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Willkür in RusslandJeder lebt in seinem Versteck für sich

Schon das Lesen unabhängiger Nachrichten in der Metro kann eine Haftstrafe nach sich ziehen. Furcht, Verbitterung und Unterwerfung bestimmen den Alltag.

Festnahme in Moskau: Unweit von hier wurde 2015 der Oppositionelle Boris Nemzow erschossen Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

Moskau taz | Der Grenzer wendet den Pass hin und her. Er seufzt, schaut zu dem Mann vor sich, der schaut zurück, nimmt sein Käppi ab, seufzt ebenfalls. Minutenlang steht der Mann an der Passkontrolle am Moskauer Flughafen Domodedowo. Immer wieder blättert der Grenzer durch die Seiten des roten russischen Passes. Wortlos.

Es ist mitten in der Nacht. Der Mann fängt an, Fragen zu stellen. Warum es so lange dauere, er wolle doch nur wieder zu Frau und Kind, von denen er an den Passkontrollschaltern getrennt worden sei. Sie seien zusammen in Antalya gewesen, am Meer spazieren, die Sonne genießen. Der Grenzer greift zum Telefon. „Folgen Sie mir“, sagt schließlich ein herbeigerufener Uniformierter. „Aber ich will doch nur nach Hause“, stottert der Mann.

Der russische Grenzschutz führt immer wieder Reisende in graue Räume ab. Ukrainischen Frauen stellt er Fragen nach ihrem Aufenthaltsstatus und ihren weiteren Plänen, russischen Männern nach geleistetem Militärdienst und dem Dienstgrad, ausländischen Jour­na­lis­t*in­nen nach ihren Verbindungen zur Ukraine und ihrer Haltung zum Krieg, den die Offiziellen niemals so nennen. Es kann jeden treffen, der Grenzübergang ist ein sichtbarer Teil der Willkür, die den Alltag in Russland prägt. Der Staat zeigt seine Macht, der niemand entkommt. Und er sät Angst.

„Sie haben ihn mitgenommen. Hoffentlich stecken sie ihm nicht gleich den Einberufungsbescheid zu“, sagt die Ehefrau des Abgeführten aufgeregt ins Telefon. „Wir waren doch einfach im Urlaub, haben nichts getan.“ Viele Rus­s*in­nen leben ein Leben, als ginge sie der Krieg nichts an – bis der Staat ihnen unmissverständlich klarmacht, dass sie ein Teil der Kriegsmaschinerie sind, letztlich Geiseln des Systems, das sie mittragen.

Relikt aus Sowjetzeiten

Die Frau weint ins Telefon. Ihren Mann kann sie nicht erreichen, ihr Kind hüpft zwischen den Koffern hin und her. „Man sollte lieber ruhig zu Hause hocken und sich bedeckt halten“, sagt sie dem Menschen am anderen Ende der Leitung, umarmt ihre Tochter und wartet an den Gepäckbändern zwischen Passkontrolle und Zoll.

„Bloß nicht aufmucken“ ist ein Satz, der die Sowjetzeit überlebt hat, bis heute bestimmt er das Leben vieler Menschen im Land. Er wird von Generation zu Generation weitergegeben. Die Menschen fügen sich dieser Haltung, der Satz hat sich als eine Art historisches Trauma in ihr Dasein geschlichen. Wie auch nicht, wenn die Vorfahren abgeführt und erschossen wurden, weil sie aufgemuckt hatten? Weil sie das falsche Aussehen, die falsche Nationalität, die falschen Ansichten hatten?

Jedes Aufmucken – und sei es nur ein kindliches Hinterfragen dessen, warum Zöpfe bei Mädchen im Kindergarten Pflicht sein sollen, oder ob nun wirklich jeder zum Schulausflug samt Kalaschnikow-Auseinandernehmen müsse – führt zur Vorführung und Erniedrigung dieses Aufmuckenden vor anderen. Es führt zum Bloßstellen, zum Aussortieren. Zur Ächtung von „Verrätern“, die angeblich das „Normale“ – das Traditionelle, das Einzigartige, das Russische – besudelt hätten.

Die Menschen in Russland lernen schnell, dass sie lediglich Ressource sind, vom Staat nach Belieben einsetzbar. Stellt das jemand in Frage und verlangt nach Menschsein, spürt er die Grenzen eines Systems, das der russische Politikbeobachter Andrei Kolesnikow mittlerweile als „hybriden Totalitarismus“ bezeichnet.

Keine Schamgrenze

Dabei gingen der allgemeine Gehorsam und die Gleichschaltung, die mittels Propaganda und Repression erreicht werde, mit freiwilligen Aktionen zugunsten des Staats einher. Denunzianten und Einverstandene bildeten so die Basis des Putin-Regimes. Erlaubt sei mittlerweile alles, es gebe keine Schamgrenze mehr, weil der Staat eine massenhafte Unmoral fördere.

Lehrerinnen ­beschimpfen ihre Schüler als „Nichts“, schreien sie an, sie gehörten erschossen, weil die Jungs bei einer Schulveranstaltung nicht mitmarschieren wollten. Schü­le­r*in­nen zeigen ihre Leh­re­r*in­nen an, weil diese angeblich das Handeln der Ukraine nicht vehement genug verurteilten. So ist es unabhängigen russischsprachigen Medien und Berichten von Organisationen zu entnehmen, die in Strafangelegenheiten helfen.

Väter zerren ihre Töchter zur Polizei, weil diese die „falsche“ Haltung verträten. Staatsmedien berichten über Kinder, die die Sowjetunion nie erlebt haben und Stalin besingen. Tiktok-Videos zeigen Kinder, die zum Spaß bei ukrainischen Kindern anrufen, um ihnen zuzuschreien, diese mögen doch endlich krepieren.

Das Koordinatensystem hat sich mit dem 24. Februar 2022 geändert. Wie das neue System aussieht und was es bedeutet, versteht niemand. Manche schlagen um sich, voller Aggressivität und Menschenverachtung, andere ziehen sich zurück, weil sie eingetrichtert bekommen haben, nicht aufzumucken.

Anklage wegen Terrorismus

Und weil sie gelernt haben, die Augen zu verschließen, weil Gleichgültigkeit sie vermeintlich schützt. Sie unterstützen das Regime, aktiv wie passiv, laut wie schweigend. Und sie akzeptieren das Land als Gefängnis, in dem niemand etwas darf, weil sonst etwas Schlimmes passieren könnte. Sie leben quasi im Versteck, je­de:r für sich.

Freies Denken in einem unfreien Land führt zum direkten Zusammenprall mit der Staatsmacht. Es führt in die Zelle. An dem russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, der eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok überlebte, führt der russische Staat gnadenlos vor, was geschieht, wenn einer, allen möglichen Warnungen zum Trotz, immer noch „aufmuckt“.

Er sperrt ihn in Einzelzellen, er lässt keine Ärzte und Verwandten zu ihm, nicht einmal Briefe seiner Kinder erreichen ihn. Der Staat überhäuft ihn mit immer wieder neuen Anklagen, nun auch wegen Terrorismus. Er droht mit lebenslanger Haft. Nawalny, gesundheitlich immer weiter geschwächt, hört nicht auf, sich für seine Rechte als Mensch einzusetzen, der Staat nimmt ihm langsam das Leben.

Wie er auch dem Moskauer Oppositionspolitiker Ilja Jaschin das Leben zu nehmen versucht, indem er ihn wegen „Diskreditierung der Armee“ für achteinhalb Jahre ins Gefängnis sperrt. Jaschin hatte in einer Youtube-Sendung über die Gräueltaten der russischen Armee in Butscha informiert.

Zerschlagene Opposition

Der Moskauer Kommunalpolitiker Alexei Gorinow bekam sieben Jahre Haft, ebenfalls wegen „Diskreditierung der russischen Armee“. Gorinow wagte es, einen Malwettbewerb für Kinder infrage zu stellen, während nicht einmal 1.000 Kilometer weiter ein Krieg tobt.

Der russisch-britische Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa wurde zu 25 Jahren Haft wegen „Staatsverrats“ verurteilt. Er hatte im Ausland den russischen Staat kritisiert. Lilia Tscha­ny­schewa drohen 12 Jahre Haft wegen Extremismus. Die 41-Jährige hat Nawalnys Organisation in Ufa, knapp 1.500 Kilometer östlich von Moskau, geleitet. Und Jewgeni Roisman, dem Ex-Bürgermeister von Jekaterinburg, drohen fünf Jahre Haft, ebenfalls wegen „Diskreditierung der russischen Armee“.

Doch längst trifft es nicht mehr nur Ver­tre­te­r*in­nen der zerschlagenen Opposition. Der Moskauer Juri Samoilow war mit der Metro unterwegs, als zwei Polizeibeamte erst sein Telefon sehen wollten und ihn dann abführten. 15 Tage Haft, weil er „falsches Material“ im Handy angeschaut haben soll. Ein Mitfahrer hatte ihn beim Lesen von Texten beobachtet, die Russlands Taten in der Ukraine hinterfragten. Er rief die Polizei.

In Krasnodar, nah der russisch-ukrainischen Grenze, hatten sich Olesja und Iwan Ow­tschin­ni­kow in einem Restaurant darüber unterhalten, welche Untaten in russischem Namen in der Ukraine geschehen. Die Polizei rückte an, warf sie zu Boden, ein Gericht ordnete 15 Tage Haft und eine Geldstrafe an. Die beiden hätten die russische Armee „diskreditiert“.

Ein Schwebezustand

Jede kritische Äußerung ist potenziell gefährlich. Was gestern richtig war, kann heute falsch sein und morgen wieder richtig. Es ist ein Schwebezustand, von Schikanen und Willkür geprägt, der Schadenfreude und Verbitterung hervorbringt. Die Menschen unterwerfen sich teils vollkommen gedankenlos der Apathie. Manche folgen ihren totalitären Reflexen, weil sie dadurch ein Gefühl des Zusammenhalts erleben. Die Verwerfungen sehen sie nicht.

„Wir leben, ohne das Land unter uns zu fühlen“, hatte der sowjetische Dichter Ossip Mandel­stam 1934 geschrieben. Die Zeilen führten zu seiner ersten Verhaftung. Sie sind heute erschreckend aktuell.

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27 Kommentare

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  • Einige Jahre habe ich mit Russen zusammen gearbeitet, Großteil aus Podolsk. Was mir sofort auffiel, war deren Unterwürfigkeit. Die Führung der Firma wurde selbst bei schlimmsten Fehlentscheidungen nicht hinterfragt. Als ich Betriebsrat wurde, konnte ich Russen nicht glaubhaft machen, dass ich einzig Arbeitnehmerinteressen vertrete.



    Mit dem Amt zählte ich für sie zur Betriebsleitung. Diese Russen waren absolut unterwürfig, mit einem Drang zum Opfereismus, aber sonst eigentlich ganz nett. Ich glaube Russen sind zurzeit überhaupt nicht Demokratie- fähig und fürchten sich vor der eigenen Courage - Sowjetmenschen noch durch und durch.

  • Natürlich ist es schlimm, was mit den Menschen in Russland passiert. Leider kennen sie es seit mehr als 300 Jahren oder noch länger nicht anders. Erst waren viele Leibeigene, dann kam der Zar, Stalin, Lenin der auch nicht besser war und später dann Brechnew bis hin zu Putin. Dieses Volk kennt nur Angst und Brutalität, kein Wunder, das so viele trinken. So kommt die Wirtschaft nicht auf Schwung. Man könnte auch aufbegehren aber da müssten mindestens 20 Mio. auf die Strasse, die alle erschiessen wagte sich nicht mal Putin. Wenn nur einige Hundert sich trauen, dann werden sie in Straflager deportiert. Hier fehlt es an Solidarität. Man kann nur hoffen, dass die junge Generation mutiger ist und gemeinsam dieses System zu Boden zwingt. Es funktioniert nur, wenn sich Millionen daran beteiligen, sonst müssen sie halt weiter in Angst und Schrecken leben, so furchtbar es auch immer ist. Die DDR musste sich auch alleine wehren, da half kein anderes Land.

  • Bei meiner Arbeit als Ingenieurin habe ich etliche Russen aus der sog. "Arbeiterklasse" kennengelernt. Was mir sehr nahegegangen ist, war die unglaubliche Passivität und Unterwürfigkeit dieser erwachsenen Männer. Als ob ich denen den Kopf abreißen wollte.

    Die Jahrhunderte dauernde brutale Unterdrückung hat diesen Menschen die Kraft zum Aufmucken geraubt. Bei uns gab es damals in den 70ern die Phase der antiautoritären Erziehung und Erziehung zum "mündigen Bürger", wisst ihr noch? In RU gab es das nie. Wir können uns gar nicht vorstellen, mit welchen Brachialmethoden, mit Demütigung und Prügeln schon den Kindern der Wille gebrochen wird. Bei uns kämen solche Kita-Betreuer und Lehrer in den Knast.



    Überlegenheit wird durch Gewalt ausgedrückt. Prügel für die Schwachen, Ducken vor den Stärkeren. Ich wundere mich nicht über die Gewaltexzesse im Ukraine-Krieg.

    Und dann fordern ein paar Leute im Westen, dass die Russen doch bitte auf die Straße gehen und gegen Putin demonstrieren sollen. Das macht man dort nur genau einmal.



    Die das fordern, sind oft die, die sich vor Angst ins Hemd machen, wenn sie ihrem Chef mal "nein" zu Überstunden sagen wollen.

  • Ich hoffe sehr, dass russland nach seiner Niederlage zerfallen wird. russland ist ein Kolonialreich, kein normales Land. Dass es sich heute in einen faschistischen Alptraum verwandelt hat, hat viel damit zu tun.



    Ein Leben in Würde, Frieden und Sicherheit wird es für die Menschen in Osteuropa und im heutigen russland wohl erst dann auf Dauer geben, wenn das, was heute russland ist, durch etwas anderes, menschengemäßeres ersetzt worden ist - was immer das sein wird. Aber russland ist unrettbar.

  • Keine Ahnung wie sich die daraus folgenden Verwerfungen (in Russland) gestalten würden..

    Aber grundsätzlich und langfristig gilt:

    -> das beste was der russischen Gesellschaft passieren kann, ist...daß die Ukraine diesen Krieg gewinnt..

  • +++Schon das Lesen unabhängiger Nachrichten in der Metro kann eine Haftstrafe nach sich ziehen+++

    Nur ist der ruf nach dem starken Mann in Russland groß.



    Gorbatschow war für die meisten Russen ein Verräter, obwohl gerade Gorbatschow für den zerfall der Sowjetunion am wenigsten konnte, der Fehler liegt ja eher im System.

    Die macht Putins stützt sich auch auf dem Phantomschmerz der Sowjetunion, die Bevölkerung in Russland lebt in Armut, aber das ist wohl weniger schlimm, als das streben danach, eine Großmacht zu sein, egal wie, die Hauptsache, viele Menschen unter einem Dach und Zentral gesteuert.

    Was aber auch immer wieder scheitern wird, selbst wenn Putin Russland mit Gewalt vergrößert und noch und nach Länder einnehmen würde (Ukraine, Moldau, Baltikum usw.), so ist der Drang der Menschen nach Freiheit und Identität größer. Auf Dauer würde auch ein solches Konstrukt zerfallen .

    Sowjetunion 2.0, ein Traum von Putin, für den viele Menschen Sterben müssen, weil Putin es so will, ohne Sinn und Verstand.



    Putin führt einen brutalen Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, weil er die Freiheit der Ukrainer*inn mit einer Grenze zu Russland nicht ertragen kann (Für Russland wird es wohl eher zum Trauma).

  • 1. Ich rate zur Lektüre Masons Buch "Faschismus und wie man ihn stoppt", Sie sollten eigentlich wissen, dass ein guter Historiker nicht unbedingt an der Uni Geschichte studiert haben muss, um eine gute Recherche zu nachen. Wenn dann Snyder und Garton Ash für Sie weiter "Boulevard" sind, schreiben Sie doch mal an die jeweiligen Unis und beschweren sich, dass die zu sehr "Boulevard" sind.



    2. Wie sieht denn ihr Kriterienkatalog für Faschismus im Gegensatz zu meinem aus? Sie behaupten viel, ohne inhaltliche Argumente zu bringen.



    3. Für mich ist der Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Ukraine Feindbild genug, dazu brauche ich keine Vordenker aus der Regierung, die leider viel zu spät mit Waffenlieferungen reagiert hat. Mit Ihrer Appeasementstrategie haben Sie sicher nicht die Deutungshoheit darüber, was '"links" ist.

  • Ein interessanter und Informativer Artikel! Ähnliche kritische Artikel, würde ich mir auch zur Ukraine wünschen. Natürlich sind die Verhältnisse dort (noch) wesentlich besser als in Russland, aber als Themen für ein Artikel würde sich definitiv Demokratie oder Freiheit anbieten. Interessant fände ich auch Mal einen Artikel über die Antikriegsbewegung in der Ukraine.

    • @Alexander Schulz:

      Hallo Alexander,

      für mich ist da halt die Frage, warum man hier Russland und die Ukraine in einem Zug nennen muss. Klar, die beiden sind Nachbarn, kulturell verwandt und führen gerade einen Krieg, aber was das Demokratieverständnis angehen liegen doch Welten zwischen den beiden Ländern. Zwar sollte Journalismus vor so etwas nicht halt machen, aber da gäbe eine Vielzahl von Ländern, die das viel nötiger hätten, als die Ukraine.

      Es klingt hier ein kleines Bisschen wie eine Legitimation für Russland: Das was in Russland passiert, ist nicht ganz so schlimm, weil in der Ukraine ja auch Dinge passieren.

    • @Alexander Schulz:

      Habe mit " Flucht vor der Front" gerade einen Artikel auf Tagesschau.de gelesen .



      Hier wird beschrieben, wie ukrainische Männer die lebensgefährliche Flucht über die Theis nach Rumänien wagen.



      Leider ist bei Vielen das Schwarz Weiß Denken in diesem Krieg weiterhin vorherrschend.

    • @Alexander Schulz:

      Jetzt fehlt Ihrerseits nur noch der Hinweis, dass es ja in den USA nicht anders ist....

      • @Sophie Löffler:

        Das klingt für mich nach stumpfem Antiamerikanismus -



        ich erkenne, um ehrlich zu sein, in Ihrer Aussage keinerlei sachliche Kritik.

        Und um bei den Fakten zu bleiben; die USA schneiden bei denen Punkten Demokratie und Freiheit im globalen Vergleich sehr gut ab.



        Siehe zb Demokratieindex:



        de.m.wikipedia.org/wiki/Demokratieindex

  • Ja, das sind kostbare Güter ... Sehr gut ohne Wertung beschrieben, wie in Russland die Einschüchterung der eigenen Bürger durch ihren Staat und der Wechsel zur Diktatur funktionniert . Es ist ja schon lange ein schleichender Prozess... z.B. die Mafia- und systemtreuen Bürger, die von der Polizei nicht belangt werden, weil sie eine Kennzeichnung auf dem Nummernschild haben... das ist alles ganz schleichend zur Normalität geworden.

  • Das sind schwierige Verhältnisse.



    Danke für diesen Zustandsbericht.



    Viele, die in eine freie Gesellschaft hineingeboren wurden, können, oder wollen, sich solche Repressionen nicht vorstellen.



    Laut einer Umfrage unterstützen 28 Millionen Russinnen und Russen Putins Kurs nicht.



    Das lässt doch immerhin hoffen.

  • Wenn man sich manche Artikel, die immer wieder mal in welt, spiegel, ForeignAffairs etc. veröffentlicht werden und Kommentare anschaut, so scheinen einige zu hoffen, dass Putin wegen des Krieges stürzt und Russland sich liberalisiert. Ich fürchte, das Gegenteil ist der Fall. Eine ewige Belagerungsmentalität, wo Kritik immer unter dem Verdacht steht, dass der Westen dahintersteckt, der den Regime Change will....

    • @Kartöfellchen:

      " Ich fürchte, das Gegenteil ist der Fall. Eine ewige Belagerungsmentalität, wo Kritik immer unter dem Verdacht steht, dass der Westen dahintersteckt, der den Regime Change will...." Da ist Russland jetzt schon und die Angst das die Demokratien die Diktatur überwinden wollen hat jeder Diktator. Deswegen ist dauerhafte friedliche Koexistenz zwischen Diktatur und Demokratie nicht möglich.

  • "„Bloß nicht aufmucken“ ist ein Satz, der die Sowjetzeit überlebt hat"

    Und der letztlich (mindestens) bis zur Zeit der Opritschnina zurückgeht. Also ein halbes Jahrtausend.

  • Freiheit geht nicht ohne Rechtssicherheit, Demokratie nicht ohne Gewaltenteilung und Minderheitenschutz. Es sind kostbare Güter.

    • @Konfusius:

      Diese Dinge sind die Grundlage von Frieden.

  • Das System Putin, bestehend aus Diktatur nach innen, imperialistischer Aggression nach aussen, oportunistischer Massenbewegung und Supremacy gegenüber Nicht- Russen, ist faschistisch. Das Eingeständnis dieser Tatsache zwingt zum konsequenten Widerstand und zur internationalen militärischen Solidarität mit der Ukraine, so wie im spanischen Bürgerkrieg: "No pasaran!"

    • @Rinaldo:

      Sie können in der werten taz nachlesen, wieso der Faschismus-Begriff hier nicht adäquat ist:



      taz.de/Historiker-...&s=herbert+ulrich/



      Das ist nicht nur ein akademisches Problem, sondern ein politisches: wenn man in einem Konflikt die eine Seite zum absolut Bösen erklärt, mit dem es keine Kompromisse geben könne, bleibt eben der totale Sieg der einzige akzeptable Ausweg; wie realistisch das ist und welches Eskalationspotential sich darin verbirgt, überlasse ich Ihrer Phantasie...

      • @O.F.:

        Das ist es: Putin und seine Bewwegung repräsentiert das Absolut Böse, das bekämpft werden muss. Die Weigerung den Faschismusbegriff für Putins System zu benutzen, weicht, wie bei vielen Linken, vor dieser Konsequenz zurück nach dem Motto: was nicht sein kann das nicht sein darf. Fakten und eigene Einschätzuungsfehler werden nicht anerkannt, um bei einer "linken" ideologische Bewertung des Überfalls zu bleiben: der Westen hätte eine Mitschuld am Krieg.



        Die Pfeiler des Faschismus existieren in Russland: Totalitarismus, Supremacy- Ideologie, imperialistischer Angriffskrieg, Massenbewegung.



        Rs viele Faschismusdefinitionen und der Faschismus hatte und hat viele Gesichter: der russische, spanische, portugisische, italienische Faschismus waren anders als der deutsche.



        Zudem sprechen Historiker und Experten zu Russland und der Ukraine von russischem Faschismus: Timothy Garton Ash, Timothy Snyder, Paul Mason, Karl Schlögel.

        • @Rinaldo:

          Die von Ihnen als Beleg als Historiker aufgezählten Personen sind in den letzten Jahren alle durch einen Hang zum Boulevard aufgefallen (und gerade Snyder hat sich von jeder seriösen Geschichtswissenschaft verabschiedet); auch die von Ihnen aufgezählten Kriterien taugen wenig: Totalitär ist Russland nicht (es hat nicht einmal eine richtige Ideologie), von der Massenbewegung träumt Putin höchstens, die Supremacy-Ideologie gibt im multiethnischen Russland höchstens in einer schwachen Form, die sich von der Selbstverklärung anderer Staaten wenig unterscheidet - und dass imperialistische Kriege kein Spezifikum des Faschismus sind, weiß man, wenn man, wenn man nur ab und an Zeitung liest. Russland ist ein autoritärer Staat mit einer menschenverachtend machiavellistischen Außenpolitik, aber das ist eben noch lange kein Faschismus.



          Unheimlich wird es allerdings, wenn Sie von Putin als dem "absolut Bösen" sprechen, mithin eine religiöse Kategorie bedienen - das sagt wenig über den russischen Führungszirkel aus, aber viel über die ideologische Bedeutung, die der Konflikt mit Russland für einige Liberale hier bekommen hat; dass dann die Analyse dem Bekenntnis weichen muss, überrascht nicht - ist aber gefährlich.

          • @O.F.:

            Ihrer Meinung nach sind die von mir aufgeführten Historiker "Boulevard", Russlsnd ist nicht totalitär, und Supremacy existiert höchstens in schwacher Firm....schwache Gegenbehauptungen. Ihr Problem ist, dass "nicht sein kann, was nicht sein darf", da es sonst mit Putin als Faschist und dem "Absolut Bösen" keine "Kompromisse" (welche?) geben könnte. Appeasement hat aber wenig mit linker internationaler Solidarität und antifaschistischem Kampf zu tun.

            • @Rinaldo:

              1. Mason ist nicht einmal ein Historiker, sondern ein Musiklehrer, der sich dann dem Journalismus zugewandt hat; was den Rest angeht: ich rate zu Rezensionen in Fachzeitschriften...



              2. Sie weichen meinem Argument aus und erfinden ein "Problem": Ihr Kriterienkatalog ist viel zu unspezifisch und daher für einen Faschismus-Definition ungeeignet; dazu kommt noch, dass Russland dise Kriterien nicht einmal erfüllt (wie ich auch in der hier notwendigen Kürze umrissen habe).



              3. Es hat auch wenig mit Solidarität und Antifaschismus zu tun, hinter jedem offiziösen Feindbild hinterherzurennen und Deskalation als Appeasement zu diffamieren; man kann Gromachtkonflikte als solche analysieren, ohne sich zur Jubeltruppe der eigenen Regierung zu machen - man sollte das sogar, wenn man für sich in Anspruch nimmt, "links" zu sein.

  • Herausragender sprachlich sehr berührender Text. Dass die russische Autorin Maria Stepanowa gerade den Leipziger Buchpreis für ein Buch bekam, in dem sie die vom Putin-Regime mit Füssen getretene russische Sprache verteidigt, zeigt, wie wichtig gute Literatur in Zeiten des Krieges ist. Sehr guter Journalismus mit literarischen Anspruch macht den Text von Frau Hartwich ebenfalls enorm stark.

  • Wenn da nicht bald ein Umschwung passiert, dann wird eine Überwachung und Kontrolle wie bei den Uiguren installiert sein. China ist sicher gern bereit, Hard- und Software zu liefern.



    Und dann wird es für sehr sehr sehr lange Zeit dunkel für das russische Volk. Denn Aufstände, Revolutionen oder auch nur Reformen wie es sie früher gab und die zum Ende von Monarchien und Diktaturen geführt haben, kann es dann nicht mehr geben. Denn anders als bisher in der Geschichte, können sich Menschen nicht mehr unterhalb des Herrschaftsradars treffen und verabreden. Zu was auch immer.