piwik no script img

Sommerwelle mit Omikron BA.4 und BA.5Wie geht's eigentlich Corona?

Neue Subtypen und mehr Infizierte: Die Sommerwelle ist da, doch keiner regt sich richtig darüber auf. Wäre das angebracht? Und was wird im Herbst?

Konzert ohne Abstand oder Maske: gute Stimmung trotz hoher Inzidenzen Foto: Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Wie ist gerade die sommerliche Coronalage?

Eigentlich fällt es dem Coronavirus schwerer, sich zu verbreiten, je mehr die Sonne scheint. Darum sanken die Coronazahlen in den vergangenen beiden Sommern deutlich. Seinerzeit meldete das Robert Koch-Institut (RKI) durchschnittlich Neuinfektionen im dreistelligen Bereich. In diesem Jahr ist der Durchschnitt hingegen fünfstellig – und die Zahlen nehmen weiter zu.

Dabei gehen die Gesundheitsämter davon aus, dass die realen Infektionszahlen höher liegen als die gemeldeten. Viele Infizierte verzichten auf einen PCR-Test und kurieren sich bei Symptomen oder nach einem positiven Selbsttest einfach zu Hause aus. Trotzdem stieg die bundesweite 7-Tage-Inzidenz in der vergangenen Woche an und lag am Freitag wieder bei 427.

Weshalb steigt die Zahl der Infizierten in Deutschland plötzlich so stark an?

Der Grund dafür liegt nicht nur darin, dass weniger Menschen Maske tragen. Vielmehr lässt sich der Anstieg vor allem auf die Coronavarianten BA.4 und BA.5 zurückführen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft sie als „besorgniserregend“ ein. Wie die bisher in Deutschland vorherrschende Coronavariante BA.2, gehören BA.4 und BA.5 zu den sogenannten Omikron-Subtypen.

Allerdings sind sie offenbar ansteckender und verdrängen deshalb die Variante BA.2. Laut den aktuellen Berichten des RKI verdoppelten sich die Anteile von BA.4 und BA.5 in den vergangenen beiden Wochen. Und laut dem neuesten Bericht des Instituts vom Donnerstag macht BA.4 mittlerweile 4 Prozent aller Infektionen aus, während BA.5 bei 23 Prozent ursächlich ist. Ex­per­t*in­nen schätzen allerdings, dass die realen Zahlen auch hier deutlich höher liegen.

Wie bedrohlich sind die Varianten BA.4 und BA.5 für das deutsche Gesundheitssystem?

Zu den häufigen Symptomen soll nun wieder Husten gehören, während sich BA.2 eher durch Schnupfen äußerte. Kopfschmerzen, Fieber und Müdigkeit bleiben weitverbreitete Coronasymptome. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass die Omikron-Varianten eine höhere Zahl an schweren Coronaverläufen verursachen, teilt unter anderem die EU-Agentur zur Kontrolle übertragbarer Krankheiten ECDC mit.

In Deutschland warnt zurzeit niemand vor einer Überlastung des Gesundheitswesens durch die neuen Varianten. Seit Mai steht im wöchentlichen Bericht des RKI nicht mehr, dass die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland „sehr hoch“ sei, stattdessen sei sie lediglich „hoch“. Eine erste Studie weist zudem darauf hin, dass Omikron-Infizierte seltener langfristige Symptome – also Post oder Long Covid – entwickeln. Dazu gibt es allerdings insgesamt wenige Studien, gerade bezüglich der neuen Varianten, die es erst seit kurzer Zeit gibt.

BA.4 und BA.5 wurden im Januar zuerst in Südafrika nachgewiesen und führten dort im April zu einer weiteren Infektionswelle. Die ging laut offiziellen Angaben bereits nach einem Monat wieder zurück. Das könnte daran liegen, dass in Südafrika viele Maßnahmen wie eine Maskenpflicht in Innenräumen weiter bestehen.

In Portugal, wo die BA.5-Variante mittlerweile ebenfalls dominant ist, infizierte sich ein höherer Anteil an Menschen während der aktuell bestehenden Welle. BA.5 hat auch das portugiesische Gesundheitssystem nicht überlastet, doch die Gesundheitsbehörde meldete einen Anstieg an Menschen, die auf Intensivstationen behandelt werden mussten. Es starben auch wieder mehr Menschen im Zusammenhang mit Corona.

Wie gut wirkt der Impfstoff gegen die neuen Varianten?

Wie es aussieht, schützen die bisherigen Impfungen oder eine bereits durchgemachte Infektion vor einem schweren Krankheitsverlauf. Allerdings verhindert beides keine Ansteckung. Schon bei der BA.2-Variante fiel es dem coronatrainierten Immunsystem schwer, das Virus wiederzuerkennen. BA.4 und BA.5 können es offenbar noch besser umgehen. Corona bleibt außerdem für ältere Menschen und für jene mit Vorerkrankungen weiterhin eine potenziell tödliche Krankheit. Durchschnittlich starben in dieser Woche etwa 70 Menschen pro Tag im Zusammenhang mit Corona. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) empfahl den Risikogruppen deshalb, sich eine vierte Impfung zu holen.

Gibt es bald einen angepassten Impfstoff, der eine Ansteckung verhindert?

Alle Impfungen haben eine Wirksamkeit von unter hundert Prozent, das lässt sich nicht ändern. Außerdem ist die Impfstoffentwicklung zwar immer schneller, braucht aber trotzdem Zeit: Das Mainzer Unternehmen Biontech gibt an, in den kommenden Wochen die Studien­ergebnisse zu seinem an ­Omikron-Varianten angepassten Impfstoff vorlegen zu wollen. Eigentlich war dies schon für April geplant, wie der SWR berichtet.

Der US-Hersteller Moderna ist da schon einen Schritt weiter und hat seine Studienergebnisse bereits in dieser Woche vorgestellt. Diese klingen verhalten optimistisch: Der an Omikron angepasste Impfstoff erhöht demnach die Menge an Antikörpern, die verschiedene Varianten des Virus abwehren könnten. Doch beide Impfstoffe kommen wohl zu spät, um die BA.5-Welle zu brechen, denn sie sind für den Spätsommer angekündigt. Und weil der neue Impfstoff bisher nur an BA.1 angepasst ist, ist er wahrscheinlich auch nicht besonders wirksam gegen die neuen Subtypen.

Ergreift die Bundesregierung nun wieder Maßnahmen, um die Welle einzudämmen?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betonte am Freitag, die Sommerwelle sei zwar da, aber es sei auch „kein Alarm notwendig“. Wenn alle selbst vorsichtiger wären, könne der Sommer gut werden. Der Gesundheitsminister empfahl außerdem, in Innenräumen freiwillig Maske zu tragen.

Die deutsche Stiftung für Patientenschutz sprach sich hingegen dafür aus, mehr für den Schutz von Älteren und Vorerkrankten zu tun. Allerdings ist nach dem aktuellen Infektionsschutzgesetz nicht die Bundesregierung in der Verantwortung, stattdessen müssten die Länder Maßnahmen ergreifen.

In Schleswig-Holstein und Niedersachsen ist die Inzidenz zurzeit am höchsten, mit mehr als 700 Neuinfektionen in sieben Tagen pro hunderttausend Einwohner*innen. Doch selbst hier empfehlen die zuständigen Minister nur Eigenverantwortung. „Mit einer Kombination aus Masketragen, Abstandhalten und regelmäßigem Testen können wir uns auch vor dieser neuen und sehr ansteckenden Variante des Virus schützen“, teilte Manfred Böhling vom niedersächsischen Ministerium für Gesundheit am Dienstag mit.

Fällt dann wenigstens die Herbstwelle aus?

Wie die Pandemie im Herbst weiter verläuft, kann niemand sagen. Bisher war das Virus immer wieder für Überraschungen gut. Der Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung forderte jedenfalls in der vergangenen Woche, dass die Bundesregierung sich auf eine Herbstwelle vorbereiten solle. Dafür wäre eine bessere Datenlage nötig und das Infektionsschutzgesetz müsste entsprechend angepasst werden: Am 23. September läuft das bisherige Infektionsschutzgesetz aus. Nach eigenen Angaben arbeitet die Bundesregierung aber noch an keinem neuen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor einem Schnellschuss.

Während Lauterbach die Eckpunkte für den Winter schon vor der Sommerpause fixieren will, gab Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zuletzt an, er wolle das neue Gesetz erst danach fertigstellen. Buschmann will auf einen wissenschaftlichen Bericht warten, der Ende Juli erscheint und die bisherigen Maßnahmen auswertet. Dieser Bericht allerdings steht schon jetzt in der Kritik. Fachkreise bemängelten, dass bereits das erste Kapitel des Berichts handwerklich schlecht sei, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Das Kapitel sei einseitig und betone die negativen Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • "Bisher war das Virus immer wieder für Überraschungen gut." Es entwickelt sich, für ein Virus nicht sehr überraschend, zu einem immer ansteckenderen Erreger. "Eigentlich fällt es dem Coronavirus schwerer, sich zu verbreiten, je mehr die Sonne scheint." Uneigentlich gab es dramatische Anstiege der Infektionszahlen, in Südafrika, Indien und Südamerika, als dort Sommer war. Dass sich Leute häufiger anstecken, liegt daran, dass sie weniger Abstand halten, seltener Maske tragen und sich in größeren Gruppen treffen. Gleichzeitig beginnt eine neue Welle. Wie gefährlich BA.4 und 5 sind, ist nicht festzustellen, da beide Varianten noch nicht lange genug grassieren; die Todesfälle hinken der Infektion 4-6 Wochen hinterher. Aus dem gleichen Grund ist noch nicht gewiss, dass Omikron weniger Patienten Long Covid beschert, denn bis das feststeht, vergehen Monate. Im Herbst steht mit großer Wahrscheinlichkeit eine neue Welle ins Haus, denn mittlerweile geben die Varianten sich alle drei Monate die Klinke in die Hand, hübsch abzulesen an der Varianten-Statistik im Tagesspiegel.

  • Ich war 2020 infiziert, wurde danach 3x geimpft, habe mich nun wieder infiziert und kann nicht gerade behaupten, dass ich einen leichten Verlauf habe. Das kommt nunmal dabei heraus, wenn man immer mit der Bahn fahren muss, die ihre Züge vollstopfen will und einer eingeknickten Politik, die nicht mal mehr eine konsequente Maskenpflicht umsetzt. Was soll denn dabei auch anderes herauskommen als Dauerinfektionen? Da kann man dann auch schon mal infiziert einkaufen gehen. Nach mir die Sintflut.

  • "Viele Infizierte verzichten auf einen PCR-Test und kurieren sich bei Symptomen oder nach einem positiven Selbsttest einfach zu Hause aus. "



    Nun, da es mich nach langer Zeit dann auch getroffen hatte, kann ich da nur den Kopf schütteln ob so einer Aussage. Ich habe nach positivem Schnelltest in einer Teststation versucht, einen PCR-Test zu bekommen - es gab schlicht keine Stelle in erreichbarer Entfernung mehr, wo ich einen entsprechenden Test hätte durchführen lassen können.



    Lt. Hausarzt (Baden-Württemberg) bräuchte ich als 3fach geimpfter eh keinen mehr, wenn ich nicht im Gesundheitswesen arbeiten würde. Also zuhause geblieben, nach einer Woche angefangen, Selbsttests zu machen bis ich zwei Tage nacheinander negativ war, dann an offizieller Teststation erneut Schnelltest - negativ - am nächsten Arbeitstag, wieder gearbeitet.



    Ob ich in der Statistik auftauche? Ich glaube nicht.

  • Hauptgrund für den Anstieg - Ferien und damit verbundene Flugreisen. Es lässt sich ja kein Mensch mehr testen, nur für manche Flüge muss man das. Interessiert dann auch keinen mehr wenn positiv raus kommt - nur kannst dann halt die Reise vergessen.

  • Alle sind gegen die FDP ! Das 9 € - Ticket mit der Enge in den Zügen und dem Run auf die verschiedenen Corona-Festivals (Hurricane in Scheeßel, wird auf arte.de übertragen, die neuen Varianten tarnen sich bis Mittwoch) erfordern neuen Handlungsbedarf gegen die Kubickis.

  • 70 Tote pro Tag "im Zusammenhang mit Corona"? Okay, und was bedeutet die Formulierung nun wieder genau?

    • @Kawabunga:

      an/mit/durch C19, wie auch schon in den vergangenen 2,5 Jahren.

      • @AusBerlin:

        @Ausberlin und Trollator:



        Also wieder der gleiche schwammige Kram bzw. die miserable Kommunikationsstrategie, der/die uns "damals" schon die elendigen Diskussionen um "an/mit" eingebracht hat? Suuuuuper...

        • @Kawabunga:

          Diese elendigen Diskussionen um "an/mit" kamen übrigens oft von Leuten, die mit dieser Problematik vollkommen überfordert schienen und auf komplizierte Fragen einfache Antworten erwarten.

        • @Kawabunga:

          Wenn Ihnen ein eindeutiger Nachweis bekannt ist, ob z.B. ein Toter an Lungenentzündung oder am C19-Virus starb, dann präsentieren Sie Ihn doch einfach. Und vielleicht fällt Ihnen ja auch zu AIDS noch was brauchbares ein.

          • @AusBerlin:

            Zwischenzeitlich hatte man doch entsprechende Zahlen. Hier in Bremen z. B. wurde es erhoben, ob Personen, die Covid-19-positiv im Krankenhaus verstorben sind, ohne die Infektion mutmaßlich überlebt hätten. Und ich meine, solche Zahlen auch für andere Bundesländer gesehen zu haben.

            Hätte man diese Zahlen früher geliefert, hätte man den Querdenkern viel Luft aus den Segeln nehmen können. Ansonsten gilt: locker durch die Hose atmen und nicht immer sofort reflexhaft auf irgendwas vermeintlich wahrgenommenes anspringen.

            • @Kawabunga:

              Welche Zahlen? Nennen Sie bitte welche, wenn möglich mit Quellenangabe. Danke.

    • @Kawabunga:

      Das bedeutet, dass unbekannt ist, wie groß der Anteil derer ist, die an irgendetwas anderem gestorben sind aber auch Corona hatten. Die tatsächliche Übersterblichkeit wäre spannend, aber die Zahlen gibt es gewöhnlich erst viel später.

  • Solange es keine Übersterblichkeit gibt, ist doch alles gut. Bei einer Inzidenz von 500 und mit Dunkelziffer 1000 sind bei sonst 3.000 Sterbenden täglich bis zu 100 mit COVID keine Übersterblichkeit sondern statistisch unvermeidlich. Gestern wurden 19 gemeldet. Also kein Panik. Das nutzt nur Maskenherstellern, Testverkäufern und Impfprofiteuren.

    • @Taztui:

      "nutzt nur Maskenherstellern" ← die hunderttausenden mit Long Covid und Risikopatienten können über diesen Kommentar nur noch sarkastisch lachen; wenn es nicht für Hass genügt.

      Ich persönlich habe über Corona einen großen Teil meines vorherigen Vertrauens in meine Mitmenschen verloren.

      Kommentare wie dieser hatten einen großen Anteil daran.

      FFP2-Masken in Innenräumen sind noch vor Impfungen das wirksamste Mittel, das wir gegen die Verbreitung von Corona haben; auch gegen Omikron. Zusammen mit Impfungen bremsen sie die Verbreitung der immer nächsten Welle.

      Würde das konsequent durchgehalten, wäre es möglich, sich im Freien oder in Kleingruppen mit anderen Menschen zu treffen, ohne ein übermäßiges Infektionsrisiko einzugehen. Aber Risikogruppen sind ja egal, kennen wir ja inzwischen. Beim Einkaufen keinen Lappen vorm Gesicht zu tragen ist wichtiger, als Leben und Gesundheit zu schützen.

      Masken und Impfungen nutzen all denen, die sie vor einer Ansteckung bewahren.

  • Steht da in der Bildbeschreibung tatsächlich "Viele Menschen bei einem Konzert der Toten Hoden in Köln"? Ich muss mal schauen, was die mir wieder ins Glas geträufelt haben ...

    • @Aurego:

      Tote Hoden würden viele Probleme lösen helfen...

    • @Aurego:

      ...offensichtlich war ich in der gleichen Kneipe... zum Wohl.