piwik no script img

Social-Media-HypeBest day ever?!

Unsere Autorin konnte schon als Kind nichts mit Übertreibungen anfangen. Sie plädiert für mehr Normalität – auch bei Instagram.

Berlin ist sowieso am geilsten Foto: Annette Riedl/dpa

W enn ich einfach nur ein bisschen vor mich hin­ scrollen­ will, fliegt ein Leinenbettlaken über meinen Handyscreen. Darauf ist gewollt ungewollt ein Roman drapiert, die Bild­unter­schrift: „Best day ever!“ Glitzerherzemoji.

Zwei Bildschirmlängen später ein Sonnenuntergang: „Best weekend ever“ steht darunter. Ich bin genervt. Nicht schon wieder. Wie viele beste Tage eures Lebens wollt ihr noch haben? Wie viele beste Orte, beste Abende, beste Trips wollt ihr noch posten? Im Bett lesen, ja, das ist gemütlich, aber das ist doch kein best day ever. Wem macht ihr was vor?

Schon wieder? Kann nicht sein.

Dass wir zu oft übertreiben, bemerkte ich schon mit fünf, als ich mit dauerblauen Lippen versuchte, das Seepferdchen-Abzeichen zu bekommen. Mein Schwimmlehrer setzte mich nach jeder Stunde auf den Beckenrand und sagte: „Das war deine beste Schwimmstunde!“ Schon wieder? Kann doch gar nicht sein, dachte ich.

Ich war wirklich nicht gut im Schwimmen. Im kalten Wasser machte ich zu kleine Bewegungen, den roten Ring am Beckenboden ertauchte ich, wenn überhaupt, erst nach fünf Anläufen. Doch egal, ob ich es schaffte oder nicht, es war immer meine „beste Stunde“. Der Mann wollte mich damit vermutlich motivieren, aber ich fühlte mich verarscht.

In der Schule ging es dann so weiter. Wenn der Klassenlehrer sich nach drei Jahren verabschiedete, waren wir seine „allertollste Klasse“. In der Uni haben wir so großartig diskutiert wie sonst noch nie eine Seminargruppe, „wirklich“. Dabei waren die Kameras der meisten während des Onlinekurses aus. Nebenbei wurde die Wäsche aufgehängt und Candy Crush gezockt, aber mit Sicherheit nicht leidenschaftlich argumentiert.

Hochgejubelte, mittelmäßige Tage

Wir werfen mit Superlativen um uns, als gäbe es etwas zu gewinnen. Dabei sind viele hochgejubelte Tage doch nur Mittelmaß, gestehen wir uns das doch ein: Es gab irgendwas auf die Hand zum Mittagessen, danach wurde sich unmotiviert zum Sport geschleppt. Die Tage sind gefüllt mit verpassten Bussen, verpassten Anrufen, verpassten Paketboten.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Und das ist voll okay. Aber lieblose Schüsselgerichte und ungemachte Betten begegnen mir auf Instagram trotzdem nicht. Oder ein überquellender Biomüll? Der kann auch nach Kunst aussehen. Einsame Socken zu einem Raster gelegt wie Memoryspielkarten, sodass man auf dem Foto nach Paaren suchen kann.

Vielleicht sollten wir davon mehr teilen, damit wir weniger das Gefühl haben, dass nur wir selbst jeden dritten Tag in einer nackenfeindlichen Pose vor dem Fernseher einschlafen, während andere angeblich die beste Zeit der Welt erleben.

Das kann auch deshalb nicht stimmen, weil das Jahr eigentlich wie ein Cornetto-Eis aufgebaut ist. Es gibt fruchtige Eiscremetage, eine Freundin kommt zu Besuch, das Projekt ist endlich abgeschlossen, man kann zum ersten Mal wieder offene Schuhe tragen, gute Tage eben. Dann gibt es Waffeltage, sie sind trocken, es knirscht und bröselt – alles scheiße.

Das Cornetto-Verhältnis

Und dann gibt es Schokospitzentage. Halbgefroren knackt der köstliche Rest der Eiswaffel zwischen den Zähnen, der trockene Keksteig ist vergessen. Die Schokospitzentage radieren die Waffeltage aus unserem Gedächtnis. Aber sie kommen eigentlich nur im Cornetto-Verhältnis vor und nicht wie best days ever in meinem Feed.

Und das sollte so auch gezeigt werden. Denn wenn alles immer vom Allerfeinstentollstenbesten ist, wie geht man dann mit einem Schokospitzentag um? Er sticht nicht mehr heraus aus dem Alltäglichen. Er steht nicht mehr für dieses Endorphinhoch, wie ein langer Lauf, sondern er versandet zwischen allerbesten Tagen, die eigentlich nur Durchschnitt sind. Als Berlinerin bleibe ich da lieber beim größten Lob, das die Hauptstadt zu bieten hat: Da kann man nicht meckern­. Und das reicht an den meisten Tagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Sophie Fichtner
Redakteurin
Ist Redakteurin im Zukunftsteil der wochentaz. Sie hat die Deutsche Journalistenschule in München besucht und Politikwissenschaften in Berlin und Lissabon mit Schwerpunkt auf Menschenrechten studiert.
Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • Ständig das Glück zu suchen ist nun mal der sicherste Weg, ständig unglücklich zu sein. Das Problem ist eben einfach mehr als die Jagd nach den Superlativen, das Problem ist, dass schon ein normaler Tag als Versagen zu Buche schlägt. Das Problem ist auch, dass der Freizeit- Stress immer schlimmer wird und dass die Konsumansprüche immer mehr wachsen. Das Ganze ist eine immer schneller werdende Enttäuschungsmaschine, eine Orgie der verfehlten Versprechen und verpassten Gelegenheiten. Das darf aber natürlich niemand zugeben. Nein, der nächste Urlaub wird der Ultimative, und wenn nicht, dann liegt es an uns selber, dann sind wir einfach nicht in der Lage unser Leben angemessen zu genießen, und das geht gar nicht. Das ist die moderne Todsünde überhaupt, also auf zum Achtsamkeitstraining!

  • Ist mehr so ein Kulturdings, vielleicht auch ein Generationendings.

    "Wie is et?"



    "Muss"

    Das ist Ekstase.

    Immer im Gegensatz zu der amerikanischen Kultur:

    "What a good boy!!!"

    ..wenn man mal nicht daneben gemacht hat.

    Nicht zu vergessen, die smilies und Häschen, die bei jede Hausarbeit ins entsprechende Heft geklebt werden.

    Dann doch lieber

    "Wie is et da?"



    "Wie sollt es schon sein."

  • Ach was! ©️ Loriot z 〰️💯sten

    Einspruch Euer Ehrin & Jesus kam bis Eboli…& ging nie ganz & Politologie Schwerpunkt Menschenrechte & Zukunft - da schau her!



    Workshop: mitmoderiertse - Chapeau 🎩



    “Utopie-Zirkeltraining



    Mit dem Zukunftsteil der wochentaz



    Nur vor Ort, den ganzen Tag über im Besselpark.



    Alles könnte anders sein. Das ist ein radikaler Gedanke. Seit November gibt es einen Zeitungsteil in der taz, in dem utopisch gedacht wird - die Zukunft. Aber wie geht das: mitten in dieser Gegenwart, in der so vieles falsch läuft, eine konkretes Vorstellung zu entwerfen, wie es besser sein könnte? Wir wollen gemeinsam unseren Utopie-Muskel trainieren! Anhand von einfachen Fragen und Übungen entwickeln wir ganz konkrete Zukunftsbilder. Offen für alle!“

    & Däh



    “…größte(s) Lob, das die Hauptstadt zu bieten hat: Da kann man nicht meckern­“ s.u.



    Sachmal eher so: Langholztranspott auffe Transit - Kette reißt=> Stau ohne Kleber!🚗🚘🚙🚔🏎️



    “Mensch Männeken mach hinne! Motorsäge an un zack!“ “Nee ditt jeht nich!“ ??? -



    “Sollen Mundharmonikas für Berlin draus werrn! Woll“ Pascht scho •

    Mit sojet Klöterkram wie S-Medien als



    📺 spätsozialisierter nix am Hut! Ja.



    But - Utopie ohne Übertreibung!?? Ah Geh!



    “So So. Dichter sanns geworden!



    Tja - für Physik hatten’s halt zu wenig Phantasie!“



    &



    Charlie Brown & clouds - for all of you



    www.youtube.com/watch?v=ZhJhN85o1dg



    🤭



    & Däh



    “Dass wir zu oft übertreiben, bemerkte ich schon mit fünf, als ich mit dauerblauen Lippen versuchte, das Seepferdchen-Abzeichen zu bekommen. Mein Schwimmlehrer setzte mich nach jeder Stunde auf den Beckenrand und sagte: „Das war deine beste Schwimmstunde!“ Schon wieder? Kann doch gar nicht sein, dachte ich.“ Schoon. Pädagogische Meisterleistung - ein Hohn

    Ab damit plus S-Media - shure voll Wonne…… -



    But! - Alles!¿inne Tonne? Gemach Gemach &



    Sach - mal so: Wo wär ich*45 - mit 6 Jahr älter Bruderherz gesegnet - wohl geblieben?



    Hätt ich nicht gern und des öfteren - und doch auch mal maßlos - übertrieben!¿

    • @Lowandorder:

      Moderation: Kommentar entfernt, bitte verfassen Sie keine überlangen Kommentare.

      • @Lowandorder:

        btw - “überlang“ - Booey what’a assist -

        🧑‍⚖️“Herr Kollege - Ihr Urteil ist aber diesmal was lang geraten!?“



        👨🏼‍⚖️“Stimmt. Hatte nicht genügend Zeit!“;)

      • @Lowandorder:

        Vielleicht ist das von der Moderation ernst gemeint?



        Versteht sowieso niemand was Sie da vor sich hin brabbeln.

        • @Jesus:

          》Versteht sowieso niemand was Sie da vor sich hin brabbeln.《

          Damit - "niemand" - sprechen Sie sicher nicht für mich. Weder inhaltlich ('unverständlich', 'brabbeln') noch formal (grob und unverschämt)

          • @ke1ner:

            „Keiner“ würde ich schon unter niemand einordnen.



            Zum formalen, Sie haben Recht, tut mir Leid ich habe mich ein wenig im Ton vergriffen.



            Inhaltlich bleibe ich dabei, ein Kommentar der von der Moderation gekürzt wurde sollte nicht einfach in zwei Kommentaren hochgeladen werden.



            Zu den Antworten die das ganze als Kunst verstehen: ok, ich mag auch keinen free-Jazz, muss aber auch nicht jeder alles mögen oder verstehen.

        • @Jesus:

          Um ehrlich zu sein, ich verstehe es meistens auch nicht. aber finde als nützliche Informationen.

          Ein paar können es aber anscheinend lesen und verstehen. Es scheint wie ein Rhythmus oder so zu sein. Vllt komm ich irgendwann dahinter. Würde mich freuen, weil es ein sehr interessanter eigenartiger Stil ist.

          Ich würde die Kommentare vermissen. Sie haben was künstlerisches auch wenn sich mir der Inhalt dahinter verschlossen bleibt.

        • @Jesus:

          Bei Jesus - bin ich mir dafür aber sicher:



          “Jungs! Kommt zusammen -



          Gruppenfoto! Woll

          • @Lowandorder:

            Bin auch dabei, ich verstehe ja immerhin meistens zumindest die Hälfte.

            Tipp für die Nörgler, einfach auf sich wirken lassen, wie Zwölftonmusik oder Free-Jazz.

            • @Jim Hawkins:

              Hallo Herr Pirat 🏴‍☠️, Freejazz mindestens, können aber auch mal Standards sein.



              Whatever, go ahead man 🎼🎺🪘🎵😴🍷🎷👌

              • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

                Da habe ich eine Geschichte. Wahrscheinlich habe ich sie schon erzählt. Na ja, das Gedächtnis.

                Jedenfalls landete ich mal ziemlich betrunken mit jemandem in irgendeinem Bett.

                Und wie das ist, manchmal kommt man sich da näher. Dann legte sie Free-Jazz auf.

                Davon wurde mir so schlecht, dass ich mir im Bad den Abend noch einmal durch den Kopf gehen lassen musste.

                Mit der Romantik war dann Essig.

                • @Jim Hawkins:

                  Na Na - Bäuerchen & …gehts wieder?!



                  Das ist brav!

                  Willis aus Erfahrung eingeschlenzter!



                  Free Jazz - ja eine meiner Bands - hat unausrottbar dieses Bonbon am Hemd.



                  But. Spielen wir in Wahrheit aber gar nicht! Nö. Spielen wir wieder mal zB im Loft oder auf nem Festival - fällt schon mal süffisant “fast tanzbar“;))



                  Free Jazz spiegelt für mich eine Zeit der Brötzmann & Co - die mit ihren Vätern was abzurechnen hatten.



                  Frei Improvisierer - Instant - Just in time player - sind schlicht anders absprachenfrei unterwegs! Shut up! And play!



                  Was - wie in meiner Schreibe gern auch - und darin widersprach ich beim sonntäglichen Frühstücken in Peitz Bernd Noligk - eben gerade nicht im Chaos enden muß!



                  Im Gegenteil - s.o. - waste dann auch wieder nicht so ganz gerne hörst! Woll



                  Gekonnt quer zur Rille! That’s it!



                  Spiel mal locker auf - über drei verschiedene Rhythmen!



                  Da steigt der Pegel! Aber Hallo.



                  So in etwa & etwas davon hatte ich im geschredderten Teil anklingen lassen



                  Mit Miles “Spiel und dann über den Tellerrand hinaus!“

                  kurz - “überlang“ Erlebe ich das erste mal und mit Verlaub “ wie doof ist das denn“



                  Nischt for unjut - wa!

        • @Jesus:

          Ich habe mich schon lange gefragt, ob ich eigentlich der einzige bin, der diese eigenartige Ausdrucksweise nicht so ganz versteht...

          Ich versuche es inzwischen auch nicht mehr. Vielleicht sollte die Moderation ein Mindestmaß an vollständigen Sätzen überprüfen.

          • @Der eindimensionale Mensch:

            Ach lass ma.



            Die Netizense ist schon streng genug.

      • @Lowandorder:

        Nanu, ich dachte Lowandorder hätte eine lebenslange Ausnahmegenehmigung.:-)

        • @Suchender:

          Das hoffe ich doch wohl sehr!

        • @Suchender:

          ok ok - hab nochn paar Jährchen - I hope

      • @Lowandorder:

        Naja - daschamal‘n Osterei! Woll



        Jetzt hängt alles einstürzende neubautenmäßig in der Luft!

        Kapier ich nicht: gegen manche tazis -



        Is das doch locker - short cut! Newahr.



        Normal Schonn •



        Voll peinlich das ganze!



        Un wie der kölsche Köbes zu sagen pflegt:“Isset jetzt ALTkurz - genug!“

  • Best solution ever: just ignore Instagram & co. Works like a charm.

  • Instagram? Was ist das?

  • Sehr aus dem Herzen gesprochen. Kenne ich aus meiner eigenen Familie. Es ist schrecklich wenn Dinge nur noch tiefschwarz oder strahlend weiß sind. Selbst Bewertungen im Internet (die so schon fragwürdig sind) haben oft wenigstens Raum für 1-5 Sterne. Und da fehlen schon genug Aspekte.

  • Best Leser*innenkommentar ever!

  • Best Article ever!

    ... naja, ehrlich, guter Artikel. Allerdings ist das Thema nicht ganz neu, aber schon lang nicht mehr gelesen.