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Stichwahl für OberbürgermeisterpostenNordhausen droht rechter Prophet

AfD-Kandidat Prophet könnte neuer Oberbürgermeister von Nordhausen werden. Eine geschlossene Wahlempfehlung für den Konkurrenten gibt es nicht.

Schon halb Bürgermeister in Nordhausen? AfD-Kandidat Jörg Prophet Foto: imago

Leipzig taz | Drei Monate nachdem die AfD im thüringischen Sonneberg ihre erste Landratswahl gewonnen hat, könnte sie ihr nächstes kommunales Spitzenamt bekommen. Am Sonntag wird in Nordhausen, einer 41.000-Einwohner:innen-Stadt im Norden Thüringens, ein neuer Oberbürgermeister gewählt – und die Chancen stehen nicht schlecht, dass die AfD gewinnt.

Der AfD-Kandidat Jörg Prophet erhielt im ersten Wahlgang mit 42,1 Prozent die mit Abstand meisten Stimmen. Der parteilose Amtsinhaber Kai Buchmann kam auf 23,7 Prozent. Weil keiner der beiden mehr als 50 Prozent erreichte, treten sie am Sonntag in einer Stichwahl gegeneinander an. Die SPD-Kandidatin erhielt 18,6 Prozent, der CDU-Kandidat 11,2 Prozent, die Kandidaten von Grünen und FDP blieben einstellig.

Jörg Prophet ist AfD-Fraktionsvorsitzender im Nordhäuser Kreistag und Stadtrat. Der 61-jährige Unternehmer tritt bürgerlich auf, beschreibt sich selbst als „weltoffen“ und hält in der Öffentlichkeit Distanz zu Björn Höcke, dem Chef der rechtsextremen Thüringer AfD. Im Wahlkampf fokussierte Prophet auf lokale Themen. Sein rechtes Weltbild lässt er im Wahlprogramm nur stellenweise durchblicken, etwa wenn er von „Klimahysterie“ spricht oder davon, die „städtischen Interessen beim Thema Migration“ konsequent durchsetzen zu wollen.

Der Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, machte vor wenigen Tagen darauf aufmerksam, dass Prophet sich regelmäßig antisemitischer und geschichtsrevisionistischer Stereotype bediene. Eines seiner Schriftstücke sei im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2021 intensiv behandelt worden. Das Internationale Auschwitz-Komitee äußerte sich zudem sehr besorgt angesichts eines möglichen AfD-Oberbürgermeisters in Nordhausen. Der Wahlsieg eines „lupenreinen Rechtsextremisten“ wäre für Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager so, als ob ihre Befreiung und ihr Leben danach infrage gestellt würden, erklärte das Komitee.

KZ-Überlebende in großer Sorge über möglichen AfD-Wahlsieg

Schon die Tatsache, dass ein Bewerber der AfD große Wahlchancen habe, verschütte die Wege des Vertrauens, die über viele Jahre entstanden seien. Vielen der Überlebenden sei diese Region mittlerweile vertraut und lieb geworden. Besonders jene unter ihnen, die nach ihrer Befreiung aus Buchenwald oder Mittelbau-Dora zu Menschen in diesen Regionen Beziehungen entwickelt und auf einen neuen Anfang vertraut hätten.

Prophets parteiloser Konkurrent Buchmann hat in Nordhausen nicht den besten Ruf. In seinen sechs Jahren Amtszeit legte er sich öfter mit dem Stadtrat an. Im Frühling war Buchmann vorläufig suspendiert worden, nach einem Verwaltungsgerichtsentscheid ist er seit August wieder im Amt. Der Landkreis wirft ihm vor, Stadtratsbeschlüsse nicht umgesetzt zu haben. Außerdem soll er seine Stellvertreterin Alexandra Rieger (SPD) gemobbt haben.

Die Grünen sind die einzigen, die als Partei explizit zur Wahl von Kai Buchmann aufrufen. „Nordhausen steht für vieles: Kultur, Industrie, Hochschule und nicht zuletzt auch für seine historische Verantwortung gegenüber den Opfern des Faschismus“, sagte Max Reschke von den Thüringer Grünen. Die Vorsitzende der Grünen-Stadtratsfraktion Sylvia Speer findet, Buchmann habe eine zweite Chance verdient, sich das Vertrauen wieder zu erarbeiten.

Die Nordhäuser SPD unterstützt Kai Buchmann nur indirekt. Sie ruft die Wäh­le­r:in­nen lediglich dazu auf, nicht die AfD zu wählen. Klarer hingegen positioniert sich der Thüringer SPD-Chef Georg Maier. „Bitte wählen Sie demokratisch. Keine Stimme der AfD! Bitte geben Sie Kai Buchmann Ihre Stimme zur Wahl in Nordhausen“, steht auf einem Bild von Maier, das die Thüringer SPD auf X, ehemals Twitter, postete.

Keine klare Wahlempfehlung von CDU und FDP

Die Nordhäuser CDU gibt ebenfalls keine explizite Wahlempfehlung für den Amtsinhaber ab, dafür habe es intern keine Mehrheit gegeben. „Auch wir hatten keine schmerzfreie Zeit mit Herrn Buchmann“, sagt der CDU-Ortsvorsitzender Stefan Nüßle der der taz. Unabhängig davon hätten die Wahlergebnisse aus Sonneberg gezeigt, dass Wäh­le­r:in­nen „Ratschläge und Bevormundungen satt haben“. Die CDU fordert die Bür­ge­r:in­nen nur dazu auf, wählen zu gehen.

Auch die Nordhäuser FDP teilte auf Anfrage mit, „keine spezielle Wahlempfehlung“ abzugeben. „Als liberale Partei sind wir überzeugt, dass die Wähler mündig sind und ihre Wahlentscheidung eigenständig treffen werden“, erklärt der Ortsverband. Und betonte, dass die FDP-Stadtratsfraktionen der vergangenen Legislaturperiode „gut und konstruktiv“ mit Buchmann zusammengearbeitet hätten.

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24 Kommentare

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  • Wen der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Prophet.

    Wenn der Prophet die o.b. Wahl in Nordhausen gewinnt, dann wird Bernd Höcke auch zum Gratulieren vorbeikommen. Da ist es sicher vorbei mit der Distanz des Propheten.

  • ...und die Grünen raffen es nicht. Wer im Osten von denen unterstützt wird, hat keine Chance. Sie hielfen Buchmann mehr, wenn sie einfach niemanden unterstützten bei der Stichwahl.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    1.. Im Thüringenvergleich liegt der Landkreis Nordhasusen auf dem



    vorletzten Platz hinsichtlich des verfügbaren Einkommens der



    privaten Haushalte je Einwohner.

    2.. Überalterung und Abwanderung ist das grösste Problem

    3.. Die Stärke der AfD - so auch die relative Stärke von Prophet - ist in ein Paradox: Die Partei steht in fast allen Politikbereichen, sei es Wirtschaft, Steuern, Sozialsysteme oder Klimaschutz, für Positionen, die den eigenen Wählerinnen und Wählern schaden. So würde die Beschneidung der Sozialsysteme Geringverdienende und Bürgergeld-Empfängerinnen treffen, die in der AfD-Wählerschaft überproportional vertreten sind.

    Die AfD-Politik würde sie sogar stärker benachteiligen als die Politik der anderen in den Parlamenten vertretenen Parteien.

    Die AfD war dagegen, den Mindestlohn auf zwölf Euro zu erhöhen, genauso wie gegen einen besseren Schutz von Mieterinnen und Mietern durch eine effektive Begrenzung von Mieterhöhungen. In Bayern lehnte sie es jüngst ab, den Anteil von Sozialwohnungen bei Neubauten zu erhöhen.

    In Thüringen ist sie mit der FDP die einzige Partei, die sich gegen eine feste Quote von Sozialwohnungen bei großen Wohnungsbauprojekten ausgesprochen hat.

    Sind in Nordhausen die Prophet Wähler Sado - Masochisten, Faschisten oder aussergewöhnlich schlecht informiert?

  • Erhellend zu der Causa ist der Kommentar von Hans aus Jena hier: taz.de/Oberbuerger...rdhausen/!5959139/ .

  • Naja, wenn man sich die Mühe macht mal bzgl. der Aussagen von Prophet, die der Verfassungsschutz behandelt, zu überprüfen wird vom VS einiges an eine sehr hohe Glocke gehängt und sehr großzügig negativ ausgelegt. Vor allem beim Thema Dresden, Rheinwiesenlager etc., wo ersichtlich ist das der Verfasser des VS-Berichtes nur ein sehr eingeschränktes Wissen zu diesen Themen hat.

    • @SeppW:

      Sie meinen die Rheinwiesenlager, die Bombardierung Dresdens seien keine direkte Konsequenz aus dem von Deutschland losgetretenen Krieg gewesen?

      Der Autor der Verfassungsschutzes argumentiert, dass vermeintliche alliierte Kriegsverbrechen von Prophet instrumentalisiert werden, um Deutsche als ewige Opfer darzustellen und daraus wiederum die Notwendigkeit zum politischen Kampf gegen linke Eliten abzuleiten.

      Wo liegt der VS denn da falsch?

  • Man bekommt, wer mehrheitlich gewählt wird, Punkt. So ist das eben in einer Demokratie.



    Warten wir ab.

    • @Filou:

      "Man bekommt, wer mehrheitlich gewählt wird, Punkt - so enden Demokratien."

      Fixed that.

    • @Filou:

      Jo. So wie damals, als Adolf per demokratischer Wahl an die Macht kam.

      • @Kaboom:

        Na ja, ein Ermächtigungsgesetz wie in der Weimarer Rebublik in unserer Verfassung glücklichersweise nicht vorgesehen und falls die AfD den demokratischen Rechtsstaat abschaffen will hat die Justiz und die Polizei den Auftrag einzuschreiten da der §20 des Grundgesetzes auch mit 2/3 Mehrheit nicht abgeschafft werden darf und ich bin zuversichtlich, daß dies auch geschehen würde.

        • @Suchender:

          Och, man kann - auch das steht im GG (Art. 146)- ganz legal eine neue Verfassung bauen. Und zu Wahlen / Abstimmungen hatte ja schon Lenin alles Notwendige gesagt.



          Und was nun die Mehrheiten im Parlament angeht: Bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz waren die Kommunisten ja nicht zugegen. Und es ist bekannt, warum.

        • @Suchender:

          Das übernimmt dann der selbstgerechte Mob auf der Straße der sich dann ermächtigt fühlt auf Minderheiten los zu gehen. Justiz und Polizei machen zur Zeit nicht gerade den Eindruck das sie da wirksam einschreiten würden. Die jagen lieber Klimaaktivisten und faseln von der Gefahr von links.

  • Lasst ihn doch Bürgermeister werden, wenn er auf demokratischem Weg zu diesem Amt kommt. Was kann passieren? Wenn er sein Amt nicht gut führt, werden die Wähler das beim nächsten Mal quittieren. Das ist wie früher bei den Grünen: Opposition ist einfach, ein Amt zu begleiten ist dagegen eine ganz andere Rolle, die man erst einmal lernen muss.

    • @wollewatz:

      Was für eine typisch ostdeutsche Haltung. „Maik ist eben Nazi, lass ihn doch, das ist eben seine Meinung.“

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @wollewatz:

      ""Lasst ihn doch Bürgermeister werden, wenn er auf demokratischem Weg zu diesem Amt kommt.""



      ==



      Wie oft denn noch?

      Die Zeit des Nationalsozialismus in Thüringen dauerte von der ersten Regierungsbeteiligung der NSDAP in Thüringen von 1930 (viel früher als anderswo) bis zum Zusammenbruch des NS-Staates mit der Besetzung Thüringens durch US-amerikanische Truppen im April und Mai 1945.

      Mit der Bildung der „Baum-Frick-Regierung“ 1930 stellte die NSDAP ERSTMALS in der Weimarer Republik in einer Landesregierung zwei Regierungsposten. Der spätere Reichsinnenminister Wilhelm Frick erhielt das Amt des Innen- und Volksbildungsministers in Thüringen. Hinzu kam Willy Marschler als Staatsrat ohne Ressort. Diese erste Regierungsbeteiligung wurde von Hitler ausdrücklich als großer Erfolg gelobt und als Experimentierfeld bezeichnet.

      So fing das Grauen in Thüringen 1930 an - völlig demokratisch - ging dann weiter mit der 6.Landtagswahl 1932 in der die NSDAP mit 42,5% gewann.

      Ein sogenannter Fritz Sauckel wurde 1927 Gauleiter des NSDAP-Gaues Thüringen - der erheblich nicht nur am grausamen Spuk in Thüringen beteiligt war sondern auch an vorderster Front anderswo.

      Das Grauen endete mit der Hinrichtung von Sauckel nach einem Urteil gefällt in den Nürnburger Kriegsverbrecherprozessen.

      Soviel zum Thema Demokratie - wobei die Geschichte dem Wähler helfen sollte, sein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.

      Das gilt für alle Wähler in der Bundesrepublik - aber für Thüringen ganz besonders, da ein gerichtlich bestätigter Faschist schon wieder bereits im Landtag in Erfurt sitzt.

    • @wollewatz:

      "Keine klare Wahlempfehlung von CDU und FDP"



      Nicht mal zu einer Anti-Empfehlung gegen die AfD können sie sich durchringen.



      Brandmauer, hm?

    • @wollewatz:

      "Lasst ihn doch Bürgermeister werden, wenn er auf demokratischem Weg zu diesem Amt kommt. Was kann passieren? Wenn er sein Amt nicht gut führt, werden die Wähler das beim nächsten Mal quittieren."



      Ohne jetzt apokalyptische Szenarien aufmachen zu wollen, aber das ist sowas von geschichtsvergessen...



      Wie kam Hitler doch gleich an die Macht?

      • @Encantado:

        Sie setzen die AfD mit der NSDAP gleich?

        • @wollewatz:

          Eine Partei mit anerkanntermaßen aktivem rechtsextremem Gedankengut?



          Ich glaube die Antwort erübrigt sich.

    • @wollewatz:

      Bei der AFD handelt es sich um eine in weiten Teilen rechtsextreme bis faschistische Partei, da verbietet sich ein Vergleich mit den Grünen, auch mit der Zeit ihrer Anfänge als 'Grünschnäbel'.



      Und dieses nonchalante 'lass man ihn halt erst mal machen' verkennt in blindem Relativieren, dass zwar ein Amt durch eine demokratische Wahl erreicht wurde, aber mit Aussagen und Parolen, die jeglichen demokratischen Wertekanon vermissen ließen.



      Auf so ein Experiment sich einzulassen, ist in höchstem Maße fahrlässig, aber natürlich leider nicht auszuschließen.

  • Das gefähliche und bedrohliche 'Wiedererstarken' von Rechts erinnert mich medizynisch metaphorisch an Varizellen: Das Stigma der Narben noch im Gesicht und im Spiegel jeden Tag vor Augen, kommt es bei mangelnder Immunität zum erneuten Ausbruch, dann aber akut schmerzhaft und für manche Personen mit ernsten Konsequenzen. Was da hilft? Konsequentes Impfen gegen die Erreger (und engen Kontakt mit Infizierten vermeiden).



    /



    "Studie zu Impfstoff gegen Gürtelrose: Er beugt auch Demenz vor"



    /



    taz.de/Studie-zu-I...rtelrose/!5937135/

  • Das Problem dieser widerlichen Entwicklung ist nicht zuletzt auch in der Unentschlossenheit einiger demokratischen Parteien auszumachen, vehement und eindeutig gegen die AFD und deren Kandidaten Stellung zu beziehen. Wenn diese nichtmal in der Lage sind, eine Wahlempfehlung für den Gegenkandidaten auszusprechen, muss sich niemand übers Ergebnis wundern. Das dumme Geschwätz von 'Brandmauern', die in Wirklichkeit nur wacklige Raumteiler waren und sind, lässt einen schier verzweifeln. Sicherlich kann der gemeine Wähler sein Kreuzchen beim Gegenkandidaten auch ohne Empfehlung machen, doch viele werden sich sagen, wenn die andern nichts sagen, kann der AFD'ler schon nicht so schlimm sein.



    Ein Offenbarungseid demokratischer Integrität

    • @Klaus Waldhans:

      Hut ab, Sie trauen dem Wähler aber eine Menge zu! Sie glauben ernsthaft, dass sich jemand von Wahlempfehlungen leiten lässt? Dann haben Sie die Wähler im Allgemeinen, und den Osten im Speziellen, überhaupt nicht verstanden. Wie es im Artikel ganz richtig steht: Die Leute haben die Bevormundung satt. Was im Übrigen auch ein Grund dafür ist, dass die AfD immer stärker wird.

    • @Klaus Waldhans:

      "Wenn diese nichtmal in der Lage sind, eine Wahlempfehlung für den Gegenkandidaten auszusprechen..."



      Naja, soo lecker liest sich das oben über den Gegenkandidaten nicht gerade. Da könnte aus der "Wahlempfehlung" schnell eine für die AfD werden...