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Justiz und KlimaprotesteEine Blockade und zwei Urteile

Für die gleiche Aktion gibt es am Amtsgericht Freiburg einen Freispruch und eine Geldstrafe. Wieso, erklären die Rich­te­r:in­nen in ihren Urteilen.

Klimaaktivisten bei einer Blockade in Freiburg Foto: dpa

Freiburg taz | Dass die Strafbarkeit von Sitzblockaden der Letzten Generation von der Justiz nicht einheitlich gesehen wird, zeigen zwei Urteile, die das Amtsgericht Freiburg veröffentlicht hat. Für die gleiche Blockade bekam ein Teilnehmer einen Freispruch, ein anderer Teilnehmer eine Geldstrafe.

Es war eine der ersten Blockaden in Freiburg. Am 7. Februar setzten sich morgens im Berufsverkehr 13 Ak­ti­vis­t:in­nen auf eine Brücke und blockierten den Verkehr über eine Stunde lang.

Mehr als ein halbes Jahr später gab es am Amtsgericht Freiburg die ersten Gerichtsverhandlungen. Am 21. November wurde ein heute 31-jähriger NGO-Mitarbeiter freigesprochen. Das Urteil sorgte bundesweit für Aufsehen. Nur einen Tag später bekam ein 29-jähriger Lehramtsstudent eine Geldstrafe wegen Nötigung in Höhe von 40 Tagessätzen à 10 Euro aufgebrummt. Grund für die Divergenz: Es urteilten zwei unterschiedliche Rich­te­r:in­nen mit unterschiedlichen Rechtsansichten. Jetzt wurden die Begründungen veröffentlicht.

Entscheidende Frage bei der Nötigung ist die „Verwerflichkeit“. Dabei kommt es auf das Verhältnis von Zweck und Mittel an. Bei Blockaden lautet die Frage: Ist die Versammlungsfreiheit höher zu bewerten als die Fortbewegungsfreiheit der Autofahrer:innen? Als Zweck der Blockade wird dabei aber nicht der Klimaschutz gesehen, sondern ganz abstrakt das „kommunikative Anliegen“, denn die politischen Fernziele einer Versammlung dürfen bei der Bewertung keine Rolle spielen. Das ist klare Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, das die Versammlungsfreiheit vor allem als Recht unbeliebter Minderheiten sieht.

Behinderung und Versammlungszweck

Bewertet wird stattdessen, ob der Versammlungszweck und die ausgelöste Behinderung in einem stimmigen Verhältnis stehen. Und hier unterschieden sich die beiden Urteile fundamental. So wurde der Freispruch damit begründet, dass Autofahrer „maßgeblich für den CO2-Ausstoß verantwortlich und damit Teil der Klimaproblematik“ seien. Die Blockade sei daher „nicht verwerflich“, so die Begründung des Freispruchs.

Das zweite Urteil hielt diese Verknüpfung dagegen nicht für ausreichend. Es sei nur eine „zufällige Auswahl“ von Autofahrern blockiert worden „ohne Ansehung des genutzten Fahrzeugs und seines jeweiligen Emissionsausstoßes“. Letztlich gehe es um die Behinderung der Autofahrer „um der Behinderung selbst willen“. Diese „Instrumentalisierung“ der Autofahrer sei „verwerflich“, so die Begründung der Verurteilung.

Der freisprechende Richter sagte schon im Gerichtssaal, es sei ihm bewusst, dass er hier eine Minderheitsmeinung vertrete. Auch die Staatsanwaltschaft hatte sofort angekündigt, dass sie Rechtsmittel einlegen werde. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

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8 Kommentare

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  • @mensch meier



    "(Gibts eigentlich keine Kommentare zu Kommentaren mehr?)"



    Doch, die gibt es noch. Sie müssen nur sämtliche Sicherheitseinstellungen in Ihrem Browser deaktivieren, dann ist der "antworten"-Button wieder da.

  • @MENSCH MEIER

    Vermutlich nur, wenn Sie alle Javascript-Schweinereien zulassen. Ich, ohne Javascript [1], kann leider nur so kommentieren. Vielleicht ist es bei Ihnen irgendein Adblocker oder so.

    [1] Das ist's mir wert. Alleine die fehlende dumme Cookieabfrage (was soll die? Ich hab's meinem Browser eh' verboten) ist es mir wert. Das weinterliche "wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt..." blende ich mittlerweile aus.

  • Dürfen dann Iraner*innen in Deutschland keine Demonstration verantstalten, weil sie ja das iranische Regime nicht erreichen, sondern nur eine zufällige Menschenmasse? Darf mit dieser Beurteilung noch irgendwer gegen irgendwas demonstrieren? Unbeteiligte findet man doch immer. *Kopfschüttel

  • Solange noch 90 % der auf den Strassen anzutreffenden Fahrzeuge verbrennende Motoren für ihren Antrieb nutzen erübrigt sich jegliche genauere Prüfung, welche Fahrzeuge denn um ihrer Fortbewegung gehindert wurden.



    Hier versucht die Richter*In nur eine Brücke zur Nötigung zu schlagen, um ihre vorbereitete Begründung anwenden zu können.

  • @ lawandorder

    D`acccord!

    (Gibts eigentlich keine Kommentare zu Kommentaren mehr?)

  • Vorweg: war nie Strafrichter. But. Aus der Lamäng.

    “Das zweite Urteil hielt diese Verknüpfung dagegen nicht für ausreichend. Es sei nur eine „zufällige Auswahl“ von Autofahrern blockiert worden „ohne Ansehung des genutzten Fahrzeugs und seines jeweiligen Emissionsausstoßes“. Letztlich gehe es um die Behinderung der Autofahrer „um der Behinderung selbst willen“. Diese „Instrumentalisierung“ der Autofahrer sei „verwerflich“, so die Begründung der Verurteilung.“

    Diese - „Stellvertreter-Rspr“ - zur Abgrenzung von verwerflich oder nicht!



    Halte ich für einen mehr als durchsichtigen juristischen Taschenspielertrick!



    Und damit für ungeeignet!



    Denn das würde dann ja für fast jede Demonstration gelten - ja die Demonstrationsfreiheit! Unterpfand unserer Demokratie (Karlsruhe Brockdorf-Beschluß) im Ergebnis aushebeln! Und das kann nicht dem Grundgesetz entsprechen!



    Denn fast jede Demonstration richtet sich - meist geradezu notwendig!



    Gegen sog. Stellvertreter! Get it? Fein.



    Umgekehrt gesprochen: Daß sich Demonstrationen nur gegen “Nichtstellvertreter“ richten darf - ist eben NICHT Teil der Demonstrationsfreiheit des Grundgesetzes •

    Soweit mal

  • Rechtsgleichheit war schon immer mehr oder weniger nur eine Fiktion, die aus vielen konkreten Gründen nicht in die Realität überführbar ist.

    Jedoch hat sich ein zusätzliches Problem immer mehr ausgebreitet, und das nicht erst seit der Energiekrise:

    Gegenwärtig mag es zwar in Ordnung sein, 20 % Energie beim Verbrauch von Heizenergie und elektrischem Strom einzusparen, aber diesen Einspardruck auch gleich auf die Hirnleistung auszudehnen halte ich für maßlos übertrieben und für eine der Hauptursachen aller gegenwärtig bestehenden Probleme.

  • Die (verurteilende) Urteilsbegründung ist in dem dargestellten Detail für mich logisch nicht haltbar. Eine Demonstration findet immer im öffentlichen Raum statt. Das ist ein Wesensbestandteil. Der öffentliche Raum wird gerade dadurch öffentlich, dass sich in einem beliebig abgrenzbaren Bereich immer eine zufällige Ansammlung von Menschen aufhält. Es ist ein Wesensbestandteil der Öffentlichkeit, dass ich über Anzahl und Identität der Anwesenden keine Kontrolle habe, sonst wäre es eine geschlossene Veranstaltung. Das Argument, dass also die Sitzblockade deshalb verwerflich wäre, weil sie im öffentlichen Raum eine zufällige Auswahl Autofahrer betrifft, geht daher ins Leere.

    Ebenso, dass die Sitzblockade zwischen "guten" und "bösen" Autos nicht unterscheidet geht (logisch) ins Leere. Denn das Mittel der Sitzblockade, genauso wie das Mittel des Demonstrationszuges, der lautstarken Kundgebung oder irgendeiner Demo-Aktion (die eine Außenwirkung haben muss, sonst würde sie nichts "demonstrieren") kann aufgrund der Zufälligkeit der Anwesenden ja gerade keine Auswahl derselben ausführen.

    Demgegenüber ist anzunehmen, dass die Sitzblockade nicht als unangemeldete Spontankundgebung abgelaufen ist, sodass ihrerseits die Autofahrer sehr wohl gewarnt waren und die Wahl hatten sich auf eine Anwesenheit im Einflussbereich der Demonstation einzulassen oder den Bereich weiträumig zu umfahren.