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Machtkampf in Sachsen-AnhaltKein Kompromiss, eine Kapitulation

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Auch Verantwortungsethik hat Grenzen. Die Kenia-Regierung in Sachsen-Anhalt, als Bollwerk gegen die AfD gestartet, ist nur noch ein löchriger Zaun.

Die Grünen – hier auf dem Weg in die Staatskanzlei am Montag – wären besser standhaft geblieben Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

R ealpolitisch gesehen hat Reiner Haseloff das Magdeburger Drama erst mal beendet. Auf der Habenseite kann man verbuchen, dass das peinliche Schauspiel eines gemeinsamen Nein von CDU und AfD zum Medienstaatsvertrag ausfallen wird. Auch die malade Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen scheint noch am Leben zu sein, wenn auch nah am Koma. Haseloff hat nebenher seinen nach rechts blinkenden Widersacher Holger Stahlknecht aus dem Spiel genommen. Es wird keine Neuwahlen mitten in der Pandemie geben und auch keine absehbar zähe Regierungsfindung im Frühjahr.

Haseloff, SPD und die Grünen wollen Stabilität in der Coronakrise – und den rechten Flügel der CDU irgendwie halbwegs in der Mitte halten. Das sind passable Gründe. Und so wirkt dieses Nein zum Staatsvertrag nicht schön, scheint aber in misslichen Umständen das Beste, das möglich ist. Realpolitik halt: das Schlimmste verhindern, das Unvermeidliche in Kauf nehmen.

So kann man es sehen. Doch auch Verantwortungsethik hat Grenzen. Diese Lösung ist kein Kompromiss, sie ist eine halbe Kapitulation. Die Kenia-Regierung, als Bollwerk gegen die AfD gestartet, ist nur noch ein löchriger Zaun. Haseloff hat zwar das Bild – AfD und CDU sagen Nein zum Staatsvertrag – verhindert, doch um den Preis, dem Staatsvertrag eigenhändig den Garaus zu machen. Das wirkt wie Selbstmord aus Angst vor dem Tode. SPD und Grüne spielen bei dem Nein zum Staatsvertrag widerstrebend mit. Haseloff hat sie geschickt eingebunden, oder besser: eingewickelt. So nicken SPD und Grüne das Ganze betrübt ab und verweisen matt darauf, dass diese Entscheidung ganz allein auf Haseloffs Kappe gehe. So ist es nicht. SPD und Grüne sind keine Zuschauer, sie sind die Akteure. Ihre gesammelten Schwüre, Ja zum Staatsvertrag zu sagen, sind jetzt im Altpapier.

SPD und Grüne wären, trotz Pandemie, besser standhaft geblieben. Denn wer einmal so erfolgreich mit politischen Erpressungen war wie die CDU-Fraktion, macht das noch mal. Nach dem Motto: Wenn ihr nicht tut, was wir wollen, stimmen wir mit der AfD. Die CDU-Rechte wird dieses Stück bestimmt noch öfter aufführen.

Das Ergebnis ist trostlos: Der Machtkampf in der CDU zwischen gemäßigtem und rechtem Flügel ist nur vertagt. Die Kenia-Koalition ist nur noch eine Notgemeinschaft ohne Agenda und Zukunft. Und 31 CDU-Abgeordnete in Magdeburg haben, ohne dafür die Hand heben zu müssen, zusammen mit der AfD-Fraktion den Staatsvertrag kaputtgemacht, einen zentralen Baustein der Medienpolitik der Bundesrepublik. Das ist der Preis dieses Manövers. Er ist zu hoch.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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13 Kommentare

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  • Na ja, als löchrigen Zaun würde ich es nicht bezeichnen, wenn Parteien in einer Koalition gegen die AfD zusammen kommen, die sich ans st heftig bestreiten. Das ist schon eine ne ordentliche Leistung.

    • @Rudolf Fissner:

      Also mir kommt das eher wie eine "Blockparteienpolitik" als eine "ordentliche Leistung" vor.

  • Ich bin mit der Entscheidung des BVerfG von 2007 (1 BvR 2270/05) nicht einverstanden. Wenn die Sender sich laufend selbst bei den Bürgern bedienen können, solange die Mehrausgaben irgendwie noch zum Programmauftrag passen und von der KEF genehmigt werden, gibt es nur ein "Up" der Gebühren, sinken können sie nicht. Damit ist ein echter Selbstbedienungsladen entstanden, der schlimmer als die Staatsbetriebe der DDR keinerlei Kontrolle der Parlamente oder der Regierungen mehr unterliegt. Kein Wunder, dass ihr Gebahren auch immer funktionärsartiger wird, Schrullen wie tägliche Pflichtkrimis eingeschlossen. Die einzige (schwache) Kontrolle übernimmt nun die Judikative in Form des BVerfG, darunter geht es offenbar nicht. Hatte das BVerfG nicht auch einmal entschieden, dass der Bürger bei Fragen von maßgeblicher Bedeutung für einen Großteil der Bevölkerung und bei Eingriffen in grundrechtswesentliche Bereiche über die Parlamente mitentscheiden können muss? Wie ist es denn jetzt damit?

  • Hmm.

    Hier ist viel Polittheater im Spiel. Die Show hat nur Verlierer.

    Das heutige Ergebnis hätte man vor einigen Wochen gesichtswahrend durchbekommen. Stattdessen wurden scheinheilig Prinzipien, die Teils mit dnj Koalitionsvereinbarungen nicht deckungsgleich waren, in Stellung gebracht, um von Links, liberal bis rechts politische Taktiererei zu betreiben.

    So funktioniert es nicht und eine solche Show ist extrem albern.

  • Ohne CDU haben SPD und GRÜNE keine Mehrheit im Landtag, daher war es am Ende unmöglich den Staatsvertrag durch den Landtag zu bekommen, da die CDU Fraktion klar gemacht hat mit Nein zu stimmen. Daher sind SPD und Grüne nicht eingeknickt, sondern haben das Zurückziehen des Staatsvertrags von MP Haseloff eben zur Kenntnis nehmen müssen. Das war auch keine Erpressung der CDU, sondern einfach eine Kompromisslosigkeit in der Sache. Nicht schön für den Öffentlichen Rundfunk, aber die werden ihr benötigtes Geld wohl durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen.

    • @Jaehn:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Treffend beschrieben, so kann ich mir die Tipperei sparen...

  • Wenn aber das gesamte Spektrum der demokratischen Parteien, die sich notwendigerweise als gemeinsame Phalanx gegen die AfD verstehen für ein Demokratieverständnis eintritt bei dem nur ein mögliches Ergebnis einer paralemtarischen Abstimmung als legitim anerkannt und deshalb von vornherein erwartet wird, braucht man sich über die um sich greifende Verachtung für Demokratie und Parlamentarismus unter den 'besorgten Bürgern' nicht zu wundern.

  • Tja danke CDU - Ihr habt die Politik der AFD ohne Not 1:1 umgesetzt. Ich hoffe ihr fühlt euch so erbärmlich wie ihr seit

    • @danny schneider:

      Falsch. Die CDU hat ihre Politik umgesetzt. Die AfD ist nur zufällig der gleichen Meinung,

  • Wenn man stets und immer nur aus Prinziep "gegen" die AFD wählt, stirbt die Demokratie. Das Süppchen wird zu heiß gekocht.

    Wären Grüne und Linke nicht ausgeschert und hätten entsprechend dem Koaltitionsvertrag abgestimmt, hätte kein Hahn dannach gekräht.

    Demokratische Parteien sollten die AFD rechts liegen lassen und ihr Abstimmungsverhalten nicht entsprechend beeinflussen lassen. Jetzt hat wieder nur die AFD gewonnen.

    • @DiMa:

      Es geht nicht um "stets und immer nur aus Prinziep", sondern um Schlüsselthemen der AfD. Rechtsradikale Propagandasender und Fake-News-Schleudern wie OAN oder RT auf eine Stufe mit dem ÖR zu stellen oder sogar zu bevorteilen ist denen ein Kernanliegen. "Besetzung des vorpolitischen Raumes" halt.

  • > wer einmal so erfolgreich mit politischen Erpressungen war [...], macht das noch mal.



    Mir fallen bei dem Satz zwar auf Anhieb ganz andere Beispiele der jüngeren Politik ein als das hier besprochene, aber mit diesem Satz hat der Autor auf jeden Fall vollkommen und zweifelsfrei recht.

  • 0G
    04369 (Profil gelöscht)

    In Thüringen den MP bestellen und in Sachsen-Anstalt wird mal eben der Staatsvertrag mit den "Rot-Grün-Linksversiften" öffentlichen Rundfunkanstalten gekippt. 2:0 für die AfD, dank einer irrlichternden CDU die sich von diesem Pack vorführen lässt. Mit Blick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr und einem wahrscheinlichen Kanzler Friedrich Merz, der gerne Rechts blinkt, und dem Wahnsinn der dann noch ansteht, wird mir ganz blümerant.