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Regime in Iran45 Jahre Terror

Kommentar von Daniela Sepehri

Seit ihrer Gründung 1979 protestieren Menschen gegen die Islamische Republik. Der Westen muss endlich aufhören, das Gewaltregime zu legitimieren.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi bei den Feierlichkeiten zum 45. Jahrestag der Islamischen Revolution Foto: Iranian Presidency Office/apa images/imago

W ährend die Machthaber der Islamischen Republik ihr 45-jähriges Bestehen mit Feuerwerk feiern, schallen aus Wohngebäuden Rufe der Ablehnung. „Nieder mit der Islamischen Republik“, „Nieder mit Chamenei“ fordern Menschen in zahlreichen Städten Irans. Ihnen hat dieser Staat nichts als Armut, Leid und Tod gebracht.

Das Regime genoss von Anfang an nur wenig Legitimität bei der Bevölkerung und über die Jahre ist diese immer weiter gesunken. Grund dafür sind einzig und allein die Machthaber selbst. Allein diesen Januar wurden laut der Menschenrechtsorganisation Hengaw mindestens 74 Menschen hingerichtet. Mehr als 800 waren es im vergangenen Jahr. Das Regime rächt sich damit an den Gefangenen für die „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini. Eine Protestwelle, die sich einreiht in eine 45-jährige Geschichte des Widerstands gegen die Führung.

Schon am feministischen Kampftag 1979, also wenige Tage nach Ausrufung der Islamischen Republik Iran vom Februar desselben Jahres, demonstrierten Tausende Frauen für ihre Rechte. Sie riefen Parolen wie „Freiheit ist weder westlich noch östlich, sondern universell“. Schon damals interessierten sich die Machthaber nicht für die Belange der Menschen. Stattdessen reagierten sie mit aller Härte: Terror und Massenhinrichtungen waren an der Tagesordnung.

In den 1980er Jahren wurden Abertausende politische Gefangene teils ohne Gerichtsurteil hingerichtet. Bis heute ist unklar, wie viele ermordet wurden, bis heute gibt es Massengräber, bis heute bekommen Familien oft nicht einmal die Leichen ihrer Angehörigen ausgehändigt.

Daniela Sepehri

ist Iran-Expertin, taz-Autorin, Social-Media-Beraterin, Moderatorin und Poetry-Slammerin

Ein Verbrecher ist Präsident

Einer der Verbrecher, der an diesen Morden beteiligt war, ist heute Präsident des Landes. Dieses furchtbare Verbrechen hat die iranische Zivilgesellschaft bis heute tief traumatisiert. Angesichts der aktuellen Hinrichtungswelle warnen Menschenrechtsaktivist*innen, dass sich Massaker auf dem Niveau der 1980er Jahre wiederholen könnten.

Auch in den 1990er Jahren gab es Proteste gegen die Führung. Im Juli 1999 versammelten sich Studierende im ganzen Land. Es gab mehrere Tote und zahlreiche Verhaftungen. Im Jahr 2009 gingen erneut Tausende auf die Straße und protestierten gegen die Wahlfälschung. Weil viele von ihnen Stirnbänder oder andere Accessoires in der Farbe trugen, war die Rede von einer „grünen Bewegung“.

Dabei erregte ein Video von einer jungen Frau besonderes Aufsehen: Während die 26-jährige Neda Agha-Soltan die Proteste beobachtete, wurde sie vor der laufenden Kamera eines Passanten von Regimekräften angeschossen. Die ganze Welt konnte per Video mitverfolgen, wie sie verblutete. Spätestens danach war den meisten Menschen in Iran klar: Reformen kann es mit diesem Regime nicht geben.

Eines einte die Proteste

Erneut deutlich wurde dies bei den landesweiten Protesten in den Jahren 2017 bis 2020. Mal waren die gestiegenen Lebensmittelpreise der Auslöser, mal war es die Verdreifachung der Benzinpreise. Doch eines einte die Proteste: Sie alle wussten, dass das eigentliche Problem die Islamische Republik ist. Es kann keine Verbesserung geben, solange die Islamische Republik in Iran die Macht hat. Der Ruf nach dem Sturz des Regimes war unüberhörbar.

Erneut war die einzige Antwort des Regimes Terror: Mehr als 1.500 Menschen wurden bei den Novemberprotesten von 2019 innerhalb einer Woche auf offener Straße getötet. Viele Angehörige der Getöteten sitzen bis heute im Gefängnis. Trauern ist in den Augen des Regimes kriminell.

Warum sollte eine Mutter, deren Sohn getötet worden ist, noch an dieses System glauben? Warum sollte ein Kind, dessen Vater im Gefängnis hingerichtet wurde, noch an eine Zukunft mit diesem System glauben? Auch deshalb gehen immer weniger Menschen in Iran wählen. Sie wissen, dass die Abgabe eines Stimmzettels nichts ändern, sondern lediglich das System legitimieren würde.

Seit einigen Monaten rufen die Menschen dazu auf, die Scheinwahl des Parlaments Anfang März zu boykottieren. Eine Umfrage des niederländischen Gamaan-Instituts zeigt, dass 77 Prozent der Wahlberechtigten nicht daran teilnehmen wollen.

Diese Gruppe könnte dem Regime gefährlich werden

Vor allem bei der Jugend hat das Regime Legitimität eingebüßt. Junge Menschen sind aufgewachsen mit Bildern der verblutenden Neda Agha-Soltan, sie haben die brutale Niederschlagung der Proteste 2020 erlebt. Ihre Freun­d*in­nen wurden bei den „Frau, Leben, Freiheit“-Protesten getötet, inhaftiert, vergewaltigt, hingerichtet. Sie leiden wegen der Misswirtschaft der Führung unter Arbeitslosigkeit. Diese Generation kann den Machthabern gefährlich werden.

Besonders stark von Repression betroffen sind marginalisierte Ethnien, allen voran die Kur­d*in­nen und die Belutsch*innen. Sie sind es, die in den letzten 45 Jahren und gerade bei den „Frau, Leben, Freiheit“-Protesten am lautesten und widerstandsfähigsten waren. Und sie sind es auch, die am häufigsten verhaftet und hingerichtet werden.

Derzeit werden zahlreiche Kur­d*in­nen hingerichtet. Der haltlose Vorwurf: „Spionage für Israel“. Für die aktuellen Spannungen und Kriege im Nahen Osten muss die eigene Bevölkerung den Kopf hinhalten, vor allem trifft das die ethnisch marginalisierten Gruppen.

Die Islamische Republik konnte sich in den letzten 45 Jahren nur durch Terror gegen die eigene Bevölkerung und weltweit am Leben erhalten – auch weil der Westen das Gewaltregime unterstützt hat, etwa durch Gespräche, Verhandlungen und Handel. Bei der Mehrheit der Bevölkerung verfügt das Regime über keinerlei Legitimität mehr. Wann hört auch der Westen endlich auf, dieses Regime zu legitimieren?

45 Jahre Islamische Republik Iran, das heißt: 45 Jahre Terror und Mord. Und 45 Jahre Versagen der westlichen Welt im Umgang mit diesem Regime. Daran gibt es rein gar nichts zu feiern.

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13 Kommentare

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  • Was soll der „Westen“ gegen Staaten machen, die einen starken religiösen



    Rückhalt in der Bevölkerung haben und



    von Fanatikern gestützt werden? Der



    Iran ist stark sanktioniert, es ist billig, den Westen dafür verantwortlich zu machen, wenn die Religion solche Regime unterstützt zur Durchsetzung einer“göttlichen Ordnung“.

  • "Das Regime genoss von Anfang an nur wenig Legitimität bei der Bevölkerung".

    Das stimmt so nicht, wie kommen Sie darauf? Das vorausgegangene Schah-Regim genoss wenig Legitimität, gewann loyale Anhänger in der Bevölkerung durch Versprechungen und Korruption.



    "Anerkennung" gewann es auch im Ausland, z.B. in der BRD, dadurch, dass der Schah bei einem Besuch damals seine Geheimdienst-Knüpplelbande mitbrachte, die, von der deutschen Polizei geduldet, gegen das Regim protestierende Demonstranten ungehindert niederknüppelte. Ein Demonstrant wurde einfach totgeschossen, kein erkennbares Verfahren gegen den Mörder eröffnet. Dies führte zu einer deutlichen Stärkung der sog. Außerparlamentarischen Opposition.

    Im Iran selber schlossen sich Schah-Gegner mit kommunistischen und sozialistischen Kräften zusammen und vertrieben den im Luxus lebenden Schah, den niemand außer Ägypten und aufnehmen wollte.

    Die Gallionsfigur der Oppositionsbewegung war damals der im Pariser Exil lebenden Ayatollah Chomeni, der dann unter enthusiastischen Begrüßungen zurückkam, dann aber, als er seine Herrschaft gefestigt hatte, brutal gegen die ehedem mit ihm verbündeten linken Kräften losschlug.

    Ein arabisch-iranischer Feund von mir ist damals neben vielen Gleichgesinnten in den Iran zurückgegangen, ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Seine deutsche Freundin ist zunächst mit ihm gegangen, Ertrag es aber nicht, verschleiert herumzulaufen und sich nur in Frauengemeinschaft zu bewegen, ist zu ihrem Glück nach zwei Jahren zurückgekehrt.

    • @Heinrich Ebbers:

      Vieles richtig beschrieben, vergessen haben Sie nur, dass der Mörder von Benno Ohnesorg auf der Gehaltsliste der einheitssozialistischen Stasi stand und das die Geistlichkeit unter Khomeini nicht wegen der Brutalität den Schah stürzen wollte, sondern wegen dessen Versuch das Land gesellschaftlich in die Moderne zu pushen. Insofern haben die iranischen Sozialisten sich mit den besonders restaurativen Kräften eingelassen um den Antidemokraten vom Thron zu verjagen.

      • @vieldenker:

        Um das zu konkretisieren: Der Klerus wollte den Schah stürzen, weil ein Teil seiner sog. "Weißen Revolution" eine Landreform beinhaltete, die vorsah, Großgrundbesitzer zu enteignen und das Land den Bauern zu schenken. Drei Mal darf man raten, wer bzw. was der mit Abstand größte aller Großgrundbesitzer war.

        Übrigens, als die Iraner im Referendum 1979 mit großer Mehrheit für die Einführung des islamischen Republik stimmten, hatten sie wohl kaum vor Augen, dass das bedeutet, Leute wegen eines falschen Wortes am Baukran aufzuhängen.

        Wie groß der Widerstand schon damals war, zeigt übrigens der Kopftuchzwang. Der wurde nämlich, anders als man heute gemeinhin glaubt, nicht 1979 eingeführt sondern erst nach Ausbruch des Krieges 1980 unter Anwendung des Kriegsrechts. Chomeniis Versuch den schon 1979 einzuführen ist am Massenprotesten von Frauen gescheitert.

  • Der Terror im Iran fing an, als der Schah vom "Westen" an die Macht geputscht wurde. Und dann haben die Iraner in ihrer Not gedacht, die Mullahs machen es besser. Schoenes Beispiel dafuer, dass der Feind des Feindes nicht automatisch ein Freund ist.

  • Ähm..."der Westen"(TM) hat das so gewollt. Dass die Radikalen überhaupt an der Macht sind, liegt daran, dass die USA den Schah und sein autokratisches Unterdrückungsregime erst aufgebaut haben. Das schrie förmlich nach einer APO, die dann in Form der Geistlichkeit kam. Den Menschen war es zuerst mal egal, wer die sind und was sie wollen, solange sie gegen den Schah waren.



    Hätte der Westen nicht den Diktator installiert und hofiert, wären die Ayatollahs gar nicht an die Macht gekommen. Wie auch im Irak und Mesoamerika war dem Westen aber ein zugewandter Despot lieber als ein widerborstiger Demokrat. Die Geister, die ich rief...

    Jetzt kommt der Appell deutlich zu spät. Das Kind ist im Brunnen, bereits ertrunken, geborgen, beerdigt und sogar das Grab ist inzwischen wieder aufgelassen worden. Wie glaubwürdig sind wir denn bei denen? Wir haben das alles zu verantworten. Ohne uns wäre der Nahe Osten weniger kaputt.

    So ist das eben, wenn man sich unglaubwürdig gemacht hat. Jede Aktion gegen das Regime muss sich die Schelte "Das ist doch nur Eure Schuld" gefallen lassen. Hinsetzen, Maul halten und andere machen lassen.

  • Unsere grüne Außenministerin ist mit ihrer feministischen Außenpolitik eine einzige Enttäuschung. Warum kann sie die Mullahs nicht härter angehen? Warum kann sie das Leid der Mädchen und Frauen im Iran nicht konsequenter und ständig ins Licht rücken? Warum nicht mal ein Banner am Außenministerium für die Frauen im Iran?

    • @casio:

      Damit könnte man natürlich alle Ungerechtigkeiten in der Welt lösen. Banner hoch und alles wird gut.

      • @Ahnungsloser:

        Wenn man alles, was nicht unmittelbar dafür sorgt, dass mit einem Schlag "alles gut" wird, sein lässt, kann man getrost aufhören, Politik zu machen. Natürlich könnte und müsste deutsche Außenpolitik, aktuell in Person von Baerbock, gegenüber dem iranischen Regime viel klarere Kante zeigen. Die "Sachzwänge", weshalb wir darauf verzichten, sind bekannt. Unsere Rolle als wichtigster Handelspartner des Iran ist uns im Zweifel wichtiger. Feministische Außenpolitik nur dann, wenn sie uns nichts kostet.

  • Ein simpler Realpolitischer Reminder:



    Das Mullah-Regime entstand genau WEIL der Westen meinte, sich im Iran einmischen zu dürfen. Immerhin hatten sie ein halbwegs demokratisches System, aber Mossadegh wollte das Öl verstaatlichen. Und so hat man den Shah an die Macht gebracht, einen korrupten Gewaltherrscher, aber Antikommunisten. Und der wurde dann in einer islamistischen Revolution gestürzt.



    Das Regime kann vom Westen weder legitimiert noch delegitimiert werden.



    Regime-Change von außen hat immer nur Probleme verursacht, siehe Irak, Syrien, Lybien, Afghanistan.



    Der Westen versteht einfach nicht, dass er nicht die Macht hat, Dinge einfach zu ändern, nur weil er es möchte.

    • @Kartöfellchen:

      "Der Westen versteht einfach nicht, dass er nicht die Macht hat, Dinge einfach zu ändern, nur weil er es möchte."

      Richtig. Aber Sie verstehen offenbar Ihren eigenen Punkt nicht:



      "Das Mullah-Regime entstand genau WEIL der Westen meinte...".



      Niemand braucht "den Westen" für Unrechtsregime. Schon garnicht Kulturen mit ganz eigenen staatlichen Traditionen wie Persien.



      Es gibt Diktaturen auf der Welt, weil es die jeweiligen Völker (bzw. relevante Teile davon) es genauso wollen. Externe Kräfte können höchstens auf Vorhandenem aufbauen.

      Übrigens sind die von Ihnen genannten westlichen Interventionen auch an den Interventionen anderer Mächte gescheitert, was auch gegen Ihren geistigen Westzentrismus spricht..

      Irak: Iran



      Syrien: Türkei, Russland und Iran



      Lybien: Türkei, Katar, Ägypten, Russland



      Afghanistan: Russland, Pakistan, China

      • @Chris McZott:

        Richtiger und wichtiger Punkt, aber im Irak war Syrien auch sehr aktiv die sunnitischen Islamisten zu unterstützen, als die nach der Niederlage gegen die USA über die Grenze zogen wurden sie verhaftet. Im Zuge der Syrischen Revolution dann freigelassen um die demokratischen Kräfte zu bekämpfen.

        In Afghanistan war der Iran auch beteiligt und unterstütze die Taliban aus wirtschaftlichen und poltitischen Gründen. Der Iranische Außenminister regte sich sogar über diese Taten von den Pasdaran im afghanischen Fernsehen auf.

        Dazu waren in all diesen Konflikten islamische Stiftungen aktiv. Die waren schon in Afghanistan der 1980er massiv mit Geld und Waffen dabei.

  • Das Regine ist skrupellos und brandgefählich - sagen die Israelis schon lange.