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Antisemitismus bei der DocumentaKunstschau auf der Kippe

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Findungskommission für die kommende Documenta ist gescheitert. Die Union sollte aber mit Schuldzuweisungen vorsichtig sein.

Kurz vor dem Abbau eines Banners bei der documenta 15 im Juni 2022 Foto: Hartenfelser/imago

E s war einmal eine Kunstausstellung, auf der Werke mit antisemitischem Inhalt gezeigt wurden. Dafür wollte niemand verantwortlich sein. Doch die Unverantwortlichen gelobten alsbald Besserung. Das macht man in Deutschland am besten, indem man möglichst schöne Gremien einsetzt. Eines dieser Gremien hieß bis vor Kurzem „Findungskommission“.

Aber jetzt, huch, gibt es diese Kommission nicht mehr. Ein Mitglied dieses weisen Gremiums, das antisemitische Inhalte auf der nächsten, für das Jahr 2027 vorgesehenen Kunstschau verhindern sollte, hatte einen offen antisemitischen Brief unterzeichnet. Ein weiteres mochte angesichts des Hamas-Terrors in Israel nicht mehr mitmachen. Nun haben auch die restlichen vier das Handtuch geworfen. Die allgemeine Lage wird als verheerend beschrieben.

Aus diesen Bestandteilen ließe sich gewiss ein hervorragendes dramatisches Gedicht machen, vorgetragen am Staatstheater Kassel. Aber ob daraus noch einmal eine Kunstausstellung wird, steht in den Sternen. Die Kräfte der Documenta samt ihren externen Beratern sind offenbar mit der Aufgabe überfordert, eine Kunstausstellung ohne Judenhass zu organisieren. Dann sollten sie es vielleicht einfach besser ganz lassen.

Die politisch Verantwortlichen für die Documenta scheinen lange gehofft zu haben, die ganze Chose würde sich schon irgendwie von selbst richten. Das hat sich als Wunschdenken entpuppt. Nun glauben einige CDU/CSU-Politiker in Berlin, aus dem Desaster ein wenig Popularität gewinnen zu können. Die Schau sei „in rot-grüner Verantwortung kaputt gemacht worden“, klagt Fraktionsvize Dorothee Bär und verlangt, dass Kulturstaatsministerin Claudia Roth durchgreifen müsse (die tatsächlich lange geschwiegen hat).

Leider hat Bär nicht darauf hingewiesen, wer als Träger der Veranstaltung in Kassel fungiert – es ist neben der Stadt Kassel das Land Hessen. Dort regiert die CDU. Und deshalb eignet sich die nicht enden wollende Documenta-Affäre zwar als Vorlage für dramatische Dichtung, aber nicht für politische Profilierungsversuche von rechts.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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4 Kommentare

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  • "Die Kräfte der Documenta samt ihren externen Beratern sind offenbar mit der Aufgabe überfordert, eine Kunstausstellung ohne Judenhass zu organisieren".

    Das trifft auf große Teile des deutschen Kulturbetriebs zu. Eine ganze Szene sollte in sich gehen, und ihre Einstellung zu Israel und jüdischen Menschen neu justieren. So wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen.

  • Für mich war der Zeitpunkt genau richtig:



    Wäre es früher passiert hätten die Verantwortlichen eine "Bedrohung der Kunstfreiheit" annonciert und Schuldumkehr a la Trump betreiben können, und früh genug um den Eindruck zu vermeiden es sei uns egal.

  • "Die Kräfte der Documenta samt ihren externen Beratern sind offenbar mit der Aufgabe überfordert, eine Kunstausstellung ohne Judenhass zu organisieren."



    Ein Problem, das zunehmend den ganzen Kunst- und Kulturbetrieb betrifft. Man möchte ja "Haltung zeigen" und "an der Seite der Unterdrücken" stehen und folgt dann den gängigen, vielfach auf antisemischen und antiamerikanischen Stereotypen beruhenden Kampagnen. Man boykottiert den Juden unter den Staaten (als einzigen auf der Welt, er scheint der schlimmste zu sein) und solidarisiert sich mit Faschisten und Massenmördern, weil die sich Widerstandskämpfer nennen.



    Ich war immer der Meinung, Kunst soll politisch intervenieren, mittlerweile sehne ich mich nach unpolitischer Kunst.

  • Mag wohl sein. Zur Vervollständigung sei gesagt, die Ministerin für Kultur ist Mitglied bei den Grünen.