Antisemitismus bei der Documenta: Jetzt hilft nur noch Förderstopp
Die Documenta-Leitung hätte aus ihren Fehlern lernen können. Stattdessen scheint schon wieder ein Antisemit in der Findungskommission zu sitzen.
W er geglaubt hat, die judenfeindlichen Vorgänge bei der Documenta 15 seien so ungeheuerlich, dass eine Wiederholung ausgeschlossen ist, hat sich getäuscht. Man hat tatsächlich Besserung gelobt. Die Mitglieder der Findungskommission für die Auswahl der künstlerischen Leitung der nächsten Documenta mussten versichern, dass sie aber ganz gewiss keine Antisemiten sind. Dummerweise hat man es dabei belassen und nicht einmal bei google gecheckt, was die Herrschaften vor ihrer Berufung so gemacht haben.
Jetzt kommt heraus: Der indische Autor Ranjit Hoskoté unterschrieb 2019 eine BDS-Erklärung, die vor Judenhass nur so strotzt. Da ist von Zionismus als „rassistischer Ideologie“ die Rede, der eine „ethnische Reinigung“ zur Folge habe, und ein Land, in dem Nicht-Juden in einem „siedungskolonialistischen Apartheidsstaat“ weniger Rechte hätten. Besonders niedlich ist die Verteidigungsstrategie des Documenta-Machers Hoskoté: Er lese gerne Walter Benjamin und Paul Celan und habe sein ganzes Leben dem Kampf gegen „autoritäre faschistische Kräfte“ verschrieben. Bei der BDS-Erklärung sei es ihm gegen Hindu-Nationalismus gegangen. Eine Entschuldigung hält er offenkundig für unnötig.
Das ist ziemlich furchtbar. Doch der eigentliche Skandal besteht darin, dass es auch der neuen Documenta-Leitung nicht gelungen ist, irgend etwas an der organisierten Unverantwortlichkeit dieser Veranstaltung zu ändern. Das Versprechen, Judenhass nicht länger zuzulassen, war nur ein Lippenbekenntnis. Wie sonst ist es zu verstehen, wenn eine Geschäftsführung die Mitglieder eines entscheidenden Gremiums so oberflächlich überprüft, dass dort mindestens ein Judenfeind sitzen darf?
Nach Bekanntwerden der von Hoskoté unterschriebenen antisemitischen Erklärung nannte Documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann dies zwar „nicht im Ansatz akzeptabel“. Ob Hoskoté aber deshalb das Gremium verlassen muss, ließ er offen.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth dagegen hat gelernt, dass die Selbstheilungskräfte bei der Documenta-Leitung etwa die Wirkung von Globuli haben – also gar keine. Sie droht der Documenta mit dem Entzug staatlicher Förderung. Es dürfte die einzige Sprache sein, die dort verstanden wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen