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Abgesetzter BSI-Chef ausgespäht?Faeser wird Schönbohm nicht los

Der Bundestag widmet sich in Sondersitzungen dem Fall des abberufenen BSI-Chefs Schönbohm – und die Innenministerin bleibt fern.

Arne Schönbohm Foto: Oliver Langel/imago

Berlin taz | Nancy Faeser wird die Causa Arne Schönbohm nicht los. Am Donnerstag kam der Innenausschuss des Bundestags zum zweiten Mal binnen einer Woche zu einer Sondersitzung zusammen, um den Umgang der Bundesinnenministerin mit dem früheren Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu besprechen. Die Union wollte dabei auch klären, ob Faeser das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Schönbohm angesetzt hatte.

Schönbohm war im Oktober 2022 als BSI-Chef abberufen worden, nachdem der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann ihm eine Nähe zum russischen Geheimdienst unterstellt hatte. Die Vorwürfe ließen sich später nicht erhärten. Seit Jahresbeginn ist Schönbohm nun Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung. Und klagt inzwischen gegen das Innenministerium auf Schadensersatz. Der Vorwurf: Mobbing.

Zuletzt hatte die Bild einen Vermerk von diesem Frühjahr aus dem Innenministerium zur Prüfung eines Disziplinarverfahrens gegen Schönbohm veröffentlicht. Darin heißt es, dass Faeser die im Ministerium zusammengetragenen Vorwürfe gegen Schönbohm als „zu dünn“ bezeichnete. Die angebliche Aufforderung: „Wir sollten nochmals BfV [Bundesamt für Verfassungsschutz, d.R.] abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen“. Die Bild und Union witterte darauf eine Instrumentalisierung des Geheimdiensts gegen Schönbohm.

Bereits am Dienstag hatte die Union deshalb eine Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag einberufen. Faeser, die momentan auch SPD-Spitzenkandidatin bei der Hessen-Wahl ist, ließ sich dort indes aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen. Vertreten wurde sie durch ihre Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Die Union kritisierte das Vorgehen, weil Faeser am selben Tag ein Interview gab.

Faeser beklagt, sie werde „mit Dreck“ beworfen

Auch auf einer zweiten Sondersitzung am Donnerstag fehlte Faeser. Ihr Ministeriumssprecher begründete dies diesmal damit, dass die erhobenen Fragen bereits am Dienstag „umfassend erörtert und beantwortet worden“ seien. Am Nachmittag sprach Faeser dann im Plenum des Bundestags zur Haushaltsdebatte. Dort beklagte sie, dass die Union sie wegen des Hessen-Wahlkampfs mit „Dreck“ bewerfe. Und sie versicherte: Gegen Schönbohm seien zu keinem Zeitpunkt nachrichtendienstliche Maßnahmen durchgeführt worden.

Ein Sprecher Faesers erklärte, bei dem Vermerk sei es um eine Vorprüfung zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Schönbohm gegangen. Diese Vorprüfung sei „nach den gesetzlichen Grundlagen erfolgt“. In einer Vorprüfung würden stets belastende und entlastende Umstände geprüft und dafür auch vorhandene Erkenntnisse anderer Behörden abgefragt.

CDU-Innenexperte Alexander Throm erklärte dagegen, es sei noch immer nicht geklärt, ob Faeser den Geheimdienst gegen einen unliebsamen Beamten instrumentalisiert habe. Dass die Innenministerin erneut dem Innenausschuss ferngeblieben sei, sei deshalb „mehr als respektlos“, so Throm zur taz. Dem Parlament und Bürgern stehe es zu, dass sich Faeser persönlich zu dem schwerwiegenden Verdacht äußere. „Es wäre in ihrem eigenen Interesse, dieses Schmierentheater zu beenden und endlich für die nötige Aufklärung zu sorgen.“

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17 Kommentare

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  • Hier wäre eine lückenlose Aufklärung wünschenswert. Wir müssen in Deutschland ohnehin mal über das Thema Mobbing reden. Da bietet sich so ein öffentlicher und sicherlich gut belegter Fall geradezu an. Warum haben wir kein Gesetz gegen Mobbing? Wie kann es sein, dass solche Praktiken in einem Ministerium überhaupt möglich erscheinen? Gäbe es solche Praktiken dann nur nur im Innenministerium oder auch in anderen Behörden? Anderswo stand, dass einzelne Führungskräfte des Ministeriums direkt verklagt wurden. Was sind das für Leute, wo kommen die her und was wird ihnen zur Last gelegt?

  • Die unglückliche Entlassung des BSI-Chefs Schönbohm fällt ihr jetzt auf die Füße. Und das ganze nur wegen eines Fernsehbeitrags eines Möchtegern-Satirikers. Ohne wirkliche richtige Prüfung der Angelegenheit.

  • Was bei der ganzen Böhmermann-Geschichte untergegangen ist:

    Schönbohms Job war, Firmen aus seinem eigenen Lobbyverband diejenige Zertifizierung auszustellen, mit der sie Zugang auf sensible Regierungs- und Verwaltungsdaten bekamen:



    www.golem.de/news/...e-1512-118160.html

    Ja, auf EURE personenbezogene Daten.

    Platt gesagt: der hat entschieden, welche Privatunternehmen die Bevölkerung bespitzeln dürfen.



    Und er ist Interessenvertreter einer Vereinigung von Firmen, die Überwachungsoftware produzieren.

    Dass er den Job erst loswurde, als eine dieser Firmen in Verdacht geriet, ein Briefkastenunternehmen des FSB zu sein, lässt auf die Verhältnisse der Merkel-Republik tief blicken: Eine Offenlegung der Kriterien, nach denen Schönbohm den Job bekommen hat, verweigerte die Bundesregierung damals mit Verweis auf die Sicherheit der BRD.

    "Dass nun ausgerechnet derjenige, der vor einigen Wochen noch am härtesten gegen das IT-Sicherheitsgesetz lobbyierte, exakt dieses Gesetz als Leiter des Bundesamts umsetzen soll, ist einfach absurd." (C. v. Notz)

    Das ist grad mal 8 Jahre her. War damals ein Riesenskandal. Als politisch aktiver Mensch sollte man doch in der Lage sein, sich so lange zurückzuerinnern?

    Offenbar nicht.

    Gut, dass der Kerl weg ist. Der war auch ganz ohne Russland-Connection eine Gefahr für die Bürger*innenrechte in diesem Land.

  • Wollte Böhmermann nicht Kanzler



    werden ? SPD-Mitglied ist er ja schon



    u. In dem er die Abberufung eines



    innenpolitischen Spitzenbeamten



    initiiert hat kann er ja auch



    Innenminister.

  • "Faeser beklagt, sie werde „mit Dreck“ beworfen"

    Ist das bereits 35 Jahre her?

  • Da sieht man mal wieder, wie wichtig das richtige Parteibuch ist, wenn es um die Berichterstattung geht.



    Aiwanger dominierte die Medienlandschaft, während Faeser kaum erwähnt wird

    • @Hennes:

      Genau. Liegt am Parteibuch. Nicht an den Unterschieden in den Vorgängen.

  • Die hatten schon vorher Differenzen, die Ministerin und der Amtschef: (10.10.22)



    /



    taz.de/BSI-Chef-Ar...Rauswurf/!5883746/



    /



    "Die Causa Schönbohm ist auch eine weitere Baustelle für SPD-Innenministerin Nancy Faeser. Man nehme den Fall sehr ernst, heißt es aus ihrem Haus. Das ist gut und richtig. Allerdings zogen Faeser und Schönbohm in der letzten Zeit nicht immer an einem Strang. Hackbacks, Chatkontrolle, offene Sicherheitslücken: Faeser ist nicht abgeneigt, diese Instrumente einzusetzen. Das BSI, auch Schönbohm, zeigte sich dagegen skeptisch. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorwürfe erst aufgeklärt werden, bevor es zum Rauswurf kommt."



    //



    rnd.de 20.10.22



    "So hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) freigestellt; entsprechende Pläne waren bereits eine Woche vorher publik geworden. Arne Schönbohm hat das Vertrauen der Frau verloren, deren Vertrauen er dringend braucht.

    Derlei kommt zwischen Ministerien und nachgeordneten Behörden häufiger vor. Bei Schönbohm kommt die Weltlage hinzu. Ihm wird mangelnder Abstand zum Cybersicherheitsrat Deutschland (CSRD) zur Last gelegt. Denn diesem Verein werden seinerseits zweifelhafte Verbindungen zu Russland nachgesagt. Und weil der 53-jährige Behördenleiter daraus aus Sicht der Ministerin nicht die nötigen Schlussfolgerungen gezogen hat, muss er gehen."



    Berufsrisiko, er ist auch sanft gelandet.



    Vertrauen ist in dieser Position obligat die Arbeitsplatzgarantie.



    Kein Vertrauen bedeutet Versetzung, ggf auch Ruhestand.



    Das ist ja keine kasuistische Rarität, die Liste ist lang.

    • @Martin Rees:

      Liggers. Vulgo - EDEKA-Vermerk & Elefantenfriedhof - Paradebeispiel -



      Bundesverwaltungsamt!;)(



      (ps was einem btw oft subobtimales entgegenschlug - schonn krass)



      Die Causa selbst bestätigt aber nur meine Einschätzung - brachial wie Reul - nur ist dieser hessische Besen weit gefährlicher •

      unterm—— Reminiszenz —-



      Aber wie sagte es einst der hambucher SDAJ-Versitzende über IM Ernst Bends “wir kommen - ha ha ha - “ - ?!



      “Chenossinnen un Chenossen - Wir haben schon drei Innenminister geschafft! Wir - werden auch diesen Innenminister schaffen!“



      ( vorher sprachen Baskenmütze Böll & Kapotthut Friedensklärchen;))



      Was allerdings nicht! zu erwarten steht!



      Ist bei Nancy Faency die sog. Benda‘sche Wandlung! Gelle.



      Vertrat dieser doch als Präsi Karlsruhe vehement & öffentlich die Entscheidung seines Senats über das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung!



      Weswegen die Exekutive noch heute IMs vorweg in die Tischkante beißen!



      (s.o.)!



      Und was Ernst Benda den EuGH-Präsi kostete: Arsch im Beinkleid. Gell.

      kurz - Was brauchen wir CDU/CSU & Arschlöchet für Deutschland - wenn doch so ein SPezialdemokratin vande Görg Ffm - im Sattel sitzt! Gelle.

      Na Mahlzeit

  • "Darin heißt es, dass Faeser die im Ministerium zusammengetragenen Vorwürfe gegen Schönbohm als „zu dünn“ bezeichnete. Die angebliche Aufforderung: „Wir sollten nochmals BfV [Bundesamt für Verfassungsschutz, d.R.] abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen“."



    Stimmt das denn? Da wurden tatsächlich die Vorwürfe Böhmermanns, der ja nun nicht wirklich Maßstab für Seriösität sein kann, unreflektiert übernommen und dann nachdem man Schönbohn öffentlich zersägt hat will man dann die Gründe hierfür nachträglich suchen?



    Frau Faeser scheint, nachdem sie unlängst für die Wiedereinführung für Sippenhaft geworben hat, ein bizarres Rechtsverständnis zu haben.

    • @Fritz.S:

      Man beachte das "nochmals". Und hat Sie "nochmal" suchen lassen? Mit welchem Ergebnis. Ach ja kann Sie ja nicht sagen. Die Sondersitzung des Bundestages hat sie ja ignoriert.

  • Wer hätte gedacht, dass neben den beiden Optionen weiter Innenministerin zu bleiben oder nach Hessen zu wechseln noch eine dritte Möglichkeit existieren könnte?



    Weiter so mit der Konfliktvermeidung, dann gibt es bald überhaupt kein Amt mehr.

  • "Die Vorwürfe ließen sich später nicht erhärten."

    Naja, das ist auch eher so das Narrativ der Union.

    Schönbohm ist Sohn des notorischen CDU-Rechtsaußens, dem wir zB zu "verdanken" haben, dass es kein Einwanderungsgesetz gibt, und der als Ostpreußen-Revanchisten-Kumpel und Verharmloser der Baseballschlägernazis auffällig geworden ist.



    Sein Sohn wurde vom AfD-Förderer und NSU-Vertuscher De Maizière ins Amt gehievt, obwohl die Fachwelt sich einig war, dass Schönbohm Junior keinerlei Qualifikation oder Sachkompetenz aufweist, dafür aber reichlich Verbindungen zur Rüstungs- und Digitalüberwachungsbranche.



    www.golem.de/news/...n-1602-119200.html

    Und die Lobbygruppe "Cyber-Sicherheitsrat Deutschland", für die Schönbohm als Türöffner fungierte, machte auf Nachfrage kein Geheimnis daraus, dass man mit Putins Teeköchen im Austausch sei.



    web.archive.org/we...-russland-101.html

    Böhmermann hat übertrieben, aber was *widerlegt* wurde, ist einzig und allein der Verdacht, dass die Protelion GmbH eine Tarnfirma des FSB ist.



    Aber noch nicht einmal *was* die Protelion GmbH ist, wurde geklärt:



    fragdenstaat.de/an...telion-software-1/

    Schönbohm hat den Job von der Putin-und Nazifreundefraktion in der Union an der Ausschreibung vorbei zugeschanzt bekommen. Auch das ist sicher: Der Mann ist unqualifiziert, aber er steht auf FSB-Methoden.

    Solange es noch so aussah, dass die Sache für Schönbohm keine Konsequenzen haben würde, stand die CDU/CSU übrigens als Allererstes parat, um mit dem Finger auf Leute zu zeigen. Jetzt haben sie das *natürlich* alles wieder vergessen:



    www.handelsblatt.c...irma/28747722.html

    Man hätte auch "Nella" fragen können.

    • @Ajuga:

      "Schönbohm ist Sohn des notorischen CDU-Rechtsaußens,"



      Wie bitte ?



      Die politischen Ansichten des Vaters sollen mitbegründen, warum der Sohn von seinem Posten entfernt wurde?



      Gehts noch?

  • Der Leiter einer wichtigen Bundesbehörde wird nach Äußerungen in den Medien, von der verantwortlichen Ministerin, aus dem Amt gemobbt.



    Dabei sieht sich die Politik und gerade diese Regierung dazu berufen, unter Verweis auf ihre moralische Autorität, dem Rest der Bevölkerung und hin und wieder der Welt, deren Fehler vorzuhalten. Gerade Frau Faeser ist sehr gerne bereit, alle anderen in die Schranken zu verweisen und sei die Grundlage noch so dünn, für Aktionismus taugt es doch.

    Herr Böhmermann genießt die künstlerische Freiheit des Pausenclowns und Provokateurs und er beherrscht die Kunst des Andeutens und Raunens, für investigativen Journalismus stand er nie.



    Auf der anderen Seite steht die sorgfältige Überprüfung, die für und vor der Besetzung von Stellen in sicherheitsrelevanten Behörden und Leitungspositionen steht.



    Wer hier auf Böhmermann setzt und die eigenen Behörden ignoriert, hat ein sehr merkwürdiges Verständnis vom Rechtsstaat und von der Verantwortung des Dienstherren gegenüber seinen Mitarbeitern.



    Die Wahrnehmung von Führungsaufgaben sollte anders aussehen.

    Interessant ist auch die Unfähigkeit, aus der Vergangenheit zu lernen. Wir haben da die Wörner-Kießling Affäre und den Umgang von Herrn Seehofer mit seinen Behördenmitarbeitern.

    • @Octarine:

      Der eigentliche Skandal ist aber das Böhmermann vor der Ausstrahlung mehrmals mit dem Innenministerium telefoniert hat und diese ihm bei den Recherchen unterstütz haben. www.msn.com/de-de/...e4bb7&ei=7#image=1

  • Augenscheinlich war es keine gute Idee, Herrn Schöhnbohm zu feuern und erst hinterher nach Gründen zu suchen. Üblicherweise macht man so etwas anders herum. Das wirft kein gutes Licht auf die Innenministerin. Ihr Versuch, einer parlamentarischen Auseinendersetzung persönlich auszuweichen, macht es nicht besser. Das letzte Zipfelchen Hoffnung auf eine Wende im Hessenwahlkampf dürfte dahin sein, als Bundesministerin dürfte ihr Ruf dauerhaft beschädigt bleiben.