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Nach Aufkündigung wegen kritischem TweetPolizei-Dozentin stellt Eilantrag

Bahar Aslan wurde nach einem Tweet der Lehrauftrag an der Polizeihochschule NRW entzogen. Sie wehrt sich mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Bahar Aslan wehrt sich Foto: privat

Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat die Lehrerin Bahar Aslan am Mittwoch vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einen Eilantrag gegen die Polizeihochschule NRW (HSPV) eingereicht. Diese entzog Aslan Ende Mai ihren Lehrauftrag für das kommende Wintersemester, nachdem sie in einem Tweet geschrieben hatte, dass sie bei Polizeikontrollen Herzrasen bekomme, weil ihr „der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden“ Angst mache. Daraufhin hat die Hochschule die Zusammenarbeit für das Wintersemester abgesagt.

Dagegen klagte Aslan mit ihrem Rechtsanwalt Patrick Heinemann bereits im Mai. Sie erzielten eine aufschiebende Wirkung. Im August erließ die HSPV einen neuen Bescheid auf einer anderen Rechtsgrundlage, der den Lehrauftrag erneut widerruft. Mit ihrem Eilantrag wollen Aslan und ihr Anwalt jetzt erneut „aufschiebende Wirkung“ erreichen. Das teilte eine Sprecherin der GFF auf taz-Anfrage mit.

Vor Einreichen dieses Eilantrags wurde Anwalt Heinemann deutlich: „Der Widerruf und die weiteren Bescheide lassen Aslans Grundrechte völlig außer Acht. Alle genannten Gründe sind an den Haaren herbeigezogen.“ Schon im Mai hatte er beklagt, man wolle seine Mandantin „bewusst missverstehen“. Aslan selbst meinte, es sei eigentlich Aufgabe der Polizei, People of Color zu schützen. Die Realität sehe aber „leider anders aus: Viele von ihnen haben Angst vor der Polizei.“ Indem sie diese Ängste öffentlich angesprochen hat, habe sie sich bei der Polizeihochschule zur „Persona non grata“ gemacht.

Polizei problematisiere öffentliche Kritik an ihr

In einer Pressemitteilung beklagte die GFF zudem, dass die Polizeihochschule das Muster fortsetze, „bei öffentlicher Kritik an polizeilichen Missständen deren Benennung zu problematisieren, anstatt das Problem anzugehen“. Die GFF führte dafür vor allem Meldungen über rechtsextreme Chats und rassistische Vorfälle in Sicherheitsbehörden an, die kaum angemessen aufgearbeitet würden.

Nur ein Beispiel: Ein Professor an der Bundespolizeiakademie Lübeck durfte jahrelang unterrichten, obwohl er einen Vortrag vor Menschen aus dem NSU-Umfeld gehalten hatte, vor einer „Afrikanisierung und Islamisierung“ warnte und gegen die Ehe für alle hetzte.

Im Juli hatte die GFF das Projekt „Mach Meldung!“ gestartet. Damit sollen Whist­leb­lo­wer*­in­nen innerhalb der Polizei besser geschützt werden. Laut Eigenaussage habe man bisher „viele Rückmeldungen bekommen“. Aslan erneuerte am Montag auf X (früher Twitter) ihre Kritik an Strukturen innerhalb der Polizei. Viele Rechtsanwälte würden davon abraten, Polizeibeamte anzuzeigen, „weil die Erfolgsaussichten gering sind“. Zudem bestehe das Risiko, selbst angezeigt zu werden.

GFF zuversichtlich über Erfolg der Klage

Gegenüber der taz äußerte sich die GFF zuversichtlich, dass die Klage erfolgreich wird. Wann das Verfahren abgeschlossen ist, könne noch nicht abgeschätzt werden.

Aslan hatte seit Januar 2022 das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ unterrichtet. Die HSPV begründete die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Mai der taz gegenüber damit, Aslan sei ungeeignet, eine „vorurteilsfreie, fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln“. Die Lehrerin entschuldigte sich später für ihre „unglückliche Wortwahl“. Auf aktuelle Fragen der taz antwortete die HSPV bis Redaktionsschluss nicht.

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16 Kommentare

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  • Die Äußerung "...Dreck" ist definitiv nicht akzeptabel und jemandem mit Lehrauftrag nicht verzeihlich. Dass dies als öffentliche "Beschmutzung" der gesamten Polizei empfunden wird, kann ich nachvollziehen, die Aussage ist zudem zu pauschal. Dies ist eines Akademikers nicht würdig, hier hätte man vorerst andere Interventionsmöglichkeiten erwartet, und nicht sofort die öffentliche Pressemitteilung. Es wurde zumindest ihrerseits nicht mitgeteilt, dass sie es intern versucht hätte.



    Als Angestellter kann man sich eine solche Vorgehensweise auch nicht erlauben, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen.

    Ich bin Deutsche, auch ich habe eine übergriffige Kontrolle mit grundloser Nötigung und Falschaussage seitens der Beteiligten 4 Polizisten erlebt, die wahrscheinlich durch Bestechung durch Anwohner oder alleine nur Frauenhass derart aggressiv durchgeführt wurde. Solche Übergriffe haben m.E. umfänglichere Gründe.



    Diese ausschließlich unter Rassismus zu betrachten und eine m.E. provozierte arbeitsrechtliche Entscheidung nun als Beleg von Rassismus zu deklassieren, ist nicht sachgerecht. Dies trifft m.E. auch nicht die Gesamtheit der Ursachen oder Missstände. Zudem ist die Aussage von Frau Aslan zu unkonkret, zu verallgemeinernd, sie teilt auch nicht mit, ob sie überhaupt übergriffige Polizeikontrollen o.ä. tatsächlich erlebt hat, die ihre Angst vor Kontrollen rechtfertigen oder verursacht hätten.

    Ich kann die Entscheidung des Arbeitgebers durchaus nachvollziehen und er wäre zudem nach dem bisherigen Mitteilungen auch rechtmäßig und würde auch bei derartigen Verhaltensweisen durch Deutsche Arbeitnehmer so ausfallen.

  • Untermauert der Entzug des Lehrauftrags nicht ihre Aussage?

    Also, dass es braunen Dreck innerhalb der Polizei gibt, das ist soweit glaube ich ziemlich unzweifelhaft klar.

    Sorry, ich kenne (leider) einen Menschen, der gerade die Ausbildung macht, und sich extrem unangemessen verhält - was vor dem Beginn seiner Ausbildung nicht so schlimm war, er hat sich definitiv stark in die rechte Richtung entwickelt - und das liegt dran, dass er dort entsprechende Gesellschaft hat. Seinen Erzählungen nach.

    Ich denke, das ist bewiesen. Da muss man nicht drüber diskutieren.

    Sie hat nun zu diesem allgemein bekanntem, kaum zu bezweifelndem, sicher richtigem Fakt noch die Info hinzugefügt, dass sie vor diesem braunem Dreck Angst hat.

    Der darauf folgende Entzug des Lehrauftrages zeigt wohl, dass man wirklich keine Rückendeckung aus dem Rest der Polizei hat, sondern wirklich Angst vor dem braunem Dreck haben muss.

    Zivilcourage Fehlanzeige.

  • Eins ist uns allen klar: Fremdenfeindliches Gedankengut, Rassismus, Diskriminierung jeglicher Art, hat in den Sicherheitsbehörden nichts zu suchen. Alle in der Polizei sollte uneingeschränkt hinter dieser Aussage stehen können und auch dafür eintreten, sonst ist man in diesem Land für den Job nicht geeignet.

    Ist das die Realität? Leider nicht zu 100%. Menschliche Systeme sind nicht perfekt.

    Frau Bahar Aslan hat nun mit ihrer Aussage, dass sie bei Polizeikontrollen Herzrasen bekomme, weil ihr „der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden“ Angst mache, genau das gesagt, was leider viele Mitmenschen erleiden, bei ganz normalen alltäglichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr. Es ist traurig, dass es so ist. Aber fußen diese Ängste auf tatsächliche, auch wahrscheinliche Gefahren? Ängste sind da, sie sind was sie sind, aber sie sind auch nicht immer realistisch. Negative Nachrichten verzerren das Bild.

    Die Studien der letzten Jahre zeigen, dass der Großteil aller deutschen Polizisten freiheitlich demokratische Grundwerte vertreten und Pluralismus gutheißen. Die Gefahr hier an einen rassistischen Polizisten zu geraten, der einen unbegründet anzeigt/demütigt/verletzt, ist somit sehr gering (wenn man den den Studien vertraut, wer diese einfach leugnet, ohne gute Gegenstudien, die kann ich eh nicht erreichen).



    Die Ängste sind leider trotzdem da. So sind Ängste halt. Sie verschwinden nur langsam und durch positive Erfahrungen.

    Frau Bahar Aslan jedoch sollte es besser wissen. Sie ist Beamtin und nebenberuflich Lehrbeauftragte an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung. Hat also sehr oft mit Polizisten oder zumindest angehenden Polizisten zu tun. Sie sollte wissen, dass man hier grundsätzlich erstmal keine Angst vor Kontrollen der Polizei haben braucht (außer wenn man über Rot gefahren ist. Dann wird es teuer.)

    Muss sie deshalb aber wegen dieser "unglücklichen Wortwahl" gleich entlassen werden? Ich denke nicht.

  • Frau Aslan ist Lehrerin an einer Hauptschule in bochum , an der Polizeifachhochschule hat sie 14 Stunden referiert. Im Jahr !!

    • @Martin Sauer:

      Sie meinen ganz bestimmt, daß der Vertrag von Frau Aslan dringend aufgestockt gehört ?



      Ich empfinde 14 Stunden ebenfalls als viel zu wenig. Da haben Sie absolut recht !

    • @Martin Sauer:

      Und was wollen Sie damit ausdrücken?

      • @hechtmaus:

        Das Sie an einer Schule unterrichtet mit braunem Dreck in den Klassen und dem Kollegium? Immerhin war Höckermen Lehrer.

      • @hechtmaus:

        Warscheinlich meint Herr Sauer, Frau Aslan soll wegen 14 Unterrichtsstunden im Jahr nicht so eine Faß aufmachen.



        So habe ich es verstanden.

  • Ich hoffe, Frau Arslans Rechtsmittel haben Erfolg. Die Formulierung im Tweet mag etwas unglücklich sein, aber die Konsequenzen waren meiner Meinung nach völlig unverhältnismäßig.

  • Einzelfälle, Einzelfälle.

  • Dazu wünsche ich Ihnen viel Glück, Frau Aslan !

  • Solche Verallgemeinerungen sind in der Regel wenig hilfreich.



    Eine Lehrkraft sollte das wissen. Auch der Umgang mit den sozialen Medien und den Folgen sollte ihr vertraut sein.

    • @H.L:

      Wenn es aber nun die Exekutive ist, die die Verallgemeinerungen begeht, indem sie bei Kontrollen immer diejenigen "bevorzugt", die anders sind als der mainstream ?



      Den/die Einzelne/n für die Dysfunktionalität der in Anführungszeichen sozialen Medien verantwortlich zu machen, geht auch an der Realität vorbei.

  • Man kann auch die Augen dazu verschließen, doch der 'braune Dreck' wird aus der Polizeibehörde nicht so ohne Weiteres verschwinden. (Hier nur zur Erinnerung: www.waz.de/staedte...-id236356413.html) Dazu kommen die Schüsse in Dortmund auf einen Afrikaner, dazu kommen weitere Vorfälle, die in den Medien bekannt wurden.

    Was aber noch mehr vergessen ist, vor Jahren riefen rechtsradikale Organisationen dazu auf, sich bei Behörden zu bewerben, um die Strukturen gezielt zu unterwandern. Dabei passt "Law and Order" durchaus zur rechten Kultur. Die NRW-Polizei sah sich zwar immun dagegen, doch wie Mülheim zeigt, diese Gedanken haben doch ihren Weg gefunden.

    Es scheint dagegen zweierlei Maß zu geben. Von denen, die rechte Posts weitergeleitet haben, wurden die wenigsten verurteilt. Auch für den Schützen von Dortmund gibt es überraschend viel Verständnis. Dagegen soll hier ein einziger Tweet zu einem quasi-Berufsverbot führen. Da der Inhalt eher allgemein gehalten ist, wird nicht klar, ob es allgemein um den Korpsgeist geht oder ob sich die Vorgesetzten selbst mit rechten Gedanken identifizieren und sich persönlich angesprochen fühlen.

  • Der Lehrauftrag ist für mich nachvollziehbar.