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Einwanderung von FachkräftenDer Koch braucht keinen Bachelor

Fachkräfte sollen nach einem Gesetzesvorhaben bald einfacher einwandern können. Wie hoch die Hürden sind, zeigt der Fall eines Kochs aus Sri Lanka.

Trotz langjähriger Berufserfahrung durfte der Koch aus Sri Lanka nicht einreisen Foto: Imago

Berlin taz | Wer die Küche von Sri Lanka liebt, für den ist das Restaurant Suriya Kanthi in Berlin-Prenzlauer Berg eine bekannte Adresse. Es gibt Wambotu-Hodhi, gebratene Auberginen nach Sri Lanka Art und Iddi Appe, dampfgegarte Nudeln aus Reismehl. In den vergangenen Monaten stand Restaurantbetreiber Wijerathna Storz-Vidanage, 69, allerdings alleine in der Küche und arbeitete bis zum Umfallen. „Dass der neue Koch nicht kommen konnte, habe ich als Schikane der Botschaft in Colombo empfunden“, sagt Vidanage.

Voraussetzung für einen Spezialitätenkoch ist eine „Kochausbildung an einer Berufsfachschule (Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre)“ im Herkunftsland plus mehrjährige berufspraktische Erfahrung, sagt das einschlägige Informationsblatt der Bundesagentur für Arbeit. Wenn im Herkunftsland keine zweijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule möglich ist, darf der Spezialitätenkoch trotzdem kommen, wenn er eine „mindestens 6-jährige berufliche Tätigkeit“ als Koch verweisen kann.

Dieser Einreiseweg auch ohne zweijährige Ausbildung, aber mit langjähriger Berufserfahrung, hatte bei den Spezialitätenköchen aus Sri Lanka für Vidanages Restaurant immer funktioniert. Doch bei seinem neuesten Bewerber, Rashingha A., blockierte die Botschaft plötzlich und versagte das Visum. A. hatte einen halbjährigen Kochkurs absolviert und mehr als sechs Jahre lang als Koch gearbeitet. Das Argument der Botschaft: A. habe keine zweijährige Ausbildung in Sri Lanka hinter sich.

Ein Mitarbeiter in der Deutschen Botschaft in Colombo hatte festgestellt, dass es zwei- und sogar vierjährige Kurse gibt in „Professional Cookery“. Auf der „im Internet abrufbaren“ und vom srilankischen Bildungsministerium ‚Ministry of Education‘ erstellten Liste der staatlich anerkannten Berufsausbildungsinstitute für professionelle Köche in Sri Lanka befänden sich „21 Ausbildungseinrichtungen, die zertifizierte Kurse in Professional Cookery anbieten dürfen, auch 2- beziehungsweise 4-jährige Kurse werden angeboten“, teilte die Visastelle Restaurantbetreiber Vidanage auf dessen Nachfrage mit.

Zertifikat vom Bildungsministerium

Es gibt tatsächlich in Sri Lanka mehrjährige Ausbildungen, etwa einen Bachelor in “Culinary Arts“, das sind Studiengänge an privaten Instituten, die auch internationale Küche und Restaurantmanagement lehren. Nur sind das Qualifikationen, die man als „Spezialitätenkoch“ gar nicht braucht. Per definitionem der Bundesagentur für Arbeit soll ein Spezialitätenkoch in Deutschland lediglich „traditionelle Gerichte nach Originalrezepten“ des Herkunftslandes zubereiten.

Vidanage wandte sich an das Bildungsministerium in Colombo. Ein Beamter bestätigte ihm schriftlich, dass die kochbezogenen zertifizierten „Qualifikationspakete“ für Köche lediglich eine „Kursdauer von 6 Monaten bis 1 Jahr“ haben, es also keine zweijährige Kochausbildung gebe.

Vidanage schickte diese Infos an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit in Bonn und an die Deutsche Botschaft. Die ZAV in Bonn muss der Botschaft in Colombo ihre Zustimmung zu dem Beschäftigungsverhältnis signalisieren, sonst vergibt die Botschaft kein Visum. Die ZAV hatte Anfang März noch erklärt, sie könne ihre Zustimmung nicht erteilen, da sie von der Botschaft neuerdings Informationen über die Existenz von zertifizierten zweijährigen Kursen zum Koch bekommen habe.

Doch dann bekam Rashingha A. in Sri Lanka überraschend einen Anruf von der Deutschen Botschaft: Er erhält nun doch ein Visum. Die ZAV in Bonn hatte ihre Zustimmung erteilt. Ein ZAV-Sprecher erklärte der taz, die ZAV sei bezüglich der Ausbildungssituationen im Herkunftsland an die Informationen aus den Auslandsvertretungen gebunden, um über ihre Zustimmung zu entscheiden.

Kompetenzdefizite in den Botschaften?

„Zum Zeitpunkt der Prüfung der Zustimmungsanfrage lagen neue Informationen vor, die später wieder zurückgezogen wurden“, teilte er mit und sprach von „widersprüchlichen, zunächst fehlerhaften Informationen“ der Botschaft. Die Botschaft in Colombo selbst beantwortete eine Anfrage der taz nicht.

Vidanage steht also bald nicht mehr allein in der Küche. Sein Fall wirft ein Licht nicht nur auf Kompetenzdefizite in den Botschaften, sondern auch auf die Bestimmung im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, nach der eine zweijährige staatlich anerkannte Ausbildung im Herkunftsland eine der Voraussetzungen für ein Visum ist.

In Ländern, in denen die Leute im Handwerk vor allem „on the job“ lernen und sich auch oft gar keine teure mehrjährige Ausbildung ohne gleichzeitigen Geldverdienst leisten können, mag diese Hürde für viele Tätigkeiten zu hoch sein.

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17 Kommentare

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  • Man muß es endlich einsehen, der deutsche Beamtenapparat will keine Entbürokratisierung, Bürokratie ist ihr Lebenszweck und Legitimation. Den Rest erledigt eine groteske Gesetzgebung mit der nieman vernünftig arbeiten kann. Und einfach mal eine Vorschrift abschaffen ist für Politik und Verwaltung einfach nicht vorstellbar.

  • Dies ist ein Beispiel, wie Überregulierung sinnvolle Dinge abwürgt. Die Qualität eines Restaurantessens lässt sich entspannt dem Markt überlassen. Es geht hier ja nicht um Bremsen von Fahrzeugen oder Triebwerke von Flugzeugen.

  • Das ist doch eine erfolgreiche Geschichte.



    Ich bitte bei der Bewertung der Gesetzesnovelle um genauere Betrachtung, da verschiedene Wege über Berufserfahrung und Chancen bestehen.



    Dass zu Beginn einer Gesetzesänderung noch nicht überall völlige Klarheit herrscht, ist ziemlich normal.



    Sicher ist Kritik erlaubt.



    Jedoch sollte im Vordergrund stehen, dass Deutschland sich nun aktiv dafür einstzt, Einwanderungsland zu sein.



    Der Vorgänger im Innenministerium bezeichnete Zuwanderung noch als " Mutter aller Probleme" und bedankte sich für Abschiebungen an seinem Geburtstag.



    Es ist festzustellen, dass die Ampel hier einen großen Wurf gemacht hat.



    Das freut mich für Alle Beteiligten, besonders die, die noch kommen werden!

  • klasse artikel, danke!

  • Besser integrieren und Fehlanreize abschaffen - das wäre doch wohl sinnvoller als zu versuchen Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Fachkräfte gehen schon allein wegen der Sprache und der hohen Abgaben nicht nach Deutschland.

  • Auch dieses Einwanderungsprogramm wird sich sehr wahrscheinlich erneut als Flop herausstellen. Je höher die Anforderungen, desto eher gibt es für Fachkräfte attraktivere Länder mit weniger ressentiments gegenüber Fremden..

  • Was ist daran jetzt ungewöhnlich ?

    Nach Aussen labern die Politiker:innen was von wegen Fachkräftemangel blah und Einwanderung vereinfachen blah und Fremdenfreundlich blah

    Und wenn es dann konkret wird müssen die Kadidaten drei Arme, zwei Nasen oder drei Augen haben.



    Aber ja - jeder ist willkommen. Grundsätzlich. Aber ein paar Vorraussetzungen wird man ja wohl noch fordern dürfen, gelle ?

  • Typisch für Germany. Und: Die Staatsdiener, die darüber entscheiden sollen, ob jemand in der Lage ist, srilankische Spezialitäten zu kochen, können dies mit Sicherheit nicht fachkundig beurteilen. Der Restaurantbetreiber kann es.

    • @Budzylein:

      Eine Ausbildung finde ich sinnvoll. Wir haben hier immer wieder Probleme mit bestimmten Restaurants (und das ist auffällig), die nach Überprüfungen des Gesundheitsamtes aus hygienischen Gründen geschlossen werden müssen. Ich möchte nicht in einem Restaurant mit verdreckter Küche, schimmligen und falsch gelagerten Lebensmittel, Ratten im Lagerraum... essen. Das konkrete Problem hier ist, dass das Personal ohne entsprechende Ausbildung und späterer Kontrolle eingesetzt wurde.

      • @resto:

        Welche Ausbildung muss man denn hier für einen Ministerposten haben ?

        Welche um Kanzler zu werden ?

        Seh'n se ...

        Aber selbst als Burgerflipper müssen se erstmal 'nen Kurs belegen ...

        • @Bolzkopf:

          Mit der Begründung könnte man das gesamte deutsche Bildungssystem auch einstampfen.

          Muss man Lesen können um zum Kanzler gewählt zu werden?

          • @Chris McZott:

            1. Als Lehrer:in muss man immerhin einen Hochschulabschluß haben.

            2. Nein - muss man nicht.



            Es gibt hierzulande schließlich rund eine Million funktionale Analphabethen. Und von denen wären sicherlich EINIGE bessere Kanzler ...

  • Freestyle in Sachen Qualifikation und deutsche Behörden passt nicht. Immer Papier mit Stempel. Können die im Handwerk vergessen.

    • @Andreas J:

      Freestyle mag ja auch beim Kochen okay sein. Beim Klempnern oder spätestens bei der Verlegung von Elektroleitungen ist eine überprüfbare Ausbildung dann wohl doch besser als „Erfahrungswissen“.

      • @Suryo:

        In solchen Berufen gibt es durch die Meisterpflicht ja die eigentlich Sicherheit, dass zumindest der Chef beurteilen kann, o die Arbeit get gemacht wird.



        Wenn ich mir allerdings anschaue, wie viele hier Klempner gelernte Leute in Allroundbetrieben auch an Stromleitungen gehen, scheint mir das nicht mehr so gut zu funktionieren. Würden on-the-job-Gelernte Elektriker aus dem Ausland aber auch nichts mehr schlimmer machen.

        • @Herma Huhn:

          Seit ca. 20 Jahren Bestandteil der Ausbildung zum Anlagenmechaniker Heizung/Sanitär ist der kleine Elektroschein. Dazu gehören Grundkenntnisse der Elektrotechnik, verschiedene Schaltungen ( Wechsel, Kreuz und Taster ) sowie Anschluss einer Unterverteilung. Auch Drehstrom und Gleichstrom( PV Anlagen) gehören zur Ausbildung . Sicherheits und Erdungsmassnahmen entspr. VDE werden auch vermittelt. Das ist sind mehr Kenntnisse als in vielen Staaten der Zuwanderer, wo es teilweise gar keine Ausbildung bzw. Berufsschule gibt.

        • @Herma Huhn:

          Ja genau, weil ja der Meister jedesmal dabei ist und das kontrolliert. Dann möchte ich auch als Psychologe tätig sein dürfen.