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CDU in ThüringenErneutes Spiel mit dem Dammbruch

Die CDU verweigert die Zustimmung zum Haushalt und will Kürzungen im Integrations- und Demokratiebereich. Die AfD hat sie auf ihrer Seite.

Machen sie bald wieder gemeinsame Sache? Björn Höcke und Mario Voigt (hinten) Foto: Martin Schutt/picture alliance

BERLIN taz |Der letzte Eklat der CDU Thüringen liegt noch nicht lange zurück: Im November setzte die Union mit der AfD im Landtag durch, dass bei Behördenkommunikation nicht mehr gegendert wird. Nun plant die Partei die nächste Volte. Für den Landeshaushalt will die CDU laut Änderungsanträgen, die der taz vorliegen, massive Kürzungen im Bereich der Integrations- und Demokratiepolitik durchsetzen. Dabei kann sie erneut auf die Unterstützung der AfD setzen.

Demnach will die CDU Maßnahmen zur Integrationsförderung von 6,5 Millionen um 3 Millionen Euro kürzen. Beim Landesaufnahmeprogramm Afghanistan oder den Erstattungskosten für Geflüchtete an die Krankenkassen sollen je 1,5 Millionen Euro eingespart werden. Das Landesprogramm „Arbeit für Geflüchtete“ soll um gut 2,2 Millionen Euro gestutzt werden. Die Partei hatte etwa das Afghanistanprogramm zuletzt teils als „Ideologieprojekt“ kritisiert.

Zudem will die CDU das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit von 5,7 Millionen um 700.000 Euro einkürzen. Die politische Bildung in der Erwachsenenbildung soll von 1,4 Millionen um 1 Million Euro schrumpfen, die inklusive Erwachsenenbildung sich auf 500.000 Euro halbieren. Zuschüsse für Gleichstellungspolitik sollen von 4 auf 2 Millionen Euro fallen.

Die Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich nannte die Pläne „wirklich krass“. „Die CDU geht in einen in Zahlen gegossenen Kulturkampf“, sagte sie der taz. Auch für die Linke Katharina König-Preuss würden damit „soziale und demokratische Stützpfeiler massiv eingerissen“. Es drohe ein weiterer Rechtsruck im Land. SPD-Landtagsvizepräsidentin Dorothea Marx sprach von einem „völlig unverantwortlichen“ Vorgehen der CDU. Erneut könnte „die Brandmauer gegen die als verfassungsfeindlich eingestufte Thüringer AfD eingerissen werden“.

Vorwurf des „Harakiri“ an die CDU

Der Thüringer Haushalt soll am Donnerstag im Landtag verabschiedet werden. Die rot-rot-grüne Regierung von Bodo Ramelow (Linke) hat hier keine eigene Mehrheit. Die CDU fordert insgesamt deutliche Einsparungen – verweigerte der Regierungskoalition aber bisher alle Gespräche. „Das hat es noch nie gegeben“, kritisiert Rothe-Beinlich. Die CDU vollführe ein „Harakiri“, das am Ende den ganzen Haushalt zum Platzen bringen könnte.

Die Thüringer CDU nannte ihre Kürzungspläne auf taz-Nachfrage „Umschichtungen“, etwa hin zu mehr Ehrenamtsförderung. Zudem sehe man „viele migrationspolitische Maßnahmen kritisch“ und dokumentiere dies mit den Anträgen. CDU-Fraktionschef Mario Voigt erklärte am Dienstag, es gehe der CDU beim Haushalt generell um mehr finanzielle Nachhaltigkeit und mehr Gelder für die Kommunen. Dafür sei man zu Gesprächen bereit – aber nur, wenn Rot-Rot-Grün „doch noch auf uns zugeht“.

Bei den CDU-Kürzungsplänen in der Gesellschaftspolitik aber lehnt R2G das ab. Dass diese inhaltlich abzulehnen seien, „versteht sich von selbst“, so SPD-Frau Marx zur taz.

Die AfD lauert schon

Dafür kann die CDU auf Unterstützung von der AfD hoffen. Denn auch die Rechtsextremen wollen Kürzungen im Migrations- und Demokratiebereich, wenn auch noch drastischer. So will die Partei etwa das Landesprogramm für Demokratie komplett streichen. Auch die 8 Millionen Euro an Zuweisungen an die Gemeinden für unbegleitete minderjährige Geflüchtete sollen komplett weg. Maßnahmen zur Integrationsförderung sollen um 6,5 Millionen Euro sinken.

Tut sich die Opposition zusammen – neben CDU und AfD auch die FDP und die Bürger für Thüringen -, hätten sie eine Mehrheit im Landtag. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke jedenfalls dürfte schon lauern. Schon als die CDU zuletzt den Gender-Antrag mit seiner Partei durchbrachte, jubilierte er, die Partei habe „sich zum ersten Mal ein Herz gefasst“.

Unvergessen bleibt auch, wie CDU und AfD im Februar 2020 den FDP-Mann Thomas Kemmerich kurzzeitig zum Ministerpräsidenten wählten. Ein Zusammengehen, an das sich Grünen-Fraktionschefin Rothe-Beinlich nun wieder erinnert fühlt. „Da schließt sich mit den Haushaltsberatungen jetzt ein ganz fataler Bogen.“

Um das zu verhindern, unternehmen Linke, SPD und Grüne noch einen letzten Versuch: Sie boten der CDU an, im Haushalt zwar nicht die Streichungsvorschläge der Partei zu übernehmen – wohl aber deren gewünschten Mehrkosten. Auch dazu wurde die CDU für Mittwochnachmittag nochmals zu einem Gespräch eingeladen. Es sei noch nicht zu spät für eine gemeinsame Einigung auf den Landeshaushalt, appellierte SPD-Fraktionschef Matthias Hey.

Auch aus der Zivilgesellschaft kommt Druck. Axel Salheiser vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena warnt die CDU vor dem „nächsten Tabubruch mit Signalwirkung“. Die CDU dürfe sich nicht aus Oppositionskalkül „zur Ermöglicherin radikal rechter Kahlschlagträume machen“, so Salheiser zur taz. Wer an Demokratieförderung und Integrationsmaßnahmen die Axt anlege, helfe der AfD auf ihrem Weg zur Regierungsmacht.

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25 Kommentare

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  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Schon sehr interessant, dass die CDU ein Problem mit der Finanzierung demokratischer Strukturen und integrativer Projekte hat. Und die genannten Summen sind im Hinblick auf den Gesamthaushalt (~10 Milliarden) nicht wirklich erheblich, also reine Provokation.

  • Einer wie Höcke darf nicht weiter frei rumlaufen und seine Lügengeschichten erzählen.

  • Dass die CDU in Thüringen nichts gegen eine Haselnusskoalition hätte ist eine Binse.



    Aber natürlich sagt man das nicht laut - zumindest nicht, so lange es für eine Mehrheit nicht reicht.

  • Die CDU versucht ihre Interessen durchzusetzen. Nichts anderes macht die Regierung. Wo ist das Problem?

  • Alle Initiativen, Geld zu sparen, sind erstmal zu begrüßen! Staatsausgaben werden aus Zwangsmitteln finanziert und dürfen deshalb nur für Pflichtaufgaben fließen. Gedöns gehört offensichtlich nicht dazu.

  • "Diese "Dammbruch-Debatte" ist mehr als albern. Da haben zwei Parteien dieselbe Position und stimmen gegen irgendwas. Die haben beide deshalb nie zusammengearbeitet, nie am selben Tisch gesessen und über diese Position Gespräche geführt. Sie haben oder werden einfach in ihrem Sinne abstimmen. Das ist kein "Dammbruch" sondern parlamentarische Demokratie. Dieselbe unsinnige Debatte gab es doch schon bei dem Gesetz für den Mindestabstand von Windrädern. Da wurde gejammert, als ob CDU und AfD koalieren würden.



    Würde Höcke-Bernd in einer Rede behaupten, die Erde sei ein Kugel, muss ich dann als guter Demokrat der Flat Earth Society beitreten, um mich nicht mit einem Faschisten gemein zu machen?



    Genauso unsinnig ist diese Debatte hier.

  • Und dann am lautesten schreien, wenn vernachlässigte Menschen "nicht integriert" sind.

    Langsam glaube ich ja, dass das ein Plan ist.



    Quasi das konservative Perpetuum Mobile: Keine Unterstützung für Immigranten, dadurch keine Normalisierung und Probleme, das dann als Begründung für noch restriktivere Maßnahmen.

    Wahlen kann man so vielleicht gewinnen.



    Ein Land in die Zukunft führen sicher nicht.

  • Der "kleine Führer" Höcke wird die Christdemokraten verspeisen wie Christstollen.

  • Nach den ganzen Jahrem in denen die CDU einseitig die Politik von RRG stützte müsste eigentlich klar sein dass auch RRG ihren Beitrag zum gemeinsamen Vorgehen gegen die AfD zu leisten hat. Eine antifaschistische Koalition ist keine Enbahnstraße, kein Selbstbedienungsladen für Teile dieser Koalition.



    Dass die AfD das Zünglein an der Wage sein kann wird auch im Abstimmungsverhalten von RRG begründet sein.

    • @Rudolf Fissner:

      Also soll man als "antifaschistische Koalition" für den Abbau von Demokratie- und Integrationsförderung stimmen damit diese Entscheidung nicht mit den Stimmen der Rechten zustande kommt? Muss man diesen braunen Gesellen wirklich auch noch die Drecksarbeit bei der Aushöhlung der Zivilgesellschaft abnehmen?

      • @Ingo Bernable:

        Sie meinen solche Projekte sollten weiterhin gefördert werden:

        "Betrugsverdacht bei Thüringer Arbeitslosenverein: Projekte im Millionenwert werden geprüft" ... "Ein Projekt zur Betreuung und Begleitung für Menschen mit Migrationshintergrund wie im Projektantrag beschrieben, habe es aus seiner Sicht nicht gegeben. 'Es gab kein Klingelschild und auch keinen Hinweis am Fenster'".

        www.mdr.de/nachric...onenhoehe-100.html

        Die Unterstützung von Betrug hat mit Antifaschismus null zu tun. Das ist null Integrationspolitik. Dann sich wegen miesen Controlling seitens der Regierung auch noch hinter Antifaschismus zu verstecken, ist schäbig. DAS ist Wasser auf den Mühlen der AfD.

  • Wenn es der Wille der Wähler so gewesen wäre, dann könnten die regierenden Parteien den Haushalt beschließen. Wenn sie keine Mehrheit haben, müssen sie mit den anderen Parteien einen Kompromiss finden. So einfach. Jetzt von einem Rechtsruck zu spekulieren, wenn es nie eine linke Mehrheit gegeben hat, ist schon Absurd.

    • @Puky:

      Ist es eben nicht. Ein Rechtsruck ensteht nicht nur dann, wenn mehr Leute rechts wählen, sondern auch wenn bestehende Parteien ihre Skrupel aufgeben und mit rechtsextremen Demokratiefeinden zusammenarbeiten die sie sonst angeblich ja ablehnen.



      Wer sagt Ihnen denn das die CDU-Wähler das genauso sehen und sowas von ihrer Partei überhaupt wollen? Wäre das dann nicht ein Rechtsruck einer Partei vorbei am Wählerwillen?



      Und überhaupt, was hat das ganze mit linken Mehrheiten zu tun, ist jetzt alles links für Sie was nicht AfD oder CDU heißt?



      Demokratieföderung abbauen ist eindeutig rechtspolitisch einzuordenen, also ist das ein Drift in Richtung rechts, schon rein von der Definition her.

    • @Puky:

      Wenn es der Wille der CDU gewesen wäre, hätten Neuwahlen stattfinden können. Das wollte die CDU aber nicht und hat stattdessen angeboten mit RRG zu kooperieren.



      Und jetzt will sie Kürzungen im Demokratiebereich...

  • Endlich Neuwahlen in Thüringen, das wäre die demokratischte Lösung! Warum geht R2G ,die keine eigene Mehrheit hat, davon aus, dass die Opposition sie unterstützen muß? Demokratie sieht anders aus

    • @Barthelmes Peter:

      Ich weiß das wir alle insgeheim bei CDU and "Club der Deutschen Unternehmer" denken, aber die Partei heißt eigentlich Christlich demokratische Union. Da kann man schonmal erwarten das diese Partei nicht Maßnahmen zur Demokratieförderung reduzieren will, besonders wenn es um solche kleine Beiträge geht, in einer Zeit in der Inflation auch die Einnahmen des Landes erhöht.

    • @Barthelmes Peter:

      zur Erinnerung, es war die CDU die die vereinbarten Neuwahlen verhindert hat, nicht RRG.

      • @nutzer:

        Um der Wahrheit die Ehre zu geben, es gab eine Mehrheit für Neuwahlen.



        Aber rrg hat sich auch in diesem Fall hinter der AfD versteckt.



        Und ein Rücktritt des Ministerpräsidenten würde immer den Weg freimachen für Neuwahlen. auch diesen weg will die Regierung nicht gehen. Sie klammert sich an die Macht, obwohl sie nie eine Mehrheit hatte und nur durch die Dummheit von FDP und CDU wiede ran die Macht kam.

    • @Barthelmes Peter:

      Exakt so ist es. Neuwahlen!

  • Muss man "für" etwas stimmen, nur weil die AfD auch "dagegen" stimmen wird?



    Wenn Linke, SPD und Grüne die Zustimmung der CDU wollen, dann muss sie ihnen halt entgegenkommen. Ist zwar ärgerlich, nennt sich aber Demokratie.

    • @Rudi Hamm:

      Nein muss man nicht.



      Aber Maßnahmen zur Demokratieförderung und Integration zusammenstreichen in einer Zeit in der wir eindeutig mehr und bessere Integration brauchen und die Demokratie im Abbau ist, das muss man nicht.



      Ich kann nämlich auch andersherum fragen: Muss man wirklich gegen etwas stimmen nur weil eine Rot-Rot-Grüne Koalition dafür ist?



      Oder wollen Sie mir wirklich erzählen das diese paar notwenigen Millionen jetzt der entscheidende Punkt für den Haushalt sind? Etwa so, wie Gendern in Ämtern ein so richtig wichtiges Thema für den einen Landtag war?



      Das ist alles reine Ideologie, entweder ist die CDU in Thüringen weiter rechts als in anderen Bundesländern oder man will nur aus Prinzip bei solchen kontroversen Themen mal den dicken Max markieren.

    • @Rudi Hamm:

      "nennt sich aber Demokratie"



      Aber wie lange noch wenn das was da beschlossen werden soll gerade auf das Zusammenstreichen von Programmen zur Demokratieförderung hinausläuft? Und das in einem Bundesland in dem sie bitter nötig wären.

      • @Ingo Bernable:

        Jedenfalls musste in Thüringen die Wahl nicht aufgrund von eklatantem Versagen wiederholt werden.



        Der Bedarf an Demokratieförderung ist also nicht nur in Ostdeutschland hoch.

      • @Ingo Bernable:

        Die Lösung heißt Neuwahl.



        Die Lösung heißt nicht, dass sich die CDU unterzuordnen hat. Warum auch, so hat der Wähler entschieden.