piwik no script img

Ampel und SPD-FDP-KoalitionLinks-liberal, zweiter Akt

Essay von Deniz Anan

Das Ampelbündnis sieht sich in der Tradition der sozial-liberalen Koalition der frühen 1970er Jahre. Schon jetzt sieht man deutliche Parallelen.

Illustration: Katja Gendikova

M it dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“ stellt sich die neue Ampelregierung ausdrücklich in die Tradition der sozial-liberalen Koalition, deren erste Regierungserklärung „mehr Demokratie wagen“ als Ziel benannte. Im „Zweieinhalbparteiensystem“ des Jahres 1969 beruhte die Koalitionsbildung auf Entscheidungen der Parteien, von denen jeweils zwei zusammen über eine Bundestagsmehrheit verfügten.

Zuvor hatten im Bund meist CDU/CSU und FDP, zuletzt aber CDU/CSU und SPD koaliert, SPD und FDP nur in den Ländern. Die Regierungsbildung überraschte manche; Kanzler Kurt Georg Kiesinger wurde erst im Laufe des Wahlabends der Machtverlust seiner CDU/CSU bewusst, die mit 46,1 % klar vor der SPD (42,7 %) lag.

Zwei Gründe bewogen SPD und FDP 1969 zum gemeinsamen Bündnis: erstens das Erproben einer strategischen Machtoption, die beiden Parteien größeren Einfluss als in einer Juniorpartnerschaft mit der Union garantierten. Und zweitens der gemeinsame Wunsch zur Verwirklichung allgemein als dringend notwendig empfundener Reformen in der Gesellschafts- und Ostpolitik.

Die SPD stellte nun erstmals den Kanzler. Die FDP erhielt trotz ihres Stimmenanteils von nur 5,8 % mit dem Innen- und dem Außenministerium zwei Schlüsselressorts. 1972 ging zusätzlich das Wirtschaftsministerium an die Partei. Damit begann eine bis heute fortgeführte Tradition, dem Juniorpartner überdurchschnittlichen Einfluss zuzubilligen, um ihn dauerhaft an die Koalition zu binden, vor allem dann, wenn er über andere Optionen verfügt und/oder auf interne Widerstände stößt, wie zuletzt die SPD bei der Groko.

Marko Petz
Deniz Anan

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TUM School of Social Sciences and Technology in München. Er forscht zu den Programmen von Grünen und FDP.

Gesellschaftspolitischer Richtungswechsel

Dies gleicht auch die potenziell existenzbedrohenden Nachteile für das Verlassen des politischen Lagers aus. So verlor die FDP bei ihrem zweimaligen Wechsel 1969/82 jeweils rund 30 % der Anhänger. Bei der Koalitionsbildung geht es also nicht nur darum, dass programmatisch homogene Partner gemeinsame Inhalte umsetzen wollen (policy-seeking), sondern auch machtstrategische Erwägungen (office-seeking) spielen eine Rolle.

Um die Distanz der Partner von 1969 zu ermessen, muss man wissen, dass die FDP damals auch „Nationalliberale“ – bis hin zu ehemaligen Nazis – in ihren Reihen hatte und noch 1957 allen Ernstes zum Parteitag in die „Reichshauptstadt Berlin“ lud. Das zweite Motiv war der Wunsch nach Reformen. Der Bundesrepublik ging es wirtschaftlich blendend, aber gesellschaftlich herrschte Stillstand.

Noch 1968, als die DDR den § 175 abschaffte, wurden jährlich über 2.000 männliche Homosexuelle verurteilt, Frauen benötigten, um zu arbeiten, die Zustimmung des Ehemanns. Die sozial-liberale Koalition arbeitete dann, teils vom Verfassungsgericht ausgebremst, ein gesellschaftspolitisches Thema nach dem anderen ab:

Senkung des Wahl- und Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre (1970/72), Gleichstellung der Geschlechter im Ehe- und Familienrecht (1977), Scheidungsrechtsreform im Sinne des Zerrüttungsprinzips (1976), Streichung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerung (1977), Abschaffung des § 175 (1973), Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen (1974), Wegfall von „Kuppelei“ (1970) und Pornografieverbot (1974) im Zuge der „Großen Strafrechtsreform“.

Als dringend reformbedürftig wurde auch die Ost- und Deutschlandpolitik empfunden. Die Leugnung der Realitäten schränkte vor allem die Freiheit im Berlin-Verkehr merklich ein.

Opfer ihres eigenen Erfolgs

Die sozial-liberale Koalition setzte gegen den Widerstand von CDU/CSU und Vertriebenen, aber mit Rückhalt in der Bevölkerung, das von Egon Bahr schon 1963 skizzierte Konzept einer neuen Ostpolitik um und fand, ohne völkerrechtliche Anerkennung der DDR, aber durch Verzicht auf gewaltsame Grenzänderungen, in Verträgen mit den östlichen Nachbarstaaten einen Modus Vivendi mit spürbaren Erleichterungen. Paradoxerweise wurde die sozial-liberale Koalition dadurch zum Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Das Bündnis hatte seinen Zweck weitgehend erfüllt, der „Vorrat an Gemeinsamkeiten“ war aufgebraucht. Das ökonomische Klima verschlechterte sich, die Dominanz des marktliberalen Paradigmas begann. Die FDP, die 1971 noch „Reform des Kapitalismus“ gefordert hatte, rief nach Deregulierung, Privatisierung, Flexibilisierung und Steuersenkung, während die SPD weiter auf Sozialstaatsexpansion und Nachfragesteuerung setzte.

Zusammengehalten wurde die Koalition zuletzt vor allem durch einen gemeinsamen Gegner: Franz Josef Strauß, 1980 Unionskanzlerkandidat. Auch wenn sich SPD und FDP nicht mehr viel zu sagen hatten, in ihrer Ablehnung des konservativen Bayern, der Nähe zu diktatorischen Regimen wie Chile und Südafrika zeigte, waren sie sich einig. Als Strauß geschlagen war und die Grünen künftige sozial-liberale Mehrheiten unwahrscheinlich machten, vollzog die FDP 1982 dann den erneuten Wechsel zur CDU/CSU.

Das nun gewählte Etikett „Fortschritt“ liegt nahe für eine Kooperation von zwei eher linken mit einer liberalen Partei. Verdankt auch die Ampelkoalition, von der aktuellen Schwäche der Union abgesehen, ihr Entstehen machtstrategischen Erwägungen und der Notwendigkeit gesellschaftspolitischer Reformen? Für SPD und FDP gilt heute wie damals, dass das gemeinsame Bündnis beiden Parteien mehr Einfluss verschafft als andere Optionen.

Kitt durch den politischen Feind

Anstatt der ungeliebten Rolle als Juniorpartner verfügt die SPD nun über das Kanzleramt samt Richtlinienkompetenz und großen europapolitischen Spielräumen. Die FDP erhält als kleinster Partner mit Finanz-, Justiz- und Verkehrsministerium gleich drei bedeutende, mit weitreichenden Steuerungskompetenzen und Ressourcen ausgestattete Ressorts. Die Partei erzielte zudem beachtliche inhaltliche Zugeständnisse:

Die Ampelkoalition verzichtet – entgegen den Plänen von SPD und Grünen – auf Steuererhöhungen und hält an der Schuldenbremse fest. Es wird keine „Bürgerversicherung“ geben, kein Tempolimit, keinen Zulassungsstopp für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und keine Regulierung der Provisionsberatung. Hingegen betont der Koalitionsvertrag mit der verstärkten Förderung privater Investitionen und der beschleunigten Digitalisierung zwei FDP-Kernanliegen.

Dies überrascht nicht, hatte doch die FDP als Angehörige des anderen Lagers (wie 1969) den weitesten Weg zum Ampelbündnis zurückzulegen und benötigt zur Rechtfertigung gegenüber der eigenen Anhängerschaft den Verweis auf deutliche Erfolge. So hatte die FDP 2005 erklärt, man wolle das rot-grüne „Elend nicht verlängern“, und noch im Sommer räumte Parteichef Christian Lindner ein, ihm fehle „die Fantasie, welches Angebot [SPD und Grüne] der FDP machen könnten.“

Diesen überproportionalen Einfluss hätten, wäre es zu einem Jamaika-Bündnis gekommen, die Grünen einfordern können. In der Ampel scheinen sie gemessen am Wahlergebnis angesichts mit fünf Ressorts – darunter weder Finanzen noch Verkehr, aber die für die Partei wichtigen Bereiche Umwelt, Wirtschaft/Klima und Agrar, außerdem das Außenamt – eher angemessen als überproportional vertreten.

Belohnung für den Richtungswechsel der FDP

Die auf ökonomischem Gebiet heterogenen Ampelpartner präsentieren vor dem Hintergrund einer guten Wirtschaftslage nun wie 1969 eine umfassende gesellschaftliche Reformagenda:

Hanf-Freigabe, Streichung des § 219a StGB, gemeinsames Sorgerecht zweier Mütter, Selbstbestimmungsgesetz für Trans-Personen, „Spurwechsel“ für Asylsuchende, erleichterte Einbürgerung, Familiennachzug, Ende der Ankerzentren, Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, Verzicht auf anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, un­ab­hän­gi­ge*r Polizeibeauftragte*r, Wahlalter 16 Jahre, vorausgesetzt, die Unionsparteien spielen mit.

Dieses Reformpaket steht ohne Zweifel für „mehr Fortschritt“, ist mit dem sozial-liberalen Aufbruch der 1970er jedoch nur bedingt vergleichbar: Ein der Ostpolitik entsprechendes außenpolitisches Reformprojekt ist nicht in Sicht. Hier drohen im Gegenteil eher Konflikte. Manches fehlt – Paritätsgesetz, Reform des § 218, und vor allem ist der allgemeine Unmut über die Gesellschaftspolitik weniger stark: Die „Ehe für alle“ gibt es längst, die Wehrpflicht ist Geschichte.

Reformpolitik erscheint heute somit stärker als im Nachhinein vorgebrachte Rechtfertigung denn als auslösendes Moment für die Bildung der Koalition. Wiederholt sich Geschichte? Die Ampelpartner sind in jedem Fall gut beraten, einen Blick ins Geschichtsbuch zu werfen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist nicht so gering, dass nach Abarbeiten der gesellschaftspolitischen Reformen die ökonomischen Unterschiede zwischen den Ampelpartnern deutlicher hervortreten, die Koalition aber in vier Jahren auf einen CSU-Kanzlerkandidaten trifft.

Söder ist nicht Strauß. Doch die unmittelbar einsetzende CDU/CSU-Kritik an der „links-gelben“ Koalition als angebliches Sicherheitsrisiko erinnert an die 1970er Jahre. Eine solche Polarisierung hat das Potenzial, die Ampelkoalition zu ­einen und mit einer Perspektive über das Jahr 2025 hinaus zu versehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • gut beschrieben und auch gleich die möglichen Fallstricke aufgelegt.



    Die CDU/CSU gewinnt wenn die Ampel bei der innerem Sicherheit,Migration und/oder wirtschftlich versagt.



    Sollte die Arbeitslosenquote im ländlichen Raum aufgrund deindustrialisierung ansteigen ists vorbei mit dem schönen Leben in der Großstadt das sollte die Regierung immer vor Augen haben Deutschland ist nicht bloß X-hain und Schanze….



    waren ja auch schon die Gründe für die letzte Abwahl SPD niedergang Ruhr/Saar sowie die Krise nach 2000.



    Was hilft die schönste Gesellschaft wenn keine vernünftige Arbeit da ist

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Er forscht zu den Programmen von Grünen und FDP.“



    Ein „weites Feld“. – Und für sowas gibt`s Geld?

  • Na Servus - ein Analysist mit Lederhose.

    “ Im „Zweieinhalbparteiensystem“ des Jahres 1969 beruhte die Koalitionsbildung auf Entscheidungen der Parteien, von denen jeweils zwei zusammen über eine Bundestagsmehrheit verfügten.



    Zuvor hatten im Bund meist CDU/CSU und FDP, zuletzt aber CDU/CSU und SPD koaliert, SPD und FDP nur in den Ländern. Die Regierungsbildung überraschte manche; Kanzler Kurt Georg Kiesinger…“ & nicht nur ihn!



    Und Onkel Herbert ebenso & striktemang dagegen => GroKo weiter.



    Nein. Young man - Willy & Löckchen Walter Scheel - They made it • & daher -

    kurz - “Mehr Freiheit wagen“ 🗽 ? - vel -



    Doch eher “Hoch auf dem gelben 🛒 2.0“



    Gellewelle&Wollnichwoll! - 🤢🤮🤑💰-



    Walter - Laß gehn - “…sitz ich 🤬 beim Schwager VORN 📯🎶 (🤬© PUs Perle;))



    m.youtube.com/watch?v=6y8otC57gcg =>🤬 Übernehmens - wa!

    Na Mahlzeit - Aber - So geht das! Gelle.



    (© Kurt Vonnegut;)) 🙏

  • Soll das Parteiprogramm überhaupt irgend etwas bedeuten, dann hat die FDP heute überhaupt rein gar nichts mit der FDP der 1970er zu tun.

    Diese Partei ist entkernt worden und betätigt sich heute als bezahlte Lobbyorganisation.

    Wer's nicht glaubt möge einen Blick in die Spendenregister werfen.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      RECHT SO 👍

    • @tomás zerolo:

      anschließe mich.

      Halt wat jung de Jung.



      “ Dr. Deniz Anan; Alter 40; Universitätsdozent; 2 Kinder; Mitglied Elternbeirat Kita Die Kleinen Strolche / Amnesty International / Augsburg international ...“



      & Däh - Na Servus2 -



      Beruft sich auf Max Weber: Das Bohren von harten Brettern - ersichtlich was falsch verstanden - wa!



      Paßt damit gut zu manch Edelfeder di taz van Bayernkurier Immergriiens. Gell

      unterm—-servíce—- 📯— F.D.P.



      martina-wild.de/kandidat/dr-deniz-anan/ - wat höbt wi lacht - sorry -

  • Also wenn spd und grüne links sind, und die fdp liberal, wo ich jetzt nicht den unterschied zwischen liberal und links verstehe!!!!!!, wo bitte ist dann die mitte?????



    die cdu?

    manche leute, selbst sogenannte forscher, sind erheblich undifferenziert, wenn es um die ideologische einordnung bestimmter organe und ideen geht.

    wenn man sich mal die bewertung einiger ngos ansieht, wie sie die deutschen parteien einschätzen, dann gibt es egtl nur noch eine (große) linke partei, und das ist die linke.

    was vor allem an zwei dingen liegt:



    1) Okönomie



    FDP, SPD als auch die grünen haben sehr starke neoliberale und reaktionäre vorstellungen von wirtschaft. es wird international attestiert, das alle drei parteien hier mitte-rechts zu verorten sind. Die FDP ist wohl die rechteste partei, wenn es um ökonomie geht.



    Hier ist also überhaupt kein mitte-links auszumachen. Höchstens mitte-rechts.

    2) Soziale Ideale



    Auch wenn alle 3 parteien die menschenrechte proklamieren, wird ihre position hier geschwächt und unterlaufen, da sie sehr oft die ökonomischen sowie andere reaktionäre vorstellungen den sozialen idealen vorziehen.



    Das merkt man unter anderem daran, wie sie mit der verletzung von menschenrechten umgehen, und wie wenig sie demokratische standards implementieren und verbessern wollen.



    Auch hier sind alle drei parteien nicht links, sondern wieder, in ihrer vorläufigen haltung, mitte-rechts!!!

    Es ist eine schande für die deutsche intellektualität und das geschichtsbewusstsein, wie hier ideologisch nicht anständig differenziert wird, und wie so die mitte dem rechten spektrum vorschub leistet, und sie merkt es nicht mal!!!



    Schande schande schande!!!

    Die ampel ist nicht mitte-links!!!!



    Sondern mitte-rechts!!!



    Menschenrechte sind nicht verhandelbar, außer im neoliberalismus!!! und der ist nicht links!!!

    es liegt an der gesellschaft, den mainstream sozialer zu machen, denn sonst laufen wir gefahr, zwei schritte zurück zu gehen! ja, mit spd!



    So die prognose von democracy watch!

    • @Christian Will:

      "wo bitte ist dann die mitte"

      "Im politischen Gesamtspektrum verstehen sich die demokratischen Parteien als Teil der Mitte zwischen extrem linken und extrem rechten Ideologien." (wikigedöns)

      Welcher Neoliberalismus-Definition folgen Sie eigentlich? Kann es sein, dass Soziale Marktwirtschaft für Sie bereits Neoliberalismus ist?

  • Wikipedia:



    "Von 1956 bis 1983 musste jeder bundesdeutsche Verweigerer den Ernst seiner Gewissensentscheidung sowohl in schriftlicher Begründung als auch in mündlicher Anhörung und Befragung ... glaubhaft machen." ...

    Ab 1983 "genügte nun ein schriftlicher Antrag mit einer persönlichen ausführlichen Begründung; ... , der Antrag wurde allerdings allein durch das Bundesamt für den Zivildienst geprüft." Also immer noch eine Gewissensprüfung.

  • Und Schmitds eigene Vertreter vorm Verfassungsgericht sorgten dann dafür, dass dem die Argumente geliefert wurden, die abgeschaffte Inquisition wieder einzuführen, das "Postkartengesetz" sang- und klanglos zu beerdigen. Offizier halt. Gegenwehr kam da von der FDP keine mehr.

  • Es sollte sich mittlerweile doch herumgesprochen haben, dass Demokratie und Fortschritt nicht zwangsläufig deckungsgleiche Begriffe sind … insofern finde ich es reichlich euphorisch bis naiv, jetzt den sozialliberalen Geist der 70er heraufbeschwören zu wollen. Aufbruchstimmung geht anders!



    Abgesehen davon, dass - aus linker Perspektive - bezüglich der damaligen sozialliberalen Koalition weiß Gott nicht alles Gold war, was glänzte, und zwar sowohl in historischer wie programmatischer Hinsicht (Radikalenerlass und “Deutscher Herbst” als Stichworte), kann auch keine Rede davon sein, dass - bis auf leere Worthülsen wie “Innovation” und “Fortschritt” - irgendwelche Vorstellungen von einem gemeinsamen Gesellschaftsprojekt die Verhandlungen der Ampelkoalitionäre prägten … das wäre ja schön gewesen. Stattdessen intransparentes und zusammenhangloses Geschachere um einzelne Positionen und Posten in grossartiger Aufmachung (waren nicht etwa 300 Verhandler*innen in zwanzig Arbeitsgruppen involviert?), bei denen vor allem - und wahrlich nicht ganz unverschuldet - die Grünen das Nachsehen hatten. Und eigentlich können Liberale - und ich meine jetzt nicht die wirtschaftsliberale Lindner-FDP, die hat ihre Schäfchen mit diesem Koalitionsvertrag wahrlich ins Trockene gebracht - mit diesem gesellschaftspolitischen Ampel-Status-Quo-Gemurkse auch nicht recht zufrieden sein.

  • " muss man wissen, dass die FDP damals auch „Nationalliberale“ – bis hin zu ehemaligen Nazis – in ihren Reihen hatte"

    Das hatten sie alle:

    de.wikipedia.org/w...h_t%C3%A4tig_waren

    • @Jim Hawkins:

      "Söder ist nicht Strauß. Doch die unmittelbar einsetzende CDU/CSU-Kritik an der „links-gelben“ Koalition als angebliches Sicherheitsrisiko erinnert an die 1970er Jahre."

      Was war das für eine Kritik und vom wem? Ich kann mich an keine Kritik erinnern, die irgendwie das Potential hätte, dass sich SPD-Grüne-FDP nun gegen die CDU / CSU einschanzen.

    • @Jim Hawkins:

      Wobei dort noch die vielen Mitglieder der NSDAP in der SED (z.b. 106.377 ehemalige NSDAPler insgesamt 1957) fehlen. de.wikipedia.org/w...chlands#Mitglieder

      • @Rudolf Fissner:

        Dann vergleichen wir doch mal das Kabinett Grotewohl mit dem Kabinett Adenauer. Und schauen, wer was so während der Nazi-Zeit gemacht hat.



        Kabinett Grottwohl: Eisler: Exil USA; Zaisser: Exil SU; Goldenbaum: Häftling im KZ Neuengame; Fechner: Häftling im KZ Oranienburg, Steidle: Gründungsmitglied des antifaschistischen Bundes Deutscher Offiziere, in Abwesenheit vom deutschen Reich zu Tode verurteilt; Bolz, Exil in Polen, Tschechoslowakei und SU; Haman: Agrarwissenschaflter 1935 aus dem Hochschuldienst entlassen, danach Landwirt, parteilos; Handke:Zuchtaushäftling in Ziegenhain, Rockenberg, Butzbach, Kassel, Zwickau; Rau: Häftling im KZ Mauthausen; Selbmann in diversen Zuchthäusern und KZ, Wandel: Exil SU, Loch: Wehrmachtssoldat, parteilos, Steinhoff, SPD Mitglied, Jurist 1933 aus dem Staatsdienst entlassen; Dertinger DNVP; Nuschke: beteiligt am 20.Juli; Kastner ab 1938 mehrfach Zuchthausstrafen, Kontakt zu Widerstandskreisen; Ulbricht Exil SU, Grotewohl von den Nazis wegen Hochverrats angeklagt, mehrfache Zuchthausstrafen…



        Und dann schauen Sie sich mal das Kabinett Adenauer an und suchen die Unterschiede.

      • @Rudolf Fissner:

        "Deutschland einig Vaterland" würde ich da sagen.

        Wobei die DDR sicher mehr zum Weltfrieden beitrug als das wieder vereinigte Deutschland.

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Jim Hawkins:

          Ja. Besonders 1968 in Prag.

        • @Jim Hawkins:

          Die NSDAPler in der DDöR waren ganz bestimmt die besseren.

  • Am Liebsten wäre mir "Rot", nein besser "LinksRot"...zu einer ökosozialen Richtungsdominanz wird es nicht kommen. Von der Ampel erwarte ich mir nichts! Sie wird zur sozialen Nullnummer. Und was sich die Grünen und die Sozialdemokraten von 1998 bis 2005 "geleistet" haben...beschreibt ein Kommentar ( @gelse) im "Der Freitag" bestens..."Agenda 2010: Massive Steuergeschenke an Reiche, Hartz4 für Nichtbesitzende. Letzteres mit mit eine fulminanten Hetzkampagne eingeführt.

    Kriegspolitik: Jugoslawienkrieg – Bundes“wehr“ mit der NATO als Kombattant der UCK. Truppeneinsatz in Afghanistan ("unsere Freiheit am Hindukusch"). Logistische Unterstützung des Irakkieges.

    Nun eben diese beiden Parteien zusammen mit der FDP: Was kann dabei herauskommen?"

    • @Struppo:

      „Nun eben diese beiden Parteien zusammen mit der FDP: Was kann dabei herauskommen?“



      Damit haben Sie Ihre Frage selbst beantwortet. Aber, selbst wenn anstelle der FDP die Linkspartei dabei wäre, wäre das kein Grund zur Hoffnung für Sie. Denn diese Konstellation hatte (und hat) der Berliner Senat, und der hat nicht mehr zustande gebracht, als die anderen Parteien auch geschafft hätten. Insbesondere das Trauerspiel mit den Mieten. Und die Blamage um ein Gesetz, das die Situation verbessern sollte, aber nicht verfassungsgemäß war.



      Also lassen Sie lieber gleich alle Hoffnung fahren, denn auch die anderen Parteien kochen nur mit Wasser, auch wenn sie ihren Wählern ein Himmelreich versprechen!