CDU in Sachsen-Anhalt: Das Abgrenzungsproblem
Die Nähe der CDU in Sachsen-Anhalt zur AfD ist notorisch: Ein Rechtsextremer wurde in Wernigerode offen von der CDU für ein Amt empfohlen.
D er Druck wirkte. Am Donnerstag sollte Rüdiger Dorff in Wernigerode stellvertretender Oberbürgermeister werden. In der idyllischen Harzstadt in Sachsen-Anhalt hatte Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) den Leiter des Dezernat Gemeinwesen vorgeschlagen.
Mit großen Worten empfahl Gaffert den mit CDU-Unterstützung getragenen Kandidaten. Er sei seine „erste Wahl“. Die „erste Wahl“ steht jetzt aber nicht mehr zur Wahl. In einer Pressemitteilung der Stadt teilte Gaffert mit, dass Dorff nicht mehr antreten möchte. Seit Jahren ist in der Stadt bekannt, dass Dorff aus der extrem rechten „Deutschen Gildenschaft“ und „Freibund – Bund Heimattreuer Jugend e.V.“ kommt. Bereits vor vier Jahren verhinderte eine Debatte um seinen Hintergrund, dass er Vizebürgermeister wurde. Ihn trotzdem als Kandidaten zu präsentieren, offenbart die anhaltenden Abgrenzungsprobleme des konservativen Milieus zum extrem rechten Spektrum in Sachsen-Anhalt. Drastischer formuliert, ist es ein politischer Offenbarungseid.
In der Stadt lösten aber wohl erst Berichte der Volksstimme und der taz über Dorffs erneute Kandidatur trotz der politischen Vita stärkeren Druck aus. Eine Demonstration wurde angemeldet, eine Onlineptition gestartet, Hintergrundgespräche liefen. Der Rückzug folgte. Dass Gaffert in der Mitteilung die Entscheidung bedauert und Dorff sich als Opfer ausführlich darstellen kann, belegt erneut die Problematik. Auf kommunaler Ebene spiegelt sich die landespolitische Ebene – und umgekehrt. Im „Großen“ stört es die Landes-CDU nicht, der AfD im Landtag bei der Debatte um die Rundfunkerhöhung zuspielen, im „Kleinen“ kann sie dann auch einen Kandidaten von weit rechts empfehlen. Das Habituelle und Politische ist hier nahe beieinander.
Die Strategie der extremen Rechten, in die Institutionen zu gehen – von Verwaltung bis Justiz –, um politischen Einfluss zu gewinnen, wurde bislang ignoriert. In den vergangenen Jahren hat nicht nur der geschasste Innenminister, sondern die Landes-CDU immer wieder mit der AfD geliebäugelt. Das Symptom Sachsen-Anhalt ist also nicht überraschend – erregt jetzt aber wenigstens öffentliche Aufmerksamkeit und Widerstand.
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