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Klima und Armin LaschetMut zur Zumutung

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Laschet sollte sich ein Beispiel an Joe Biden nehmen. Der forciert den Öko-Umbau der Wirtschaft – die Union bremst, wo sie kann. Ein Kanzler muss das anders machen.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bei einer Fernsehansprache am 18. Juli zur Unwetterkatastrophe Foto: Mark Hermenau/WDR/dpa

A rmin Laschet hat ein Talent, richtige Dinge zu sagen, die immer falsch verstanden werden. Wenn der Kanzlerkandidat der Union sagt, dass Deutschland nur zwei Prozent der globalen Treibhausgase ausstößt, ist das korrekt – klingt aber wie „erst mal sollen die anderen liefern.“ Und wenn er sagt „weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik“, dann stimmt auch dies – aber unterschwellig heißt es: Weiter wie bisher. Business as usual.

Zweideutigkeit mag im Wahlkampf taktisch geboten sein. Laschet hat da von Angela Merkels Erfolg gelernt. Aber unklare Signale sind fatal für Klimapolitik, die Tempo und Verlässlichkeit braucht. Danach ruft die Industrie, das wollen viele WählerInnen. Weit mehr Menschen als gedacht sind bereit, Veränderungen aktiv zu gestalten. Vor allem, wenn sie die Bilder von zerstörten Dörfern vor Augen haben.

Wird diese Katastrophe der „Fukushima-Moment“ der deutschen Klimapolitik, der alles ändert? Das liegt vor allem an der CDU/CSU, die vor einer Richtungsentscheidung steht.

Begreift sie in ihrer Mehrheit Klimapolitik weiter als Bremse und Gefährdung von Wachstum und Wohlstand? Oder sieht sie in der Modernisierung von Infrastruktur und dem Abschied von der fossilen Lebensweise tatsächlich die Chance auf „Klimawohlstand“? Dann muss ihre Politik nicht nur schneller und besser werden – sondern vor allem sichtbar und fühlbar.

Denn die zerstörerischen Fluten haben deutlich gezeigt: Die Folgen des Klimawandels treffen nicht nur andere Menschen weit weg oder in der Zukunft, sondern uns, hier und jetzt. Und so schnell und direkt müssen auch die Gegenmaßnahmen wirken: Sofort die Katastrophenhilfe. Dann die Anpassung an das veränderte Wetter, mit mehr Platz für die Natur und sicheren Häusern und Straßen. Und dann eine Klimapolitik, die in internationaler Kooperation drastisch die CO2-Emissionen senkt, um diese Risiken zu minimieren.

Das alles geht aber nicht mehr mit „Weiter so“. Die Methode Merkel „Ich kümmere mich, ihr könnt weiterschlafen“ funktioniert nach einem solchen Weckruf nicht mehr. Klimaneutralität erreicht man nicht im Schlafwagen. Die große Lüge der bisherigen Klimapolitik ist, dass alles so bleibt wie gewohnt.

Bisher liebt die Union solche Beruhigungspillen: „Innovation“, weil hier mit ein paar tollen Erfindungen plötzlich alles gut werden soll; den „grünen Wasserstoff“, weil mit ihm Industrie und Autofahrer weitermachen können wie bisher; den EU-Emissionshandel, weil dessen Preiserhöhungen nicht direkt sichtbar sind. Und deshalb hat die Union ein Problem mit steigenden Benzinpreisen, der EEG-Umlage, teureren Flugtickets oder höheren Heizkosten: Nicht nur, weil sie die Menschen belasten – sondern vor allem, weil die Menschen hier merken, dass sie belastet werden.

Aber so viel Ehrlichkeit muss eine Partei aufbringen, die das Land weiter führen will. Traut sich Armin Laschet, den Menschen zu sagen: Die Klimaneutralität, die wir wollen, kostet Anstrengung und Geld, aber nur sie sichert unsere Zukunft? Fordert er: Wir müssen jetzt Geld ausgeben und Schulden machen, damit es allen besser geht und wir von den Problemen nicht wieder überflutet werden? Er könnte sich bei Merkel den Begriff „alternativlos“ für diese Politik ausleihen. Aber bisher ist davon nicht viel zu merken.

Die Union könnte sich ein Beispiel an ihrem großen Vorbild USA nehmen. Dort begründet Präsident Joe Biden den grünen Umbau des Landes mit Jobs, Technologieführerschaft und „Klimagerechtigkeit“.

Armin Laschet lässt die Zuversicht vermissen, dass das Land die Herausforderungen des Klimawandels meistern kann. Was den ChristdemokratInnen dafür bislang fehlt, ist ein Abschied von ihrer Ideologie des „Weiter so“ und vom Grundsatz, man dürfe den Menschen nichts zumuten. Ein solcher Richtungswechsel erfordert Mut. Aber Feigheit vor der Zukunft und dem eigenen Volk ist keine Arbeitsgrundlage für das Amt des Bundeskanzlers.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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22 Kommentare

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  • Leider ist schon fünf nach 12.

    • @Elena Levi:

      Nee. 57 nach 12.

  • @GRENZGÄNGER

    Nu, wer den sonst? Die Grauen Panther [1]?

    [1] Bevor ich des Ageismus bezichtigt werde: bin selber grau.

  • Deutschland könnte heute die weltweit führende Industrie für Wind- und Solarkraftwerke sein.



    Leider gibt es die CDSU...Luschi macht weiter so...

  • Alle Klimaziele Deutschlands wurden doch bislang von der Bundesregierung erreicht.

    40,8 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 - das übertrifft sogar die im Klimaschutzgesetz vereinbarte Zielmarke.

    Sogar die lange als unerreichbar erscheinende eine Million Elektro-Autos fährt inzwischen.

  • Schauen wir uns die Wärmebilanz der Erde an, müssen wir Phänomene der Absorption und Reflexion beachten. Die lokale Strahlungsbilanz hängt von der IR Abstrahlung von H2O und CO2 ab. Um solche Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir die physikalischen Zusammenhänge genauer verstehen. Rekapitilieren wir das Strahlungs_Gesetz:



    tu-dresden.de/mn/m...esetze.pdf?lang=de



    Wenn nun Greta, Luisa, Annalena, Herr Pötter und Herr Ulrich, der ja jüngst Luisa getroffen hat, darüber referieren könnten wäre ich dankbar.



    Das sind freilich destruktive Bitten, die hier nicht gerne gesehen werden. Dafür habe ich freilich das größte Verständnis.

    • @Günter:

      Lieber verstehender Günter,



      lassen sie uns doch daran teilhaben, inwiefern die IR Abstrahlung von CO2 der Gleichung mehr CO2-Äquivalente gleich mehr Klimaerwärmung widerspricht.

      • @TomPf:

        Unfortunately space is not enough to improve our level of understanding in this forum.

        But here is a quot:

        "My personal view is that humans have massively changed the global natural order and CO2 emissions are a symptom of this rather than the overriding central issue. Only if and when population can be stabilised will we have a hope of balancing human needs with those of nature. Concentrating on CO2 emissions is probably a diversion from this primary problem."

        further information here:

        clivebest.com/blog/?page_id=2949

  • @FLY

    Nein Biden kann nicht zaubern. Und an seinen Schuhen klebt das eine oder andere sehr unangenehme Zeug.

    Ich bin wahrlich kein Fan von Biden.

    Aber jetzt nicht ablenken: Laschet? Echt jetzt?

    • @tomás zerolo:

      Nope! Die Linke aber auch nicht, diese Selbstzerfleischer...

  • Wer die C*U wählt, wählt den Rückschritt!

    Mittlerweile muss auch der letzte Wähler und die letzte Wählerin erkannt haben , dass die C*U schon lange nicht mehr für "Werterhalt" und "Verläßlichkeit" stehen.

    Sondern für Stillstand und Rückschritt.



    Und leider auch für Korruption und Vetternwirtschaft par excellence.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Armin Laschet hat ein Talent, richtige Dinge zu sagen, die immer falsch verstanden werden.

    Das stimmt! Laschet ist nicht der Mann, der dieses Land voran bringen wird.



    Joe Biden forciert den Umbau der Wirtschaft. Auch richtig.



    Aber Guantanamo gibt es immer noch und die Sanktionen gegen Kuba ebenfalls. George W. Bush läuft als freier Mann rum anstatt in Den Haag vor Gericht zu stehen.



    So stelle ich mir Demokratie nicht vor. Ist halt amerikanische Demokratie.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Klassischer Whataboutism.



      Biden macht eine verantwortungsvolle Politik, trotzdem ist er nicht allmächtig und macht binnen eines halben Jahres aus den USA Skandinavien Plus.

  • Laschet ist davon überzeugt, dass er das schon irgendwie hinkriegen wird sobald er erstmal den Job hat. Dummerweise entspricht solches Denken aber nicht dem Anforderungsprofil angesichts der heutigen Probleme. Da muss man langfristig denken, Mut und Ideen haben, das fehlt Laschet aber nicht nur, das verweigert er ganz absichtlich. Laschet als Kanzler, das wird ganz schrecklich zäh.

  • Grundlage um überhaupt irgendetwas über Klimaprozesse verstehen zu können ist das hier:



    www3.pi2.uni-stutt.../PDF/blackbody.pdf



    Von Greta, Luisa oder Annalena habe ich nie gehört, dass sie uns etwa die physilalischen Grundlagen der Strahlenabsorbtion und Emission erklären können. Oder Herr Pötter, vielleicht können Sie den Leser:Innen



    erklären, wie die Bose-Einstein Verteilungsfunktion die Besetzungswahrscheinlichkeit für



    Bosonen-Zustände der Energie E im thermischen Gleichgewicht bei der Temperatur T beschreibt?

  • Mit den etablierten "Fünf" klappt die Transformation nicht - die einzige Hoffnung auf eine echte, und radikale Wende wäre DieLinke, aber die hat das selbst noch nicht erkannt.



    Bleibt also nur zu hoffen, dass der Zorn der jungen Generation etwas bewirkt.

  • Aha … da sich offenbar weit und breit keine politische Alternative zum “Weiter so” der Unionsparteien hinsichtlich des dringend erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels auftut, müssen wir wohl weiter darauf warten, dass bei denen selbst noch der Groschen fällt. Ganz nach dem Motto: an Laschet hängt alles, ohne Laschet fällt alles?



    Das mag ja die neogrüne Strategie der Wahlkämpfer um Baerbock und Habeck sein, mir indes reicht diese Haltung als Zukunftsperspektive bei weitem nicht aus.

  • Biden macht was? Der Link verweist doch auch nur auf hohle Worte vom April.

    Der Spiegel schreibt hingegen:



    "Die Pläne von US-Präsident Joe Biden zur CO₂-Reduktion stoßen auf Widerstände, der Frust der Umweltaktivisten wächst. "

    • @fly:

      nach meinem Verständnis ist da auch der Handlungsspielraum des Präsidenten begrenzt... Die Bundesstaaten machen da die Regeln

    • @fly:

      Korrekt, die USA haben noch einen weiten Weg zu gehen, um überhaupt auf das Deutsche Niveau zu kommen.

  • Laschet? Biden?

    Hm.

  • Mut zur Zumutung!



    Tach Herr Pötter,



    gehen Euch jetzt bei der TAZ die Titel aus?



    Oder sollte das ein assoziativer Wink mit dem Zaunpfahl sein?



    taz.de/Archiv-Such...%2Bzur%2BZumutung/