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Urteil nach Totprügeln von SchwulemRechtes Motiv wird ignoriert

Drei Rechte prügelten im sächsischen Aue einen Homosexuellen tot. Das Gericht verurteilt sie zu hohen Haftstrafen.

Die Motivation für die Tat am Güterbahnhof habe der Prozess „nicht erschließen“ können Foto: Niko Mutschmann

Chemnitz taz | Mit nicht endender Gewalt malträtierten Stephan H., Terenc H. und Jens H. im April 2018 den 27-jährigen Christopher W. in einem Abrisshaus im sächsischen Aue. Schläge, Tritte, Stiche mit einer Lampenröhre, ein Wurf in eine Grube, am Ende ein Bordsteinkick. Dann war Christopher W. tot. Am Freitag nun sprach das Landgericht Chemnitz das Urteil: Haftstrafen bis zu 14 Jahren wegen Totschlags.

Die Tat erregte auch deshalb Aufsehen, weil sie von der Bundesregierung als einziges rechtsextremes Tötungsdelikt 2018 eingestuft wurde. Denn die Anklage hielt fest, dass die Tat auch geschah, weil sich einer der Angeklagten „an der bekannten Homosexualität des Geschädigten störte“. Auch versteckten die Beschuldigten, die mit dem 27-Jährigen eigentlich befreundet waren, ihre Gesinnung nicht: Sie sind teils mit rechten Symbolen tätowiert und posteten im Internet Einschlägiges.

Richterin Simone Herberger sagte, die Angeklagten hätten „in menschenverachtender Weise einen Menschen getötet“. Die Tat sei auch für ihre Kammer „außergewöhnlich“. Christopher W. sei ein fröhlicher Mensch gewesen, der als Opfer in einer Gemeinschaft von Tätern gelebt, sich aber nicht beschwert habe. Die Motivation für die Tat habe der Prozess „nicht erschließen“ können. „Es war ein Motivbündel, das die Kammer nicht aufzuklären vermag.“

Das Gericht verurteilte Terenc H. zu 14 Jahren Haft, weil er die Tat organisiert habe. Stephan H. und Jens H. erhielten jeweils 11 Jahre Haft. Beide kommen in eine Drogenentzugsanstalt. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor für Terenc H. lebenslängliche Haft wegen Mordes gefordert, für die zwei Mitangeklagten bis zu 13 Jahre Haft wegen Totschlags. „Die Tat überschreitet meinen Verstand“, sagte der Staatsanwalt. Sie lasse ihn darum kämpfen, nicht daran zu verzweifeln, „wozu der Mensch augenscheinlich fähig ist“. Ein politisches Motiv aber benannte auch er nicht.

taz am wochenende

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Die drei Angeklagten hatten in ihren letzten Worten am Freitag die Tat bedauert. Er sei sich seiner Schuld bewusst und wolle ein besserer Mensch werden, sagte Stephan H. Im Prozess hatte sich das Trio gegenseitig beschuldigt, wer die Gewaltorgie befeuert habe. Ihre Verteidiger hatten Haftstrafen nicht höher als im „niedrigen zweistelligen Bereich“ gefordert. Die rechten Einstellungen seien unstrittig, hätten bei der Tat aber keine Rolle gespielt. Nur ein Anwalt sah bei einem der Beschuldigten auch „Hass“ und Homophobie als Motiv.

André Löscher von der RAA Chemnitz, einer Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, kritisierte den Urteilsspruch. „Das Gericht hat ein politisches Motiv augenscheinlich gar nicht wirklich geprüft. Das ist ein Unding.“ Die Angeklagten seien unstrittig rechtsextrem gewesen, Zeugen hätten berichtet, wie mindestens ein Beschuldigter Christoph W. wiederholt schwulenfeindlich beleidigte. „Damit hätte sich das Gericht weit mehr beschäftigen müssen.“

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24 Kommentare

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  • Grauenhafte Tat. Ich verstehe da auch den Staatsanwalt.

  • Wäre ein rechtes Motiv tatsächlich ein niederer Beweggrund? Dann wäre alle politischen und ideologischen Motive als nieder zu werten. Das wäre aber kritisch für Rechtsbruch im Namen von zivilem Ungehorsam. Da wird ja immer von höheren Motiven ausgegangen. Also rechte Gesinnung - weil politisch-ideologisch - ein höheres Motiv? Besser nicht! Dann lieber nicht beachten.

    • @TazTiz:

      Da ist Vorsicht geboten. "Rechts" und "politisch" kann man hier nicht einfach als gleichwertig oder gleichartig deklarieren. "Politisch" ist natürlich nicht automatisch ein niederer Beweggrund, Rassismus oder Schwulenhass aber zum Beispiel schon. Solche Motive würde ich eigentlich gar nicht politisch nennen wollen, wenn es nicht auch darum gehen müsste ihnen den zufälligen Charakter zu nehmen. Im übrigen sollte man auch beim Abstrahieren aufpassen. Ziviler Ungehorsam hat in mehrfacher Hinsicht einen völlig anderen Charakter als ein gemeinschaftliches Tötungsdelikt und nur weil wir hier über die mögliche politische Motivation solcher Taten diskutieren kann man sie nicht einfach miteinander vergleichen.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Beklagt wird ausdrücklich die rechte Gesinnung und ein (unabhängiger?) Schwulenhass. Die Tatschwere sollte für diese Diskussion unberücksichtigt bleiben. Die Frage ist, ob es erschwerend oder mildernd ist, wenn einer Straftat eine bekannte Gesinnung zugrunde bzw. parallel vorliegt.

  • Sach mal so:

    Hier ist viel kluges & auch viel weniger kluges schon angeführt. Das paßt scho.



    &



    Du kannst Menschen nur vor den Kopp gucken - & das gilt auch für Richter. •

    kurz1. - Die Überschrift & die (leider taz-übliche) Tendenz des Artikels - ab in die Tonne. 👹

    &nochens & btw not only -



    Mit Kurt Tucholsky fürs Strafrecht & dessen gesellschaftlicher Funktion gesprochen:



    “Hört auf - Rumzuspychologisieren.“

    unterm——…servíce



    Zum 125. Geburtstag von Kurt Tucholsky



    „Heitere Schizophrenie“



    Mit Witz, Verstand und Satire: Kurt Tucholsky benannte die Fehler der Weimarer Republik und wetterte gegen Militarismus und Untertanengeist.



    www.taz.de/!5024399/



    &



    tazelwurm.de/zum-1...hrenie-peter-kohl/



    (ps - Sorry - das mit dem - Gedicht zu Derivaten - ist wohl ein fake!👹)

    Einfach - auch wenn’s schwerfällt - das Brett vorm Kopp - & wenn’s auch unbedingt aus Teakholz sein muß. Gell.



    Einfach mal abreißen & sachlich-kompetent von Sachen schreiben - von denen frauman was versteht.



    Dank im Voraus

    kurz2. & mit Harry Rowohlt -



    “Sagen - was man denkt & vorher was gedacht haben - wäre fein.“



    &



    www.spiegel.de/kul...ate-a-1039125.html



    & als versöhnlicher Schlagobers -



    www.zeit.de/2010/43/Poohs-Corner

    kurz3. - Sol lucet omnibus - Wie wahr.



    &



    Good Tung - tonn Pingsten! 🎭



    &



    Ende des Vorstehenden

    • @Lowandorder:

      Wo Sie recht haben, haben Sie recht.

  • Ob da ein rechtes Motiv ignoriert wird das wissen weder die Journalisten, noch der Herr Löscher. Man nimmt es einfach an, weil es ins eigene Weltbild passt. Mir erscheint es hingegen plausibler einem Gericht zu glauben, dass sich im Gegensatz zur taz ziemlich intensiv mit dieser Tat beschäftigt hat und dem mehr Informationen zur Verfügung stehen.

    • @Januß:

      "Die Motivation für die Tat habe der Prozess „nicht erschließen“ können. „Es war ein Motivbündel, das die Kammer nicht aufzuklären vermag.“ "



      Und weil das mit den "niederen Beweggründen" so ne Sache ist, weil die ned mal ausformuliert wurden um vor Gericht nicht jedesmal das große Rätselraten anzufangen ob Mord oder Totchlag und sich das Gericht nicht auf eine Priorisierung einigen konnte (Geld, die ehemaligen Kumpels sind alle arbeitslos; Homophobie; ...) muß mensch das alles solange matschig labern bis es im Dreck verschwindet. Deutschland hat ja kein Faschoproblem, sind alles nur Einzelfälle. Vor zwanzig+ Jahren wäre der Ermordete wegen seiner nichtheteronormativen Sexualität vermutlich noch selber schuld an seinem Tod gewesen *augenverleier*...

    • @Januß:

      Betreffend : "ziemlich intensiv mit dieser Tat beschäftigt" ... Bedeutet wohl das nachweislich bestehende Homo- & Xenophobe Tatmotiv als ( strafrechtlich ) nicht Relevant erachtet & von daher nicht näher Geprüft , da es anderweitig im Urteilsspruch nähere Erwähnung gefunden hätte ... `Deutsche Wertarbeit`

    • @Januß:

      Sie liegen auf jeden Fall schon mal insoweit falsch, als dass das Gericht ja eine politische Motivation nicht ausgeschossen hat, es hat von einem "nicht entschlüsselbaren Motivbündel" gesprochen. Selbst wenn man sich wirklich intensiv mit dieser Frage beschäftigt haben sollte, selbst wenn man noch so viele Informationen gehabt haben mag (übrigens aber natürlich keine anderen als ein aufmerksamer Prozessbeobachter) es geht hier einfach nur um Interpretation und die hat das Gericht letztendlich verweigert. Es mag ja auch in diesem Fall tatsächlich schwierig gewesen sein, nur leider häufen sich derartig indifferente Beurteilungen und erschweren den Blick auf das wirkliche Ausmaß rechter Gewalt, gerade im Osten.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Die Formel scheint hier zu sein: Es waren unstrittig Rechtsradikale und sie haben sich auch häufiger abwertend über Homosexuelle geäußert, deshalb muss der Mord an einem Schwulen durch diese Menschen zwangsläufig eine Konsequenz ihrer politischen Gesinnung gewesen sein.

        Das sehe ich nicht. Das Opfer wurde von seinen „Freunden“ auf eine grausame Art und Weise ermordet. Sowohl die Wahl des Opfers, als auch die Ausführung des Mordes lassen erhebliche zweifeln daran aufkommen, dass es sich hier um einen politischen Mord handelt. Vergleicht man diese Tat mit denen des NSU fällt eines gleich ins Auge: Der NSU hat zielgerichtet fremde Menschen, denen man ihren Migrationshintergrund ansah, ermordet und zwar mit einer kaltblütigen und zielgerichteten Gewalt, die keinen Rückschluss auf sadistische Motive zulässt. Die Schilderung dieser Tat erinnert hingegen an unkontrollierte Gewaltexzesse von Triebtätern.

        Die nächste Frage die sich mir stellt ist warum man sich als Opfer für einen politischen Mord jemanden aussuchen sollte, der aus dem eigenen Bekanntenkreis stammt. Selbst im dritten Reich langte das Mitgefühl oft noch so weit das Göbels in seinen Reden immer wieder darauf hinwies das man Juden als abstrakte Klasse betrachten sollte und nicht an seine jüdischen Bekanntschaften und Freunde.



        Schaut man sich die Propaganda von AfD oder NPD an dann entsteht nicht der Eindruck das Schwule noch als ernsthaftes Feindbild dieser Gruppen taugen. Ganz im Gegenteil, in der Propaganda gegen den Islam spannt man Homosexuelle mittlerweile gerne mit ein. Klar gibt es weiter Ressentiments aber das primäre Feindbild sind ganz klar Menschen mit Migrationshintergrund.

        Wenn der Richter nun sagt es sei ein Bündel aus Motiven dann heißt das für mich zumindest mal das es nicht primär ein politischer Mord war. Vielleicht haben die Ressentiments irgendwo eine Rolle gespielt, vielleicht auch nicht. Das herauszufinden könnte noch am ehesten die Aufgabe eines Psychologen sein.

  • Bei Ausländern ist vielen wichtig, diese als "Menschen mit Migrationshintergrund" zu bezeichnen; Behinderte werden "Menschen mit Behinderung" genannt. Für Schwule/Homosexuelle gilt diese Logik zumindest in diesem Artikel nicht.

    • @Christian_72:

      Da haben die Schwulen aber Glück gehabt, dass sie der paternalistischen Logik dieser Wortklauberei entgangen sind!

  • Wie wäre es eigentlich, wenn die drei Täter Islamisten wären? Würde man auch von unklaren Motiven sprechen?

    • @Michi W...:

      Das wäre wohl kaum nötig, weil die ja i.d.R. ein großes Interesse daran haben das ihre Motive publik werden.

      Dabei geben die Islamisten sich sogar richtig viel mühe. (Vermutlich weil ihnen klar ist das ihre Motive aus politischen Gründen gerne umgedeutet werden) In einer Ausgabe (15) des Magazins "Dabiq" hat der IS z.B. ausführlich dargelegt warum er den Westen hasst und das nicht politische Motive, Die Außenpolitik der USA,... sondern der mit dem Koran unvereinbare Lebensstil und die Offenheit des Westens der Grund für Hass und Terror sind.

  • Es bleibt wie es war - in Deutschland ist die Justiz leider nur zu gern auf dem rechten Auge blind...

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Schläge, Tritte, Stiche mit einer Lampenröhre, ein Wurf in eine Grube, am Ende ein Bordsteinkick."

    Ich bin nicht vom Fach, aber ich dachte immer Totschlag wäre so etwas, was im Affekt passiert, nicht unbedingt mit Absicht. Ein Bordsteinkick passiert aber nicht ohne Absicht.

    Und dass das Nazis waren spielt auch keine Rolle. Sachsen bleibt sich treu.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Als hirnloses Gefühlsding wurde die Tat mitnichten abgetan. Das ist eine Denke, die sich in Deutschland mit dem Begriff Totschlag gerne verbindet.

      „Totschlag bezeichnet im deutschen Strafrecht die vorsätzliche Tötung“ und „Vorsatz (dolus) bezeichnet im deutschen Strafrecht den Willen zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatumstände einschließlich der Kausalitätsbeziehungen.„ (Wikigedöns).

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Ob die Tötung eines Menschen (vorsätzlicher) Totschlag oder Mord ist, kann man nicht am Vorsatz festmachen, denn beide Delikte setzen Vorsatz voraus. Mord liegt vor, wenn eines der in Paragraph 211 StGB abschließend aufgezählten Mordmerkmale erfüllt ist, z.B. Habgier oder Heimtücke. Ob das hier der Fall war, kann man anhand des obigen Artikels nicht einschätzen.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Lockenkopf:

        Danke für die Info.

        Wenn ich den Wikipediabeitrag zu diesem Paragaphen anschaue, komme ich zu dem Schluss, dass Juristen ein diskussionsfreudiges Völkchen sind.

        Das hier scheint mir allerdings beunruhigend zu sein:

        "wurde der Paragraf seit einer großen Reform durch die Nationalsozialisten im Jahr 1941 (RGBl. I S. 549)[1] nicht mehr grundlegend verändert."

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Lieber Jim, Was ich als Nicht-Jurist mal so mitgenommen habe, ist Folgendes:



          Der Mord-Paragraph soll überarbeitet werden. Denn dieser ist darauf angelegt, einen "Verbrecher-Typus" zu konstruieren. Dies mit dem Ziel, den "notorischen Verbrecher" zu identifzieren und auszumerzen - in der Ideologie der Nazis muss dieser Typ vom "normalen Deutschen unterschieden werden können, dem solches Denken ja fremd ist (das sind alles Zitate, gell).



          Und bei allen Delikten hat der Richter einen Ermessensspielraum bzw. gibt das Strafrecht einen Strafrahmen vor. Ausser bei Mord, dort ist zwingend (!) immer (!) lebenslang zu verhängen. Etwas ausführlicher, aber für uns Laien immer noch gut verständlich: www.zeit.de/2013/5...ationalsozialismus

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Wenn Sie dies wollten, könnten Sie in eine sehr vielschichtige Diskussion über den Paragraphen abtauchen, auch hier in der taz würde schon öfter zum Thema geschrieben und diskutiert. Allerdings rate ich, so von nicht-Jurist zu nicht-Jurist, davon ab. So schlecht wird das Wetter dieses Wochenende dann auch nicht.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Der Spruch "Zwei Juristen, drei Meinungen' kommt nicht von ungefähr...

          Ja, es stimmt, dass die aktuelle Fassung des 211 aus der NS-Zeit stammt. Spiegelt sich im Wortlaut der Vorschrift allerdings nicht wieder, weshalb man sie bis heute unverändert gelassen hat.

          • @Lockenkopf:

            Das heißt also, wenn ein Rechtsradikaler mit einer 'schütze deine Kinder'-Verteidigung daher kommt, kann ein Richter seine Motivation als im ideologischen Kontext gute Tat interpretieren und von einer Beurteilung als Mord absehen?



            War das eventuell die Intention der nationalsozialistischen Reform des Mordparagraphen?

            Nichtsdestotrotz ist das Mordmerkmal der Grausamkeit eindeutig erfüllt und eventuell sind Hass und Homophobie als niedere Beweggründe zu verstehen...