Streit über Heizungsgesetz: Klimapolitik statt Kulturkampf
Die einen blockieren Autofahrer:innen, die anderen das Heizungsgesetz. Damit Deutschland seine Klimaziele einhalten kann, muss einiges geändert werden.
D ie Berliner Ampelkoalition und die Letzte Generation haben eines gemeinsam: Beide machen Klimapolitik zurzeit zum Kulturkampf statt im Konsens.
Die einen blockieren Autofahrer:innen, die Ampel blockiert sich im Streit über das Heizungsgesetz gegenseitig. Das Gesetz für den Heizungstausch, technisch Gebäudeenergiegesetz, sollte bereits vom Bundestag beraten werden, doch die FDP klebte sich gewissermaßen vor den Reichstag mit der Ansage: Das Gesetz muss zurück in die Werkstatt.
Die Ampel steht im Stau, so wie Tausende Pendler:innen. Beides schadet dem Klima. Denn die Erderwärmung kann nur begrenzt werden, wenn am Ende alle mitziehen. Ohne den Gebäudesektor, wo 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen anfallen, auf neutral zu trimmen, wird es Deutschland nicht schaffen, die Klimaziele bis 2045 einzuhalten, sprich kein zusätzliches Gramm CO2 mehr in die Atmosphäre zu blasen. Die Ampel muss die Wärmewende also hinbekommen. Damit das gelingt, sollten gerade die Grünen einige Fehler nicht wiederholen.
Erstens: Nicht das Momentum verspielen. Als die Ampel im Frühjahr 2022 entschied, den Heizungstausch auf 2024 vorzuziehen, hatte Wladimir Putin gerade die Ukraine überfallen, die deutschen Gasspeicher waren nur noch zu einem Viertel gefüllt und alle hatten Angst zu frieren. Also raus mit den Gasheizungen, her mit den Alternativen.
Das Wirtschaftsministerium unter Führung von Robert Habeck arbeitet im Folgenden aber erst mal daran, den Gasmangel zu beheben. Ein gutes Jahr später erscheint es nicht mehr so dringend, die Gasheizung auszutauschen. Habeck ist Opfer des eigenen Erfolgs und hätte wohl schon im letzten Jahr Pläne für die Wärmewende vorlegen müssen.
Vielen anderen ist Klimaschutz auch wichtig
Zweitens: Den Eindruck vermeiden, Klimaschutz ist nur einem selbst wichtig, alle anderen hätten den Ernst der Lage nicht begriffen. Ein Mantra, das die Klimaaktivist:innen vor sich her tragen, das jedoch auch die Grünen ausstrahlen, mit ihrem „Wir sind wohl die Einzigen, die fürs Klima zuständig sind“. Das ist erstens falsch, auch SPD und FDP, Linke und die Mehrheit der Unions-Wähler:innen wollen Klimaschutz. Und zweitens produziert so eine Selbstanmaßung nur Verdruss und Widerstand.
Drittens: Klimaschutz sollte man nicht wie Medizin verkaufen, nach dem Motto: Schmeckt nicht, hilft aber. Verbote schmecken meistens scheußlich, auch wenn sie wie beim Gebäudeenergiegesetz erst mal für Neubauten gelten oder havarierte Heizungen betreffen. Auch die Grünen sollten mehr auf Anreize und Förderung statt auf gesetzliche Vorgaben vertrauen.
Habeck mag noch so sehr versichern, dass Wärmepumpen die derzeit effizienteste Technik sind, um Heizenergie klimaneutral bereit zu stellen – viele Menschen sind dennoch misstrauisch. Spätestens ab 2027, wenn der europäische CO2 Preis auch für Gebäude gilt und die Heizkosten zusätzlich in die Höhe treibt, werden auch die treusten Fans der Gasheizung anfangen, nach „Wärmepumpe oder Alternative“ zu suchen.
Und die staatliche Förderung dürfte die Einsicht noch verstärken. Selbst in Dänemark, wo schon vor zehn Jahren ein Verbot von Gas- und Ölheizungen beschlossen wurde, gibt es übrigens kein absolutes Verbot für neue Ölheizungen. Sie können auch jetzt noch eingebaut werden, wenn es keinen Anschluss an das Fernwärmenetz gibt.
Kommunen helfen, Stadtwerke klimaneutral machen
Das führt zum vierten Fehler, nämlich zu versuchen, bis ins letzte Häuschen vorzudringen, anstatt auf große Einheiten zu setzen. Noch mal zu Dänemark: Dort sind rund 70 Prozent der 2,6 Millionen Haushalte an das Fernwärmenetz angeschlossen. In Deutschland sind es knapp 10 Prozent.
Fernwärme als Alternative kommt derzeit viel zu kurz, das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung soll erst Mitte Oktober in den Bundestag. Es wäre gescheiter gewesen, das vorzuziehen und den Kommunen finanziell zu helfen, Stadtwerke klimaneutral zu machen und neue Fernwärmenetze zu schaffen. So könnten viele Haushalte zentral und klimafreundlich mit Wärme versorgt werden, anstatt viel Geld und Energie zu investieren, damit Millionen Menschen im Vorgarten eine Wärmepumpe hinpflanzen.
Und fünftens darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass hinter dem Klimaschutz alles andere zurückstehen müsse. Als Habeck das Heizungstauschgesetz vorstellte, hatte er zum sozialen Ausgleich nur Allgemeinplätze parat. Inzwischen haben die Grünen zwar mit einem Konzept nachgezogen, doch die Kampagne gegen den „Heizungs-Hammer“ lief bereits. Klimaschutz, den die Reichen sich leisten können und den die Armen ertragen müssen, spaltet die Gesellschaft. Noch mehr als es bereits der Fall ist. Klimaschutz und Soziales müssen zusammengedacht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Wahl in den USA
Sie wussten, was sie tun
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
SPD nach Ampel-Aus
Alles auf Olaf