Aufrüstung der Bundeswehr: Welche Waffen sollen es sein?
Mittels eines Sondervermögens soll die Bundeswehr erheblich besser ausgerüstet werden. Zehn Punkte von einer langen Einkaufsliste.
Die Union pokert noch um die Details, die Ampel ist aber entschlossen: Durch eine Grundgesetzänderung will sie ein Sondervermögen für die Bundeswehr schaffen und Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro aufnehmen. Dem zugehörigen Gesetzesentwurf zufolge soll das Geld in „bedeutsame und insbesondere komplexe Ausrüstungsvorhaben“ fließen. Dazu kommen die Mittel aus dem jährlichen Verteidigungshaushalt, der auf über 50 Milliarden Euro im Jahr steigt. Allein 2021 sind über 12 Milliarden Euro davon für Beschaffungen sowie die Entwicklung neuer Waffen und Ausrüstungsgegenstände vorgesehen.
Ein stolzes Budget. Was dafür auf der Einkaufsliste steht? Einige Projekte sind schon im Haushaltsentwurf für dieses Jahr vorgesehen, die Gespräche über alle weiteren Projekte laufen noch. Hier sind erst mal zehn davon.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
1. Über den Iron Dome wurde in den vergangenen Tagen viel gesprochen. Anne Will fragte in ihrer Talkshow den Bundeskanzler nach dem israelischen Raketenabwehrsystem, Scholz schloss nichts aus. Ein Iron-Dome-System besteht aus einem Radar (das angreifende Raketen im Anflug identifiziert), einer Kontrollstation (die den Einschlagpunkt berechnet) und Abwehrraketen (die von Lkw-Ladeflächen aus starten und anfliegende Raketen in der Luft vernichten).
Dass sich Deutschland am Ende tatsächlich einen Iron Dome anschafft, ist allerdings unwahrscheinlich. Das System ist gut geeignet für die Verteidigung eines kleinen Landes gegen kleine Raketen aus kurzer Entfernung, im Falle Israels vor allem aus dem Gazastreifen. In Deutschland geht die Gefahr von größeren Raketen aus größerer Entfernung aus, sprich: aus Russland. Die Verteidigungsfähigkeiten dagegen sind im Moment gering. Von ihrem Flugabwehrsystem Patriot besitzt die Bundeswehr nur zwölf Staffeln mit jeweils bis zu acht Abschussgeräten (früher waren es schon mal 36 Staffeln) und hat dafür verhältnismäßig wenige Raketen auf Vorrat. Einzelne Orte könnten damit für einen überschaubaren Zeitraum gegen Angriffe geschützt werden, mehr nicht. Raketen, in sehr großer Höhe (bis zu 100 Kilometer) liegen außerdem außerhalb der Reichweite.
Dafür kämen eher Systeme wie das israelische Arrow 3 infrage, das in dieser Woche ebenfalls im Gespräch war. Allerdings: Flächendeckend könnte Deutschland auch damit nicht geschützt werden – oder zumindest nur beim Kauf einer sehr hohen Stückzahl. Die 2 Milliarden Euro Anschaffungskosten, von denen die Bild schrieb, würden dafür nicht ausreichen. Perfekten Schutz bietet ohnehin kein System; erfolgt ein Angriff mit vielen Raketen gleichzeitig, kommen fast immer welche durch. Und am Ende wird es hier vielleicht nicht um eine nationale Entscheidung gehen, sondern um eine länderübergreifende zum Schutz des ganzen Nato-Gebiets.
2. Schon viel weiter ist man beim Kauf neuer Transporthubschrauber. Der aktuelle Haushaltsentwurf sieht vor, dafür bis zum Ende des Jahrzehnts rund 5 Milliarden Euro zu reservieren. Die neuen Hubschrauber sollen den CH-53 ersetzen – das bisherige Modell der Bundeswehr, das aus den 1970er Jahren stammt und so oft ausfällt wie kein anderes Fluggerät der Luftwaffe. Wenn er mal fliegt, kann er bis zu 36 Soldat*innen oder Lasten bis zu 7 Tonnen transportieren. Benötigt werden solche Hubschrauber in diversen Kriegsszenarien, eingesetzt wird der CH-53 aber auch bei Katastrophen wie Hochwasser. Ein Vergabeverfahren für das Nachfolgemodell lief eigentlich schon längst, wegen vieler deutscher Sonderwünsche wurden die Angebote aber zu teuer. Vor anderthalb Jahren stoppte das Verteidigungsministerium schließlich den Prozess. Stattdessen kommt jetzt wohl ein Standardmodell ohne Sonderwünsche, zwei US-Hersteller sind dafür im Rennen.
3. Die Korvette K130 ist ein Kriegsschiff mittlerer Größe. Im Auftrag der UN kontrolliert die Marine damit das Waffenembargo gegen den Libanon, im Verbund mit der Nato patrouillieren die Korvetten durch Nord- und Ostsee – derzeit verstärkt. Fünf Stück wurden in den Nullerjahren bestellt und zunächst mit großen Mängeln geliefert, fünf weitere sind derzeit für 2 Milliarden Euro in Herstellung. Noch mal fünf weitere könnten jetzt folgen und die erste Fuhre ersetzen, die offenbar schon großen Überholungsbedarf hat.
4. Besonders teuer könnte die Beschaffung neuer Munition werden: In einer Wunschliste des Verteidigungsministeriums aus dem Herbst waren 20 Milliarden Euro vorgesehen, um langfristig über alle Waffengattungen hinweg die Vorräte aufzufüllen. Für den Kriegsfall sollten die Reserven 30 Tage ausreichen, heißt es oft. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums gibt es diesen starren Richtwert aber nicht mehr. Stattdessen werde für jedes Waffensystem der Vorrat individuell auf Grundlage von Nato-Vorgaben berechnet – und die seien vertraulich.
5. Probleme mit der persönlichen Ausrüstung der Soldat*innen wurden in den letzten Jahren zum Teil gelöst. Die alten Kampfstiefel zum Beispiel, die beim Marschieren oft Blasen verursacht haben, sind seit 2021 passé. Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, verzeichnet in ihrem Jahresbericht auch Fortschritte bei Schutzwesten und bei der Kälteschutzkleidung für Gebirgsjäger. Anderswo fehlten aber weiterhin Ausrüstungsgegenstände wie warme und trockene Kleidung – und die vorhandenen Regenjacken sind unbeliebt, weil Taschen fehlen und das Material veraltet ist. Dieses Problem wird allerdings nicht primär durch die Einführung des Sondervermögens gelöst werden. Die Kosten für neue Klamotten sind im Vergleich zu Jets, Panzern und Raketen schließlich überschaubar. „Das Problem liegt auch im Beschaffungssystem, nicht nur am Geld“, sagte Högl bei der Vorstellung ihres Berichts.
6. Der Marder gehört zu den Oldtimern der Bundeswehr, verwendet wird er seit 1971. Als Schützenpanzer ist er dafür gedacht, Infanteristen geschützt ins Gefecht zu transportieren und ihnen dort mit seiner Kanone Feuerunterstützung zu geben.
Zur Hälfte ist der Marder mittlerweile durch den neuen Schützenpanzer Puma ersetzt, die verbliebenen 382 Exemplare werden in den nächsten Jahren auch aussortiert werden: Im aktuellen Haushaltsentwurf sind über die nächsten Jahre verteilt rund 4 Milliarden Euro für eine zweite Fuhre Puma-Panzer vorgesehen. Die Entwicklung des Puma hatte länger gedauert als ursprünglich geplant und wurde teurer als veranschlagt, unter anderem auch hier durch Sonderwünsche aus der Politik. Die bereits ausgelieferten Exemplare müssen schon jetzt nachgerüstet werden. Zumindest aber könnten in Zukunft die laufenden Kosten sinken, wenn tatsächlich alle Marder ersetzt sind und sich die Bundeswehr auf den Betrieb eines Schützenpanzers konzentriert.
7. Länger dauern wird es bis zur Inbetriebnahme neuer Kampfpanzer. Was Kampfpanzer von Schützenpanzern unterscheidet? Sie sind stärker bewaffnet und gepanzert, dafür nicht zum Transport von Truppen konzipiert. Die Bundeswehr nutzt aktuell den Leopard 2, der im Kalten Krieg entworfen wurde. Es gibt ihn in verschiedenen Varianten, die technisch nicht auf dem Stand der 1970er stehen geblieben sind. Die Bundeswehr lässt nun viele ihrer Exemplare modernisieren.
Trotzdem soll der Leopard 2 irgendwann durch einen ganz neuen Kampfpanzer ersetzt werden. Unter dem Projektnamen Main Ground Combat System (MGCS) arbeiten Deutschland und Frankreich gemeinsam an der Entwicklung. Solche gemeinsamen Projekte könnten dabei helfen, Geld effizienter einzusetzen: Wenn nicht jedes europäische Land seine eigenen Modelle baut, könnte der Stückpreis sinken – vorausgesetzt, das Projekt wird nicht durch Sonderwünsche von allen beteiligten Seiten überfrachtet.
Was das MGCS im Detail können soll, ist noch unklar. Die Gesamtkosten sind auch noch ungewiss, die Fertigstellung ist für 2035 geplant, aber nicht garantiert. Übrigens: Russland hat mit dem T-14 schon 2014 einen Kampfpanzer der nächsten Generation fertiggestellt. Weil das Geld fehlte, hat sich die Serienproduktion aber verzögert.
8. Er bombardierte Ziele in Jugoslawien, flog zur Einschüchterung im Tiefflug über das Camp der G8-Gegner*innen in Heiligendamm und lieferte Aufklärungsbilder aus Afghanistan sowie dem Irak: Der Tornado ist seit den 1980er Jahren zu diversen Zwecken im Einsatz. Lange ist der Kampfjet aber nicht mehr zu gebrauchen, die Wartung der 93 Exemplare ist mittlerweile sehr aufwendig.
Zum Teil sollen sie in den nächsten Jahren durch amerikanische F-35-Jets ersetzt werden. Der Bundestag hat zwar noch nicht zugestimmt, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat sich mit dem Segen des Bundeskanzlers aber schon festgelegt. Sie will bis zu 35 Stück beschaffen, die von den Tornados unter anderem deren Rolle in der nuklearen Teilhabe der Nato übernehmen sollen. Sprich: im Ernstfall US-Atombomben aufnehmen und abwerfen.
Der Tarnkappenjet ist hochmodern und wird auch von mehreren anderen Nato-Staaten eingesetzt. Dadurch könnten im Betrieb bestenfalls Synergieeffekte entstehen. Allerdings ist der F35 in der Beschaffung extrem teuer. Die genauen Kosten sind noch unklar, die Schweiz bezahlt für 36 Exemplare aber 6 Milliarden Euro. Wenn es blöd läuft, könnte die F35 außerdem die Pannenserie der Bundeswehr fortsetzen: Wegen zahlreicher Mängel und immenser Unterhaltskosten hat die US-Regierung gerade erst ihre eigenen Bestellungen zurückgefahren. Günstiger und zuverlässiger wäre die F18 gewesen, die ebenfalls lange im Gespräch war, für den Einsatz von Atomwaffen aber erst umgerüstet werden müsste.
9. Zusätzlich zu den F-18 will Lambrecht 15 zunächst weiterentwickelte Eurofighter kaufen, die Kosten dafür werden wohl deutlich über 1 Milliarde Euro liegen. Um die komplette Tornado-Flotte zu ersetzen, werden wohl noch weitere Bestellungen nötig sein. Ein neuer Hightech-Jet unter dem Projektnamen FCAS, an dem Deutschland, Spanien und Frankreich gemeinsam arbeiten, wird frühestens 2040 fertig.
10. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel darauf geeinigt, die Bundeswehrdrohnen vom Typ Heron TP zu bewaffnen. Fünf dieser Drohnen hat die Bundeswehr seit 2018 und bis 2027 aus Israel geleast, die Mietkosten betragen insgesamt rund 1 Milliarde Euro. Die Bewaffnung ist relativ unkompliziert möglich. Langfristig soll die Heron aber durch die Eurodrohne ersetzt werden, die derzeit als Gemeinschaftsprojekt entwickelt wird. Für die Beschaffung von 21 Exemplaren, zunächst ohne Bewaffnung, hatte noch die Große Koalition 3 Milliarden Euro freigegeben. Kommen jetzt Raketen hinzu, gibt es Probleme in der Entwicklung oder sind noch mehr Systeme gewünscht, wird der Betrag steigen.
Korrektur (4. April 2022): In einer ersten Version des Textes stand, die Bundeswehr verfüge über zwölf Stück der Patriot-Flugabwehrsysteme. Tatsächlich sind es zwölf Staffeln mit jeweils bis zu acht Abschussgeräten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“