piwik no script img

Andreas Scheuer kandidiert nicht mehrLetzte Ausfahrt nach der Maut

Der frühere CSU-Verkehrsminister will nicht mehr für den Bundestag kandidieren. An Rücktrittsforderungen hatte es ihm nie gemangelt.

Ex-Verkehrsminister Scheuer präsentiert Aktenordner mit Vertragsentwürfen zur gescheiterten Pkw-Maut im Jahr 2019 Foto: Jörg Carstensen/dpa

Der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wird nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Das kündigte Scheuer beim Neujahrsempfang seiner Partei am Wochenende in Passau an. Das von Scheuer zu verantwortende Pkw-Maut-Debakel hatte ihm Rücktrittforderungen in Serie eingebracht – und den Steuerzahlenden einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe.

Seit 2002 ist der heute 49-Jährige im Bundestag, von 2018 bis 2021 auch als Verkehrsminister in der Großen Koalition. In dieser Eigenschaft unterschrieb er Verträge mit Unternehmen für die umstrittene Pkw-Maut für Aus­län­de­r:in­nen, obwohl ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs dazu ausstand. Die Rich­te­r:in­nen kassierten das Projekt, weil es gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Daraufhin kündigte Scheuer die Verträge. Die Unternehmen Eventim und Kapsch verlangten Schadenersatz in Höhe von 560 Millionen Euro. Mit ihnen einigte sich die Ampelregierung später auf einen Vergleich in Höhe von 243 Millionen Euro.

Für Scheuer bleibt das zumindest finanziell folgenlos. Das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hat prüfen lassen, ob es den CSU-Politiker in Regress nehmen kann. Das wird nicht geschehen. Das Ministerium folgt einem Gutachten, das mangels Erfolgsaussichten von einer Schadenersatzklage abgeraten hat. Bereits im Jahr 2020 hatte die Berliner Staatsanwaltschaft es abgelehnt, im Zusammenhang mit der Mautaffäre gegen Scheuer ein Verfahren wegen Untreue einzuleiten.

Ein Skandal versteckt den anderen

Durch das Mautdebakel sind andere Fauxpas des Verkehrsministers in den Schatten getreten, etwa Scheuers Verteidigung der Autohersteller im Dieselskandal oder der zweifelhafte Rückruf der Reform der Straßenverkehrs­ordnung. Scheuer hatte einen Formfehler seines eigenen Ministeriums angeführt, um härtere Strafen für Auto-Raser:innen zu entschärfen.

Trotz der Mautaffäre hatte die CSU Scheuer auf Platz 3 der Landesliste für die Bundestagswahl 2021 gesetzt. Obwohl er in seinem Wahlkreis Passau massiv an Stimmen verloren hat, konnte er 2021 sein Direktmandat mit rund 30 Prozent der Stimmen verteidigen. Heute hat sein Rückhalt in der CSU nachgelassen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Scheuer nicht erneut für den Vorsitz der CSU Niederbayern kandidiert. Be­ob­ach­te­r:in­nen gehen davon aus, dass er eine Abstimmung gegen seinen Nachfolger, den bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter, verloren hätte.

Welche Pläne Scheuer für die Zukunft hat, ist unklar. Auf eine entsprechende taz-Anfrage antwortete sein Bundestagsbüro nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • @DIMA

    Was das auch immer mit dem allgemeinen Vertrauen in die Demokratie macht. Nicht anders als seine (Zufall?) Parteikollegen Nüßlein und Löbel.

    In Frankreich oder Spanien wären jetzt alle drei im Knast.

  • @DIMA

    Herr Scheuer hat von den Auftraggebern das Angeboten bekommen, mit der Beauftragung zu warten, bis sich die Entscheidung auf EU-Ebene klärt.

    Er hat dankend abgelehnt.

    Ein Verbrechen bleibt ein Verbrechen, selbst wenn es juristisch bestens abgesichert ist.

    • @tomás zerolo:

      Nur hätten die Auftraggeber im Falle eines Abwartens für den Fall einer Freigabe durch den EuGH halt nicht mehr fristgerecht liefern können. Die gesetzmäßige Frist wäre nicht eingehalten, die Firmen wären nicht schadenersatzpflichtig gewesen (siehe Toll-Collect) und alles wäre am Minister hängen geblieben.

      Es wäre einzig und allein der Gesetzgeber gewesen, der über eine Fristenverschiebung der gesetzlichen Fristen hätte entscheiden müssen. Meines Wissens hat keine Fraktion ein entsprechendes Gesetz eingebracht.

      Wo sollte da also ein Verbrechen sein?

  • Gell..bei BMW verdient der Andi doch viel.mehr.

    ..und da kann er seine Kontakte doch bestimmt gut nutzen..für noch viel schönere..und schwerere Autos..

    Wetten..??

  • Nur zur Erinnerung, Herr Scheuer unterzeichnete die Verträge auf der Grundlage eines Bundesgesetzes. Die darin benannten Fristen sahen keine Ausnahmen wegen eines etwaigen Gerichtsverfahrens vor. Hätte er das Verfahren verzögert, das Gericht das Gesetz nicht für rechtswidrig erklärt und wäre es dann zu Verzögerungen bei der Umsetzung gekommen, dann hätte sich Herr Scheuer durchsetzbaren Schadenersatzansprüchen ausgesetzt. Ein Minister kann die Fehler des Gesetzgebers nicht beheben.

    • @DiMa:

      Dann hätte er in den Vertrag einen Passus aufnehmen müssen, der den Schadenersatz regelt, falls die Maut durch eine Gerichtsentscheidung unmöglich wird. Das wäre dann z.B. ein einstelliger Mio-Betrag gewesen. Wenn ein Schaden möglich oder sogar absehbar ist, muss man ihn vorher schon begrenzen.

    • @DiMa:

      Sie schreiben selbst: Bundesgesetz.



      Es war nicht gottgegeben ider von einer höheren Macht legitimiert.



      Der Bundestag hat es auf massives Betreiben der CSU hin beschlossen.



      Das mindert vielleicht Scheuers persönliches Verschulden, aber nicht den verheerenden Einfluss seiner Partei.



      Man kann sicher auch einen Rechtsvorbehalt jn einen Vertrag aufnehmen. Das ist auch nicht geschehen.

      • @Carsten S.:

        Solche Rechtsvorbehalte gibt es in keinen öffentlichen Verträgen. Dann hätten die Auftragnehmer auch keinen Finger krum gemacht und wären nie fristgerecht fertig geworden, wenn das Gericht Freigbe erteilt hätte.

        Der Minister ist nicht der Gesetzgeber, die CSU ist nicht Gesetzgeber (sondern nur ein Teil dessen), keine einzige Fraktion hat versucht, das Gesetz anzupassen (auch nicht die Opposition).

  • Mit 22 Jahren Bundestagszugehörigkeit, zwischendrin mal kurz Chaos Minster, hat er trotz gigantischem Schaden für das Land mehr Ansprüche auf Rente erworben, als eine vielköpfige RentnerInnen-WG. Kein Wunder, wenn das neue deutsche Mantra lautet: Leistung lohnt sich nicht.







    Im Bundestag wird er keinen (direkten) Unfug mehr anstellen können, aber sicher wird er als Chef-Lobbyist irgendwo wieder in Erscheinung treten, der Schaden für das Land könnte also noch ausbaufähig sein.

    Eines muss man ihm aber lassen. Wenn auch aufgrund bescheuerter Politik, er dürfte einer der wenigen ehemaligen und aktuellen Minister sein, die der großen Mehrheit der Wähler bekannt sind. Wem fielen schon ohne längeres Nachdenken die Namen der Ministerinnen für "Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz", für "Bildung und Forschung" oder gar für "Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" ein. Und selbst stark Politikinteressierte hätten vermutlich Probleme, bei 3 vorgeschlagenen Namen denjenigen zu finden, der derzeit Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes ist.

    • @Torben2018:

      Das qualifiziert ihn glatt für den Bahnvorstand.

      • @Carsten S.:

        Bei UBER ist er besser bezahlt und aufgehoben. Die stehen ja für den Marktzugang nach D und für die Reform, einige sagen Verwässerung, des Personenbeförderungsgesetzte in seiner Schuld.

        Oder irgendein E-Roller-Bereitsteller, diese Seuche haben wir auch ihm zu verdanken.

  • Konsequenzen? Keine.

    Andere kommen fürs Schwazrfahren in den Knast.

  • Danke Herr Scheuer, dass man sie in der Bundespolitik nie mehr sieht - gut fürs Land.



    Am besten gründen sie eine Wohngemeinschaft mit Karl-Theodor zu Guttenberg, den will auch keiner mehr in Berlin sehen.

  • Das Maut-Desaster hat vor allem Angela Merkel zu verantworten. Sie war nicht nur Scheuers Chefin, sie hat auch die unerfülbaren Bedingungen gesetzt, an der man nur scheitern konnte.

    • @Gorres:

      Als Bundesminister wird man in aller Regel nicht mitvorgehaltener Waffe gezwunfen, irgendwelchen Bockmist zu machen.



      Einfache Abgeordnete sind in Deutschland üblicherweise nicht von akuter Verelendung bedroht.

    • @Gorres:

      da wäre ich mir nicht so sicher. Denn das Mautgesetz wurde unterzeichnet aufgrund des CSU-Wahlkampfes und der Wahlkampfankündigung, dass die Maut kommt. Darin sehe ich auch die Mitverantwortung des Ministers und seiner Partei. Zumal das Gesetz vom CSU-Andi eingebracht und vorangetrieben wurde. Es wäre sicherlich nicht so früh unterzeichnet worden, wenn Herr Minister Zweifel an der Rechtsgültigkeit geäussert hätte.



      Stellt sich abschließend die Frage, ob der Gutachter vielleicht Nebenberuflich Taxifahrer in der Heimatgemeinde vom Andi ist.



      Immerhin ist der Andi nach dem Urteil folgerichtig zumindest den dokumentierten Rücktrittsforderungen nachgekommen.