Waffen für die Ukraine: Alles, was nötig ist
Die Zeit Putins läuft ab. Aber unterschätzen sollte man ihn nicht. Er weiß, dass die Ukraine ohne unsere Unterstützung nicht siegen kann.
W ährend in Deutschland erbittert, aber zumeist noch im demokratischen Rahmen um den richtigen Weg im Kampf gegen die menschengemachte Klimakatastrophe gestritten wird, gibt es ein weiteres wichtiges Thema, das in den Hintergrund gerät: Es herrscht in der Ukraine Krieg.
Man könnte fragen, ob der kleinliche deutsche Heizzank angesichts eines existentiellen, Tod, Verstümmelung und Verheerung mit sich bringenden Freiheitskampfes nicht einen zu großen Raum in der öffentlichen Debatte einnimmt. Man könnte, ein Zitat des Dichters Gottfried Benn abwandelnd, sich hinreißen lassen, zu sagen: Klopapier horten und es schön warm haben – das ist die deutsche Vorstellung von Glück.
Aber dieser Versuchung gilt es aus zwei Gründen zu widerstehen: Zu groß ist das, was die Ukrainer:innen stellvertretend für uns ausfechten, als dass wir es egozentrisch in ein falsches Verhältnis setzen dürften; und zu gewaltig ist die Herausforderung, uns gegen die Klimakatastrophe wenigstens in unserer Republik zu stemmen, als dass wir es uns leisten könnten, an ihr kleinlich zu scheitern.
In jedem Konflikt ist es der größte, wie der wohl am häufigsten gemachte Fehler, den Feind zu unterschätzen. Insofern müssen wir Wladimir Putin Respekt zollen für seine grundsätzliche Analyse wie für seine aus ihr hervorgegangene jüngste politische Initiative: Der einzige Weg, den Konflikt zu beenden, sagte Putin am Dienstag, sei ein Stopp der Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine.
Freiheitsfeindlich, freiheitsmüde, freiheitszynisch
Und damit hat der russische Diktator vollkommen recht. Eine noch so heroisch kämpfende, leidende, ausharrende Bevölkerung in der Ukraine hätte keine Chance gegen die russische Kriegsmaschine ohne die fortdauernde Unterstützung mit Waffen, Geld und Material aus dem Westen, dessen berühmte und bei der Eurorettung maximal erfolgreiche Mario-Draghi- Devise ja nicht umsonst ist: „Whatever it takes“.
Und gleichzeitig ist die einzige Chance für Putin, aus seinem terroristischen Überfall auf das Nachbarland doch noch den erhofften Gewinn zu ziehen, die, darauf zu setzen, dass im Westen eine freiheitsfeindliche, freiheitsmüde, freiheitszynische Stimmung die Oberhand gewinnt; eine Stimmung, die dabei alle Freiheit hat und haben soll, sich auszudrücken, so armselig man sie und ihr Klientel auch finden mag.
Die Strategie ist dabei nicht neu. Seit Jahren fördert Putins Russland die Feinde der Demokratie im Westen, unterstützt rassistische, antifeministische, homophobe Gruppierungen und Personen – alles, was kleingeistig, feig und böse ist, kurz gesagt. Und weil die übergroße Mehrheit aber eben das gerade nicht ist, sondern stabil antifaschistisch und nicht so dumm, auf Putin reinzufallen, war und ist die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine so groß. Solidarität ist dabei, je länger ein Konflikt andauert, immer auch Schwankungen unterworfen. Das ist normal, und Putin gibt alles dafür, dass diese Schwankungen, je länger er den Krieg am Wüten hält, in eine qualitative Wende münden.
Militärisch, zeigt gerade die ukrainische Offensive, kann Russland diese Wende nicht herbeiführen, dank der löchrigen, aber trotzdem sehr wirksamen Sanktionen und der westlichen Waffen, die von Menschen angewandt werden, die keine Sklaven sein wollen – eine unschlagbare Kombination.
Russland habe einen eigenen Friedensplan für die Ukraine, hat Putin auch noch gesagt. Lassen wir nicht zu, dass dieser feige Zynismus Wirklichkeit wird.
Lassen wir nicht nach in unserer Unterstützung, geben wir der Ukraine weiterhin, was sie braucht, um den Albtraum schnell zu beenden – gerade weil der Weg in die Freiheit selbst schlimmer ist als alles, was wir uns in unseren noch nicht völlig ausgekühlten Wohnungen vorstellen können.
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