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Diversität bei den GrünenKommt jetzt eine Diversitätsquote?

Die Grünen wollen vielfältiger werden. Maßnahmen aus dem Jahr 2020 zeigen erste Wirkung, es bleibt aber viel zu tun – etwa bei der sozialen Herkunft.

So vielfältig wie die Gesellschaft? Mitgliederversammlung der Bremer Grünen am Samstag

Berlin taz | Tabikan Runa fühlt sich wohl in seinem Ortsverband, da will er nicht falsch verstanden werden. Der 22-Jährige kommt aus Singen, einer kleinen Industriestadt im Hinterland des Bodensees. Vor vier Jahren beschloss er, politisch aktiv zu werden. Er wälzte die Programme der verschiedenen Parteien und weil ihm das der Grünen am besten gefiel, trat er schließlich ihnen bei. Bereut hat er es nie. Er mag die Leute dort. Er hat es auch schon bis in den Kreisvorstand geschafft. Und trotzdem: Manchmal fühlt er sich in seiner Partei ein bisschen einsam.

„In Singen war ich lange Zeit eines der wenigen jungen Mitglieder, die immer am Start waren. Der einzige mit ausländischen Wurzeln bin ich im Ortsverband sowieso“, erzählt er am Telefon. „Auf Kreisebene sieht es ein bisschen anders aus. Wegen der Uni in Konstanz ist es dort gemischter. Aber auch da bin ich einer der wenigen, die nicht aus einem Bildungshaushalt kommen.“ Runas Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Die Mutter ist alleinerziehend. Lange lebte die Familie von Sozialleistungen. Eine typische Grünen-Biografie hat er also nicht.

Akademisch, gutverdienend und weiß: Das ist das Image, das die Grünen für gewöhnlich mit sich herumtragen. In ihren Programmen werben sie zwar für eine vielfältige Gesellschaft, sie selbst geben nach außen aber oft ein homogenes Bild ab. Der Ruf der Eliten-Partei kommt nicht von ungefähr.

Immerhin: Sie arbeiten an dem Problem. Knapp zwei Jahre ist es her, dass der Parteitag einen Maßnahmenplan verabschiedet hat. In ihrem damals beschlossenen Vielfaltsstatut attestierte die Partei sich selbst und ihren Strukturen „Barrieren, Hürden oder Vorurteile“, die es abzubauen gelte. Das erklärte Ziel für die Grünen der Zukunft: „Die Repräsentation von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil.“ Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Alter oder Bildungsstatus – in jeder Hinsicht wolle man diverser werden.

„Wir Grüne sind in den vergangenen Jahren schon an vielen Stellen vielfältiger geworden. Aber wir haben noch viel zu tun, um wirklich teilhabegerecht zu sein“, sagt zwei Jahre später Pegah Edalatian. Die Düsseldorferin ist stellvertretende Vorsitzende und zugleich vielfaltspolitische Sprecherin der Partei – ein Amt, das mit dem Statut neu eingeführt wurde. In der Bundesgeschäftsstelle kann Edalatian auf ein eigens geschaffenes Vielfaltsreferat zurückgreifen.

Neues Gremium, eigenes Budget

„Aus der Partei spüre ich starken Rückenwind für unsere Arbeit“, sagt Edalatian. Der Kulturkampf um Diversity und Identitätspolitik, gesamtgesellschaftlich seit einigen Jahren erbittert geführt, geht zwar auch an den Grünen nicht ohne Verwerfungen vorbei. Ein offener Brief gegen „linke Identitätspolitik“ und „Cancel Culture“, im vergangenen Jahr vom umstrittenen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und einigen Ex-Abgeordneten unterschrieben, ist dafür nur ein Beispiel. Die Bemühungen um mehr Vielfalt in den eigenen Reihen stoßen bisher aber zumindest nicht auf offene Ablehnung.

Dabei sind die Maßnahmen ambitioniert. Durch das Statut wurde neben der Beauftragten im Vorstand und dem Referat in der Parteizentrale auch ein Diversitätsrat eingeführt. Im Frühjahr konstituierte sich das neue Gremium; an diesem Wochenende kamen die 50 Delegierten in Hannover zu ihrer zweiten Sitzung zusammen.

Unter anderem entscheidet der Rat über die Verwendung eines Vielfaltsbudgets in Höhe von einem Euro pro Jahr und Parteimitglied, für 2022 also über 100.000 Euro. Aktuell fließt ein großer Teil in den Aufbau eines „Train the Trainer“-Programms: Der Diversitätsrat verordnete den Landesverbänden Antidiskriminierungstrainings, geleitet von Mitgliedern, die im Rahmen des Projekts ausgebildet werden.

Erfolg ist umstritten

Neben solchen Programmen geht es aber auch darum, dass die Partei Vielfalt mitdenkt, wenn Jobs zu vergeben sind. An prominenter Stelle sind die Grünen seit 2020 schon diverser geworden. Die Wahlerfolge der vergangenen Jahre, durch die viele neue Posten zu besetzen waren, haben dabei sicherlich geholfen. Im sechsköpfigen Bundesvorstand, vor einem Jahr noch komplett weiß, sitzen mit Edalatian und Parteichef Omid Nouripour mittlerweile zwei Menschen mit Migrationshintergrund. Ins Bundeskabinett haben die Grünen Cem Özdemir geschickt, in Schleswig-Holstein wurde Aminata Touré – Tochter von Flüchtlingen aus Mali – neue Sozialministerin. Hannovers Oberbürgermeister heißt Belit Onay, seine Eltern kamen in den 1970er Jahren als Gastarbeiter aus Istanbul nach Deutschland.

Auf der anderen Seite: In das neue schwarz-grüne Kabinett in Nordrhein-Westfalen schickte die Partei kein einziges Mitglied mit Migrationserfahrung. In Berlin hat es nach der Wahl im vergangenen Jahr noch nicht mal ein Ostdeutscher in den Senat geschafft. Und auch bei Listenaufstellungen ist Diversität oft noch kein entscheidendes Kriterium.

„Bei uns in Schleswig-Holstein ging es bei der Liste für die Landtagswahl vor allem darum, dass die Kreisverbände ausgewogen vertreten sind. Abgesehen von einer Trans*person, die es in die Fraktion geschafft hat, war es das dann aber auch schon mit der Vielfalt“, sagt Gazi Freitag, Grüner aus Kiel, Kandidat für den Landesvorsitz und selbst Mitglied im Diversitätsrat.

In Zukunft, auch das ist im Statut festgeschrieben, werden die Grünen den Erfolg der neuen Maßnahmen regelmäßig wissenschaftlich evaluieren. Noch in diesem Jahr wird die erste Erhebung starten. Bis hinab in die Kreisvorstände wird die Partei abfragen, wie divers ihre Gremien besetzt sind. Im kommenden Jahr werden die Resultate auf einem Parteitag vorgestellt.

Debatte um Quoten

Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, könnte dann eine Debatte neu aufkochen, die es schon vor der Verabschiedung des Vielfaltsstatuts gab: Soll die Partei für ihre Gremien und Listen neue Quoten einführen? Die Frauenquote, bei den Grünen seit Jahrzehnten vorgeschrieben, hat unbestritten zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Partei geführt. Könnte das nicht auch für andere Vielfaltsmerkmale funktionieren?

„Ich verschließe mich der Diskussion um Quoten nicht, wenn die Evaluation zeigen sollte, dass wir anders nicht vorankommen“, sagt Pegah Edalatian. „Bei der Umsetzung gäbe es aber viele offene Fragen.“

Tatsächlich wären neue Quoten komplex. Welche Kriterien legt man zum Beispiel beim Migrationshintergrund an? Zählt eine Person mit französischer Großmutter genauso wie ein Mensch, der aus Syrien nach Deutschland geflohen ist? Und wie bekommt man all die anderen Dimensionen von Diversität unter einen Hut? Es geht im Vielfaltsstatut schließlich nicht nur um Menschen, die Migrationserfahrung haben oder von Rassismus betroffen sind – auch wenn diese Merkmale in der Debatte oft im Vordergrund stehen.

Kein Geld fürs Bier

Andere Aspekte sind weniger sichtbar. Während der Sitzung des Diversitätsrats in Hannover erinnert Pegah Edalatian an den Parteitag, bei dem sie in das Vielfaltsamt gewählt wurde. „Ich sprach in meiner Rede von LGBTIQ, Menschen mit Behinderung, PoCs. Direkt danach bekam ich eine Nachricht: ‚Ey Pegah, was ist mit dem Thema sozioökonomische Herkunft?‘“ Ein „erstes Learning“ sei das für sie gewesen: Die Benachteiligung von Mitgliedern mit wenig Geld, schlechter Arbeit oder niedrigem Bildungsabschluss dürfe man nicht vergessen.

Die Europa-Abgeordnete Katrin Langensiepen stimmt ihr in der Debatte zu: Sie selbst sei zu den Grünen gekommen, während sie Hartz IV bezog – und beinahe hätte sie die Partei gleich wieder verlassen. Zum einen habe sie sich über die elitäre, schwer verständliche Sprache geärgert. Zum anderen hatte sie Probleme mit den Gepflogenheiten: „Nach der Mitgliederversammlung noch mal hier einen Kaffee oder dort ein Bierchen trinken zu gehen, ist mit einem Hartz-IV-Regelsatz nicht drin.“

In einem Beschluss erhebt der Diversitätsrat schließlich Forderungen zur „gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status“ in der Partei. Grünen-Veranstaltungen sollen zum Beispiel an Orten ohne Verzehrzwang stattfinden. Fahrtkosten sollen Mitglieder nicht auslegen oder selbst zahlen müssen. Der Bundesvorstand soll einen Kongress organisieren, um noch mehr Maßnahmen auszuarbeiten.

Ab in den Gemeinderat

Workshops und Schulungen könnten dazugehören. In Baden-Württemberg betreibt der Landesverband der Grünen eigene Vielfaltsprojekte. In diesem Jahr hat er ein Förderprogramm für Mitglieder aus gesellschaftlichen Gruppen gestartet, die in der Partei unterrepräsentiert sind. Tabikan Runa, der 22-Jährige aus Singen, der nicht nur Eltern aus der Türkei hat, sondern auch Armut aus eigener Erfahrung kennt, nimmt daran teil.

Alleinerziehende, Queere, Menschen mit Migrationshintergrund: Die Gruppe, die sich im Juli zur Auftaktveranstaltung in Stuttgart getroffen hat, sei gemischt gewesen. Und doch habe es eine Gemeinsamkeit zwischen den 20 Teil­neh­me­r*in­nen gegeben. „Das coolste war, wie empowernd das Programm ist“, sagt Runa. „Man spürt den Support von Leuten, die alle ähnliche Erfahrungen gemacht haben: Um etwas zu erreichen, müssen wir immer eine Extra-Meile laufen.“

Wie geht zum Beispiel Networking? Wie tritt man auf Veranstaltungen auf, wie geht man auf andere zu? Andere Menschen hätten das von zu Hause mitbekommen, er musste es erst lernen. In Stuttgart gab es dazu einen Workshop.

Das Ziel des Programms: Die Teil­neh­me­r*in­nen auf Kandidaturen bei der Kommunalwahl in zwei Jahren vorzubereiten. In Singen heißen die Mitglieder der aktuellen Grünen-Fraktion Eberhard, Regina, Dietrich, Karin, Sabine und Isabelle. 2024 könnte es eine Premiere geben: Für die Wahl will es dann auch Tabikan Runa auf die Liste schaffen.

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36 Kommentare

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  • Mon Dieu, kann man nicht Runden ausgeben bei den Kneipengängen? Nichts! ist wichtiger als diese Gespräche. In allen Ländern, wo ich jemals auf Tagung war, Finnland, Frankreich, Ungarn, Japan usw. Entweder hat jemand ein Geld und gibt aus, oder alle werfen Geld auf den Tisch, bis es stimmt.

  • Spiegel Meldung von heute:



    "autokorso-von-hochzeitsgesellschaft-blockiert-autobahn-"

    Da ist im Vielfältigkeitsreferat noch einiges zu diskutieren, bis jede Gruppe entsprechend vertreten ist. Aber wahrscheinlich hatte die oben erwähnten keinen VertreterX:In in das empowerment Seminar mit 20 TeilnehmerX:In gesandt.

    Sorry, aber die Vorhersage ist, dass es unmöglich ist, alle in allen Ebenen genau widerzuspiegeln.

  • "Ein „erstes Learning“ sei das für sie gewesen: Die Benachteiligung von Mitgliedern mit wenig Geld, schlechter Arbeit oder niedrigem Bildungsabschluss dürfe man nicht vergessen."

    Das muss man sich mal vorstellen. Dass es tatsächlich Politiker_innen gibt, denen gar nicht bewusst ist, dass die fundamentalste Spaltung in dieser Gesellschaft die zwischen denen, die viele, und denen, die wenig Möglichkeiten haben ist - also letztlich die zwischen reich und arm.

    • @Suryo:

      Es heißt übrigens “lesson”, nicht “Learning”.

  • Durch Quoten wird die fachliche Kompetenz noch weiter absinken. Wir brauchen in der Poltik erfahrene, fachlich gebildete Personen. Ein Verteidigungsminister sollte schon mal mit Militär was zu tun gehabt haben. Siehe z B. Israel. Weitere Beispiele gibt es zuhauf.

    • @Klempner Karl:

      Seit wann werden politische Ämter nach Qualifikation verteilt? Die Liste kompetenzloser Minister in der Geschichte der BRD ist unendlich. Da kann nicht viel absinken.

      • @Andreas J:

        Eigentlich wollte ich schreiben - schlechter geht immer, dann habe ich an Scheuer gedacht.

  • Oder wie Robert sagt: "Wenn Du keine Kohle hast, bist Du nicht arm . Du hast einen anderen sozioökonomischen Status."

  • Die Diskussion um die französische Großmutter sollte besser nicht geführt werden. Da wird das Eis ganz schnell sehr dünn. Die offizielle Definition von Migrationshintergrund ist doch ganz klar: "Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde."

    Wenn man da irgendetwas hinzufügen wollte, um auch noch verschiedene Herkünfte zu unterscheiden, dann landet man ganz schnell bei einer Art "Nicht-Arier-Nachweis" ... DAS wäre Rassismus.

    • @Winnetaz:

      Was ein Glück für mich, mein Vater wurde als Österreicher geboren und bekam dann die Tschechoslowakische Staatsbürgerschaft übergestülpt samt 2-jährigem Wehrdienst, meine Mutter wurde gleich als Tschechoslowakin geboren. In Deutschland waren wir dann bis in die 70 er die Revanchisten.



      Also eindeutig Migranten. Wenn ich nun an all die Vertriebenen im ersten Deutschen Bundestag denke und deren Nachkommen( Joschka z.B.) denke, sind die Migranten sicherlich nicht unterrepräsentiert. Ich glaube man muss die Definition nochmal überarbeiten, bzw. passender machen und nicht die Diversen vergessen und doppelt getroffenen.

    • @Winnetaz:

      Bekannt von mir: Opa nach Brasilien ausgewandert, Vater dort geboren, in der deutschen Community aufgewachsen, dann nach Deutschland, wo seine Eltern herkamen, zurück.

      Die Bekannte hat damit ganz offiziell Migrationshintergrund, denn ihr Vater ist ja "Brasilianer".

    • @Winnetaz:

      Und was gilt wenn ein Elternteil neben dem deutschen Pass eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt? Zählt dann der deutsche oder der ausländische Pass?

      • @Käptn Olgi:

        "Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde."



        Wenn beide Eltern und das Kind von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft haben, hatt das Kind keinen Migrationshintergrund egal wie viele Staatsangehörigkeiten die Personen sonst noch haben.

        • @Blechgesicht:

          Zusätzlich zum Migrationshintergrund kommt ja noch dann die People of Color-Option.

          Man kann also deutsche (Groß-)Eltern haben und trotzdem nicht "Typisch-Bio-Deutsch" aussehen.

          • @gyakusou:

            Oder biodeutsch sein, aber offiziell einen Migrationshintergrund haben. Es muss lediglich ein Elternteil aus der deutschen Community in z.B. Brasilien oder Namibia kommen.

            • @Suryo:

              Mich schüttelt es jedesmal, wenn jemand "biodeutsch" ohne Anfuehrungszeichen schreibt...

              • @Volker Scheunert:

                Mich auch.

                • @resto:

                  Schön ist das Wort nicht, aber "autochthon" hat sich nicht eingebürgert und das wissenschaftlich korrekte "ethnischer Deutscher" ließe sich wiederum auf jeden ethnischen Deutschen, auch mit ganz anderer Staatsangehörigkeit, anwenden.

                  • @Suryo:

                    Das ist doch alles viel zu kompliziert. Muss das sein? Ich, an die 70, habe den Großteil meines Lebens in verschiedenen außereuropäischen Ländern gelebt und gearbeitet und bin jetzt als Rentnerin wieder in meinem Geburtsland De gelandet. Ganz klar habe ich deshalb Mihigru. Zählt das dann auch für die Diversität? Sollen alle Lebensläufe aufgedröselt und in gewichtete Cluster einsortiert werden? Und sind manche Mihigründe wertvoller als andere?

                    • @resto:

                      Ich bin ganz Ihrer Meinung.

                      Zumal der wie auch immer geartete "Hintergrund" eines Menschen in vielen Dingen einfach überhaupt keine Rolle spielt. Gibt es z.B. eine spezifisch migrantische, lesbische, muslimische, schwarze, usw. Perspektive auf Energiepolitik? Natürlich nicht. Wo soll also der sachliche Mehrwert liegen, wenn Stellen in einem mit der Energiepolitik betrauten Ministerium nach irgendwelchen Diversitätsquoten besetzt werden?

  • Immer wenn diskutiert wird ob jemand der nicht aus einer bestimmten Region kommt überhaupt als Migrant zu zählen sei, muss ich an meine Frau und Tochter denken.



    Meine Frau hat ziemlich schnell verstanden, dass es bei allen deutschen Diskussionen über Integration und Migrahu immer nur um ganz bestimmted Gruppen geht. Sie selbst oder sogar meine chinesische Schwägerin sind da nie gemeint. Als wir den Migrationshintergrund unserer Tochter in der Schule mal nebenbei erwähnten, kam als Reaktion "Das hätten wir nie gedacht. Sie spricht ja so gut Deutsch." Ein Migrahu ist aber doch keine Behinderung.

    • @Šarru-kīnu:

      Als meine Tochter meiner Mutter gegenueber einmal ihren (chilenischen) Migrationshintergrund ansprach, bekam sie zu hoeren, sowas haetten ja nur Tuerken und Araber...

    • @Šarru-kīnu:

      "mal nebenbei erwähnten" Ja Sie haben das beide wirklich richtig gut verstanden^^

  • Die Grünen sollten vor allem daran arbeiten, Menschen mit Kompetenz in Führungspositionen zu bringen, völlig egal welche Hintergrund sie haben.

    • @Emsch:

      Völlig richtig! Jede weitere Quote stellt die fachliche Eignung immer mehr in den Hintergrund ! Ist doch heute schon, wenn einen Minister sucht, dann schaut man erst nach dem Parteibuch, dann Geschlecht, dann Flügel in der Partei…… am Ende wird dann eine Frau Lamprecht oder eine Frau Spiegel Ministerin … Wo fachliche Kompetenzen dann keine Rolle mehr spielen. Ein Wirtschaftsminister der keine Insolvenz erklären kann, beruhigt mich auf keinen Fall…..

  • Für mehr Vielfalt ist sicher eine gute Sache - in Bezug auf Behinderungen oder ein paar andere Merkmale von Minderheiten oder Benachteiligten ist das ein "netter Zug" (also nicht unbedingt notwendig für die Macht), was Frauen, Hautfarben und Herkünfte angeht, ist es wahrscheinlich einfach notwendig für zukünftige Machtoptionen, weil die Gesellschaft in Zukunft eher nicht so deutsch-weiß und männlich ist. Vielfalt ist daher gut und wichtig, man sollte das alleine aber auch nicht zu hoch aufhängen und feiern: über die Inhalte sagt das noch gar nichts, und am Ende geht es in der Politik um Inhalte.

    Liz Truss neues Kabinett ist super-divers, gerade auf den Spitzenposten und zumindest nach deutsch-grünen Maßstäben, aber die Politik ist trotzdem hart rechts, auch gegen Ausländer und Migration etwa. Das ist auch wenig verwunderlich: ein Großteil der Welt ist ja nicht (so richtig) demokratisch, viele sind rechts-national, viele materiell oder kapitalistisch ausgerichtet, andere sehen die Religion als höchsten Wert und vieles andere. Es ist bunt, aber politisch sind es nicht immer grüne Inhalte. Da scheint mir Vielfalt kein Selbstzweck sondern mehr das Gewinnen von mehr Leuten für grüne Inhalte - um die es am Ende gehen sollte.

  • Was fehlt ist irgendwie der ganz normale Facharbeiter, oder? Handwerker fehlt auch. Studienabbrecher und ungelernte haben die Grünen genug.

    • @Der Cleo Patra:

      ...was bitte ist ein ganz " normaler Facharbeiter / Handarbeiten " ?

  • Ich wäre eher für eine Quote für Menschen mit Berufsabschluss und -erfahrungen in politischen Ämtern und Spitzenämtern. Qualifikationen, Fachkenntnisse und Fähigkeiten ausserhalb der politischen Blase sind in den Parteien deutlich unterrepräsentiert. Eine Diversitätsquote könnte dieses Problem noch verschärfen.

    • @Taztui:

      Qualifizierte voll ausgelastete Leute haben einfach keine Zeit für so ein Hobby.



      Und Alleinerziehende auch nicht.



      Da hilft keine Quote!

    • @Taztui:

      Menschen mit Berufsabschluss- und -erfahrungen würden sich sicherlich um anderes als um "Diversität" kümmern. Mir wird schlecht, wie hier Menschen nach Kriterien, die nichts mit der Aufgabe zu tun haben, kategorisiert und letztendlich bewertet werden; da steckt ein Danken dahinter, das eigentlich überwunden sein sollte.

  • Das wäre eine erschreckende Vorstellung, dass es zu Quotenregelungen bezüglich Hautfarbe, Geburtsland der (Groß-)Eltern, sexuelle Orientierung, Geburtsort (Ost/West), Wohnsitz (Stadt/Land), Kontostand, Berufsausbildung, Behinderung usw. kommen könnte.

    • @gyakusou:

      Ich finde die Klimakatastrophe wesentlich erschreckend als die paranoiden Phantastereien von Leute, die Orwell von rechts gelesen haben.

      Aber suum cuique.

    • @gyakusou:

      Es wäre vor allem wahnsinnig kompliziert. Ist ein biodeutscher (west) schwuler Mann im Alter von 60 z.B. nun diverser als eine gleichalteriger biodeutscher (ost) Schwuler , weil in der Bundesrepublik noch lange der Paragraph 175 StGB galt, der West also "verfolgter" war als der Ossi? Oder schlägt das Merkmal Ostdeutschland grundsätzlich jedes andere, da statistisch gesehen die Ostdeutschen....und da haben wir noch gar nicht angefangen mit Migrationshintergrund, Hautfarbe, Religion, Akzent, Behinderung, Körpergewicht...all das müsste ja je nach neuestem Stand der Diskriminierungsforschung präzise berechnet und austariert werden und dann in Quoten und Verfahren einfließen.

  • Die gerechteste aller Parteien ist nicht die erfolgreichste. Denn es kostet sehr viel Energie, alle erdenkliche Benachteiligungen jeweils zu debattieren.



    Und im Gegensatz zur Frauenquote, die immerhin die Hälfte der Bevölkerung betraf, gibt es bei den anderen Gruppen sehr geringe Anteile, die es schwierig machen, eine korrekte Repräsentanz zu erreichen.



    Und welche Repräsentanz ist das Ziel? Die Anteile in der Einwohner oder der Wahlberechtigten?



    Was ist mit einem Anteil an Kindern?



    Selbst die Ansprüche nach Herkunft, Alter und Sozialstruktur sind bereits unmöglich gemeinsam abzubilden...

    • @mensch meier:

      Bei gleicher Qualifikation wird der Person aus einer unterprivilegierten und -repräsentierten Gruppe der Vorzug vor denen aus der privilegierten Gruppe gegeben, solange bis die gesamtgesellschaftliche Verhältnisse im Kleinen abgebildet sind.

      Was ist daran so schwer zu verstehen?