieren solle, sei weiterhin unklar. Nach Angaben von Channel 13 erklärte er: Solange es keinen diplomatischen Prozess gebe, eine Regierung ohne die Hamas in Gaza in die Wege zu leiten, werde man immer wieder von Neuem die Infrastruktur der Hamas zerstören müssen.

Netanjahu hat keine Strategie für „den Tag danach“, kritisiert Stabschef Herzi Halevi

Naftali Bennet, Ex-Verteidigungs- und Premierminister Israels, analysiert auf der Plattform X: „Das Planen für ein Gaza Post-Hamas ist ein Tabu in unserer Regierung geworden. Selbst die Diskussion darüber wird als ‚schwaches, linkes und eine Niederlage hinnehmendes Ding‘ dargestellt. Das ist es nicht.“ Die Unentschlossenheit der Regierung gebe der Hamas ausreichend Zeit, sich immer wieder zu regruppieren. Wenn eine Stadt eingenommen würde, müsse man wissen, an wen man sie übergeben wolle und wer sie kontrollieren solle.

Während Israels Regierung weiterhin keine solche Strategie in petto zu haben scheint, rückt das Militär weiter in Rafah vor. Bereits vergangene Woche wurden die Bewohner des Ostens der Stadt, in die über eine Million Menschen aus ganz Gaza geflüchtet waren, zur Evakuierung aufgefordert. Israelische Bodentruppen nahmen den Grenzübergang Rafah ein, am Samstag folgte dann die Evakuierungsaufforderung für weitere Teile der Stadt. Über 300.000 Menschen sollen den Anweisungen Israels Folge geleistet haben und nach Westrafah oder weiter nördlich geflohen sein.

Der Grenzübergang Rafah bleibt derweil weiter geschlossen. Nach Angaben des staatsnahen ägyptischen TV-Senders Alqahera News verweigert Ägypten die Koordination neuer Lieferungen mit Israel über den nun von dessen Militär kontrollierten Übergang. Die Kontrolle über den Übergang in Rafah ist für Israel auch deshalb strategisch relevant, weil – nach Angaben des Militärs – von dort immer wieder Nachschübe an Waffen und Munition an die Hamas geliefert werden.

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23 Kommentare

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  • Wenn man nicht nur eine, sondern viele Schlachten verliert, kann man einsehen, dass der Krieg verloren ist und der Gegner auch in Zukunft mächtiger sein wird und sich der Gnade des Siegers ausliefern. Manche machen dabei ein gutes Geschäft.



    ODER andere denunzieren solches Verhalten als Defätismus oder Kollaboration mit dem Feind. Sie lehren das Weiterkämpfen bis zum Tod und weit über die letzte Patrone hinaus. Für jeglichen Verlust wird Vergeltung eingefordert. Francisco Solano López, ehemaliger Präsident von Paraguay, hat im Triple Allianz Krieg mit dieser Ideologie sein ganzes Volk verheizt.

  • Es ist natürlich Arbeit erneut eroberte Gebiete zu erkämpfen, da gerade Häuserkampf langwierig ist. Jedoch ist gerade befreite Gebiete mit konzentriertem Feuer und Luftüberlegenheit wieder zu erkämpfen, nachdem feindliche Nachschub-Linien und Depots zerstört, sind einfacher und eine Möglichkeit die dünn aufgestellte Hamas zum Verlust von Truppen zu animieren. Diese müssen zwar nicht dauerhaft Gebiet kontrollieren, aber Einfluss halten, damit die Bevölkerung weiterhin das Gefühl hat ihr ausgeliefert zu sein.

    Dr Rückzug erschwert Guerilla Taktik.

  • Sehr geehrte Frau Dudley,

    was ich Ihnen noch schreiben wollte:

    Terrorismus ist feige und hinterhältig.

    Solange Israel seine eigene Politik nicht hinterfragt wird es keinen Frieden geben. Das ist weder Antizionismus noch "Zeitgeist".

    Diese Ignoranz ist es die die Situation gefährlich macht. Dabei geht es nicht nur um den Umgang gegenüber dem "Problem" mit den Palästinensern im Westjordanland und dem Gaza Streifen, sondern auch um die Fähigkeit und dem Willen eigenes Handeln zu hinterfragen.



    Die Geschichte wiederholt sich. Netanjahus wollte an die Macht. Mit allen Mitteln. Rabins Willen zum Friedens für die Menschen beider Seiten wurde mit einem feigen Attentat unterbunden. Aus den eigenen Reihen.

    Jede auch nur so kleine Kritik an Ihrer Siedlungspolitik oder dem Umgang mit palästinensisch stämmigen Bürgern des Landes Israel wird als Angriff oder gar "Judenfeindlich" gewertet.

    1982 gab es ein Massaker in Sabra und Schatila im Libanon. Dabei wurden unter den Augen des israelischen Militärs weit mehr als 3000 Kinder, sowie hauptsächlich Frauen und Alte ermordet. Das ist die andere Seite einer Medaille der sich Israel stellen muß. Konsequenzen gab es damals keine.

    In diesem Sinne

  • Netanjahus Ziele:

    Befreiung der Geiseln mit militärischen Mitteln,



    Eliminierung der Hamas,



    Zerstörung der Infrastruktur der Hamas

    Erreichte Ziele:



    Etwa 2 Millionen Menschen auf der Flucht



    70 % der Wohnungen sind zerstört, bzw. unbewohnbar



    Kein Wasser, kein Strom, unzureichende Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln



    35000 Tote

    Nicht erreichte Ziele:



    Befreiung der Geiseln



    Die Hamas ist weiter aktiv

    • @Tom Lehner:

      Netanjahus Hauptziel: An der Macht bleiben, um jeden Preis, da sonst Knast.



      Bisher erreicht.

  • Hamas ist schon lange keine rein physische Organisation mehr sondern eine nicht kleinzukriegende Widerstandsidee. Der Hintergrund ist die ungebremste israelische Siedlerpolitik und die Abgrenzung zur Fatah, die als Israels Handlanger wahrgenommen wird. Wie hier noch irgendjemand ernsthaft behaupten kann, man könne eine Widerstandsidee mit Krieg und Repressionen bekämpfen und auslöschen, ist mir ein Rätsel. Die Geschichte zeigt, dass der Widerstand so nur extremer werden wird, nachvollziehbarerweise.

    • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
      @Chris Burner:

      Seit wann sind Massenmord, Gruppenvergewaltigung, Verstümmelung und Verschleppung als „Widerstand“ zu romantisieren. Die Hamas ist und war niemals eine Befreiungsorganisation, sondern eine radikalislamistische, rechtsextreme Terrorgruppe.

      Wer als Befreiungsorganisation ernst genommen wird, müsste einen entsprechenden Leistungsnachweis vorlegen können. Was sind denn zum Beispiel die Fortschritte in Frauen- und LGBTQ-Rechten, die von der Hamas erreicht wurden? Warum kritisierte sogar Amnesty International, ja Liebling der Israel-Kritiker, ausdrücklich die menschenrechtlichen Verstöße der Hamas in ihren Jahresberichten?

      Zur Erinnerung: 2005 zog sich Israel aus Gaza zurück. 2006 wurde in Gaza die Hamas ins Amt gewählt. Seither gibt es unter der Hamas in Gaza überhaupt keine Wahlen mehr. Klingt das nach Befreiung? Nach Demokratie?

      In Artikel 7 ihrer Gründungscharta bekennt sich die Hamas eifrig zum Genozid an Juden. Nur Worte? Von wegen. Denn der von der Hamas am 7. Oktober 2023 verübte Angriff auf Israel war der tödlichste Anschlag auf das Judentum seit dem Holocaust.

      Die Hamas muss besiegt werden, wenn Gaza überhaupt befreit werden sollte.

      עם ישראל חי

      • @Michaela Dudley:

        Ich sehe sowohl dieser Beitrag als auch der andere, trieft nur so von (ich denke bewusst) falschen Infos.



        1. Als Befreiungsarmee muss man Frauen- und LGBTQ-Rechte durchsetzen? Sagen Sie das zur UCK auch? Oder ANC? Zunächst wie bei jeder Besatzung geht es darum den Besatzer loszuwerden, der Gebiete widerrechtlich besetzt und ausweitet mit eigener Zivilbevölkerung (zum Glück nennen wir es hier nicht "menschliche Schutzschilder")



        2. Nach 2006 keine Wahlen. Sie meinen welche genau? Präsidialwahlen? Da fragen Sie mal lieber Herrn Abbas der diese immer wieder abgesagt, ob manchmal auf Druck von Israel, mal aus eigener Machtgier. Es war die Hamas die mehrfach mit den Fatah-Kräften in Gaza eine Einheitsregierung bildete, die solange hielt bis die Fatah-Kräfte wieder versucht hatten den Putsch von 2006 zu widerholen (mit Unterstützung USA und Israels, die Geld lieferten für die Ausbildung in Jordanien, siehe Quellen Hersh).

        "Die Hamas muss besiegt werden, wenn Gaza überhaupt befreit werden sollte."



        Was wollen Sie denn mit dieser Aussage in den Raum stellen?

        • @Chris Ehl:

          Eine friedlich eingestellte Hamas hätte seit 2006 Frieden und Wohlstand organisieren können. Israel hat seitdem nie von sich aus im Gazastreifen zugeschlagen, sondern immer nur als Reaktion auf Terrorangriffe. Ohne diesen Terror könnten Israel und Gaza also seit fast 20 Jahren gute Nachbarn sein.

  • Ist ein Verzicht auf weitere Invasionen und folglich ein Überleben der HAMAS in Israel überhaupt vermittelbar?

  • Dort unten gibt es einfach das Problem, dass die Hamas einfach eine Terrororganisation war und ist und bleiben wird und den Staat Israel maximal auf dem Papier anerkennt, in der Realität aber weiterhin bekämpfen wird. Und auf der anderen Seite arrogante und überhebliche radikale Juden, welche die Palästinenser ignorieren und unterdrücken und ihnen das "Lebensrecht" absprechen (siehe Siedler im Westjordanland). Und solange sich radikale Ignoranten so gegenüberstehen, wird es nie Frieden geben.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Eine gute Reportage, liebe Kolleginnen, die wichtige Erkenntnisse liefert bzw. einiges bestätigt:

    1. „Über 300.000 Menschen sollen den Anweisungen Israels Folge geleistet haben und nach Westrafah oder weiter nördlich geflohen sein.“ Ein weiteres Indiz dafür, dass der gegen Israel gerichtete Vorwurf des Genozids überhaupt nicht begründet ist. Denn die UNO-Konvention gegen den Völkermord erfordert die Absicht, und dieses Tatbestandsmerkmal wird nicht erfüllt. Eine Woche Vorwarnung, die mehr als eine Viertelmillionen (mutmaßliche) Nichtkombattanten fliehen lässt, zeugt davon, dass Israel maßgebliche Teile der Zivilbevölkerung unbedingt schonen will.

    2. „ … werde man immer wieder von Neuem die Infrastruktur der Hamas zerstören müssen.“ Also mangels glaubwürdiger Nachfolger der Hamas, mit denen man verlässlich verhandeln kann, wird ein Zermürbungskrieg geführt werden (müssen). Das Szenario alleine ist nicht unbedingt ein Armutszeugnis seitens Israels. Hier sitzt Tel Aviv am längeren Hebel.

    3. „Die Grenzübergang Rafah bleibt geschlossen“. Eine kluge Entscheidung Ägyptens, um militärische Nachschübe an die Hamas zu verhindern. Es spricht für sich, dass das Letzte, was Gaza braucht, ist die Versorgung der radikal-islamistischen Terrorgruppe mit Waffen.

    Wie es jetzt aussieht, hat die IDF nicht einen Plan B – sondern gleich zwei. Einmal B wie „Befreiung“ der von der Hamas völkerrechtswidrig verschleppten Geiseln. Einmal B wie „Besatzung“ der eroberten Gebiete des Gazastreifens. Auch letztere Option ist auf die Hamas zurückzuführen. Es ist wichtig, dass Israel dabei nicht in eine Falle tappt. Doch der Krieg, den die Hamas am 7. Oktober vom Zaun brach, darf nicht vor der vollständigen Unterwerfung der Hamas beendet werden.

    • @Michaela Dudley:

      Nachgereicht sei hier meine Zustimmung und Dank für Ihren Kommentar zum Artikel über den ESC.



      Und auch zum Beitrag zum Artikel über die Hamas meine Zustimmung. Die Hamas ist das treibende Übel der aktuellen Situation, auch dann, wenn man an Israel einiges kritisieren muss.

    • @Michaela Dudley:

      Ich freue mich immer sehr über Ihre Kommentare , empathisch, kenntnisreich und sachlich !

    • @Michaela Dudley:

      zu 1.



      "zeugt davon, dass Israel maßgebliche Teile der Zivilbevölkerung unbedingt schonen will"

      Auf Druck der Amerikaner. Ginge es nach Ben Gvir und Smotich wäre alles nach "bewährtem" Schema mit Luftbombardements abgelaufen.

      zu 2.



      "Wie es jetzt aussieht, hat die IDF nicht einen Plan B – sondern gleich zwei."

      So kann man es auch ans Volk bringen. Positive Grundeinstellung, die aber leider nur kaschiert das Netanjahu & Co. keinen Plan von gar nichts haben, ausser den Konflikt am Laufen zu halten.

      Zu 3.



      "Doch der Krieg, den die Hamas am 7. Oktober vom Zaun brach, darf nicht vor der vollständigen Unterwerfung der Hamas beendet werden"

      Prost Mahlzeit sage ich da nur. Dann wird es um mit Nietzsche zu sprechen "in der ewigen Wiederkehr" enden. Ein Konzept für eine friedliche Koexistenz sollte zumindest von Seiten der UNO einmal angedacht werden.

      Und abschließend eine Frage an die Kolumnistin.



      Wo sollen die Palästinenser unter der Gaza Besatzung denn leben? Der Wiederaufbau dauert geschätzte 16 Jahre. Sollten ihrer Meinung nach die Millionen von Palästinensern von Bau zu Bau ziehen und wie die Kaninchen leben? Wird der Norden von Gaza nicht eher ein "Geisterstreifen" bleiben?

      Ich finde ihren Kommentar zwar sehr erhellend, wenn auch etwas einseitig, er ist mir aber, sagen wir, etwas zu technisch. Was zählt und was mich interessiert ist das Schicksal der Menschen. Auf beiden Seiten! Nicht die Interessen und Ansichten der Wirrköpfe der Netanjahu Regierung und schon gar nicht die der Terroristen.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Sam Spade:

        Danke vielmals für die Aufmerksamkeit und die Offenheit.

        Ist es wirklich angemessen, von Israel alles zu verlangen? Gibt es überhaupt eine moralische Basis dafür, der einzigen Demokratie der Region die Bürde des bilderbuchmäßigen Handelns aufzuerlegen? Seitens der „pro-palästinensischen“ Community hört man laufend, was der jüdische Staat so alles machen müsse. Dies, das und jenes.

        Zweifelsohne ist Israel gemäß dem Ius Gentium, dem Ius Bellum und nicht zuletzt der IGH-Anordnung dazu verpflichtet, auch und gerade im Kriege gewisse Vorkehrungen zu treffen, was den Umgang mit den palästinensischen Nichtkombattanten anbelangt.

        Israel hat diesen Krieg allerdings nicht gewählt. Am 7. Oktober 2023 brach die Hamas den bis dahin existierenden Waffenstillstand und verübte den tödlichsten Massenmordanschlag gegen das Judentum seit dem Holocaust. Auf dem Rave-Fest von Re’im ermordete die islamistische Terrororganisation sogar ausgerechnet linke, progressiv denkende Netanyahu-Gegner. Säuglinge und Shoah-Überlebende wurden verstümmelt bzw. verschleppt.

        2005 zog sich Israel aus Gaza zurück. 2006 wählte man in Gaza die Hamas ins Amt. Seit 18 Jahren gibt es unter der Hamas keine Wahlen mehr in Gaza. Mit 18 ist man eigentlich volljährig, oder? Demokratie in Gaza? Fehlanzeige. Das kann man Israel aber nicht ernsthaft in die Schuhe schieben. Die wahre Gegnerin der Gazaner ist die Hamas.

        Es gibt übrigens eine Zauberformel. Die Parole lautet: .לשחרר את בני הערובה

        Auf Neudeutsch: „Free the Hostages!“

        • @Michaela Dudley:

          "Ist es wirklich angemessen, von Israel alles zu verlangen? Gibt es überhaupt eine moralische Basis dafür, der einzigen Demokratie der Region die Bürde des bilderbuchmäßigen Handelns aufzuerlegen?"

          Alles? Nein, nur die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, des Verbotes der Besiedlung besetzter Gebiete, die Gleichbehandlung aller Bürger auf seinem Gebiet, die Achtung des palästinensischen Rechts auf Selbstbestimmung und ähnliche Kleinigkeiten.



          Dann sähen Gaza und Westbank sicher nicht aus wie ein Bilderbuch, aber immerhin nicht mehr wie ein Horrorfilm.



          Wenn Ihnen für solche Forderungen an die rassistische, rechtsextreme Netanjahu-Regierung, oder die israelische Bevölkerung, die sie gewählt hat, die moralische Basis fehlt frage ich mich schon wie Sie dann auf der anderen Seite der Bevölkerung Gazas süffisant vorwerfen in 18 Jahren Herrschaft der Hamas keine Demokratie aufgebaut zu haben.



          Es mag Ihnen unfair erscheinen, und vielleicht ist es das sogar, aber an "die einzige Demokratie der Region" werden andere moralische Maßstäbe angelegt als an eine Organisation wie die Hamas.

          "Die wahre Gegnerin der Gazaner ist die Hamas.

          Es gibt übrigens eine Zauberformel. Die Parole lautet: .לשחרר את בני הערובה

          Auf Neudeutsch: „Free the Hostages!“"

          Als Parole kann ich das absolut unterstützen, als Zauberformel taugt es leider nicht. Möglicherweise würden dadurch die momentanen Kämpfe und Bombardierungen abgeschwächt oder sogar beendet, der Konflikt mit all seinem Leid, Ungerechtigkeiten und Radikalisierung auf beiden Seiten ginge aber weiter. Vielleicht ist es dann doch eine andere, in letzter Zeit übel diffamierte Parole, die eher eine Formel hin zu einem echten Frieden sein kann:



          "Free Palestine"

        • @Michaela Dudley:

          Danke für die Antwort. Kann ich zu 90% zustimmen. Nur zur ewigen pro/contra Israel /Palästina Diskussion folgende Anmerkung.

          Zuwendung und Empathie für die eine Seite sollte nicht zur Folge haben, dass man für die Nöte und Sorgen der anderen Seite blind wird. Immer beide Augen offen halten. Das vermisse ich hierzulande bei vielen Menschen.

  • Die Strategie liegt auf der Hand. Solange es keine politischen Ansprechpartner für Israel im Gazastreifen gibt, ist es weniger problematisch, erneut in Gebieten zu kämpfen, in denen man bereits gekämpft hat. Gäbe es dort schon neue Hamas-unabhängig Strukturen, wäre dies nicht so einfach möglich.

  • "Die Kontrolle über den Übergang in Rafah ist für Israel auch deshalb strategisch relevant, weil – nach Angaben des Militärs – von dort immer wieder Nachschübe an Waffen und Munition an die Hamas geliefert werden."

    Ich frage mich schon länger, ob die Kämpfer der Gaza-Hamas-palästinensischen Seite so große Waffenvorräte etc. in ihren Tunneln gelagert haben, um einen jetzt bereits siebenmonatigen Krieg zu führen oder ob Nachschub zu ihnen gelangt. Wenn der Nachschub über Rafah kommt, frage ich mich, weshalb der Grenzübergang nicht schon länger von der jüdischen/Israel-Seite übernommen wurde.

    Ist die obige Meldung so zu verstehen, dass die ägyptische Seite dann doch mit den Kämpfern der gegnerischen Kriegspartei zusammenarbeitet, wenn sie über diesen Grenzübergang Waffen (und vielleicht auch Kämpfer) erhält?

  • Das war leider zu erwarten, als Netanjahu an der Macht blieb bzw. der israelischen Regierung keine Vorschriften gemacht wurde trotz des Versagens beim Angriff von Hamas&Co. Das Fenster zur militärischen Lösung des Konflikts mit den palästinensischen Terrorgruppen war offen, es gab daran aber nie ein Interesse seitens der israelischen Regierung. Diese Arroganz rächt sich spätestens sollte es zu einem erneuten arabischen Frühling kommen.

  • Der Krieg ist das einzige, das diese Regierung an der Macht hält. Natürlich haben sie kein echtes Interesse, das der vergeht

    • @Paul Anther:

      Die Hamas wohl ebenso.