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Antimilitaristische ImpulseFriedensgutachten für den Krieg

Eine Friedensforscherin ruft zu mehr Waffenlieferungen für die Ukraine auf. Darüber regen sich jetzt Widerstand und irritierte Stimmen.

Können Waffen Frieden herstellen? Diese Frage sorgt für Kontroversen in der Friedensforschung Foto: Evgeniy Maloletka/ap

S ie müssen verzeihen, dass ich an dieser Stelle manchmal Dinge wiederverwerte, die ich anderswo eingesammelt habe. Unsereins kommt ja selten raus, da beschäftigt es einen länger, wenn ExpertInnen Einblicke in ihre Arbeit geben – so geschehen in einem taz-Videotalk, den ich jüngst mit der Friedensforscherin Ursula Schröder hatte.

Schröder ist Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg, und sie sagt, dass die Ukraine mehr Waffen vom Westen braucht. Sie ist damit in ihrer Berufsgruppe nicht allein: Die vier großen deutschen Friedensforschungsinstitute traten bei der Präsentation ihres Friedensgutachtens im vergangenen Juni geschlossen dafür ein, die Ukraine militärisch zu unterstützen.

wochentaz

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Ich fragte, ob dadurch nicht Menschen enttäuscht würden, die denken, dass die Friedensforschungsinstitute zur Erforschung des Friedens und nicht für Waffenforderungen da sind. Schröder antwortete: „Es ist mein Job, Dinge zu verkomplizieren, wenn sie nicht einfach sind.“ Angriffskriege könnten es nötig machen, Frieden mit Waffengewalt herzustellen. „Wir haben nicht die gleiche Situation wie in den 80ern, als sich zwei hochgerüstete Blöcke gegenüberstanden, bei denen dann gefordert wurde, beide abzurüsten“ – was ja bis heute unterschreibbar sei, ergänzte sie.

Doch regt sich innerhalb der Friedensforschung Widerspruch dagegen, dass die Institute den Zeitenwende-Kurs der Bundesregierung so deutlich mittragen. In der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“ versammelten sich jüngst irritierte Stimmen. Den HerausgeberInnen fiel dazu leider kein anderer Titel als „Quo vadis, Friedensforschung?“ ein, doch die Texte zeigen gut, wie es dem Antimilitarismus gerade geht.

Antimilitaristische Impulse

„Eine kritische Friedensforschung stellt die Kriegslogik und ihre vernunftwidrigen Konsequenzen in Frage“, schreibt Jürgen Scheffran. Das Dossier bietet viel Theorie über Krieg und Frieden anderswo und in der Vergangenheit – hat aber auch für den akuten Fall der Ukraine eine Idee: das Konzept der sozialen Verteidigung, gemeint sind zivile Widerstandsformen, Streik, Verweigerung, Untergrundorganisationen.

Olaf L. Müller formuliert rückwirkend: „Wenn sich die Ukraine bereits unmittelbar nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 entschieden auf eine zivile Verteidigung gegen einen weitergehenden Überfall vorbereitet hätte“, wenn sie nicht in die Nato gewollt hätte, „wenn sie ihren Widerwillen gegen Fremdherrschaft aus Moskau durch millionenfache Demonstrationen mit Slogans wie ‚Ihr seid nicht willkommen‘ gezeigt hätte“ und der Westen all das auch finanziell unterstützt hätte, „dann hätte Putin seinen Truppen vielleicht keinen Einmarsch befohlen“.

Hm, vielleicht. Sehr vielleicht.

Es ist nun kein Vorrecht des pazifistischen Flügels der Friedensforschung, die Dinge stets nachher besser zu wissen. Die Welt produziert ihre Konflikte immer so neu und anders, dass es selten möglich scheint, aus Vergangenem zu lernen. Das treibt auch manche pazifistisch geprägte ForscherInnen um, die früher selbst die Friedensgutachten mitgeschrieben haben.

Zum 2022er Gutachten ihrer NachfolgerInnen befragt, sagen sie Dinge wie „mehr Abwägung gewünscht“ oder „hätte kritische Abnäher gesetzt“. Natürlich habe Putins Angriffskrieg es nötig gemacht, dass die Ukraine sich wehren könne, auch mit Hilfe vom Westen. Dennoch müsse der antimilitaristische Impuls in der Öffentlichkeit bleiben, sagen sie sinngemäß.

Noch besser wäre, er würde auch praktisch wirksam, dieser Impuls – am besten zur Beendigung des Krieges. Wie, das bleibt auch in kritischen Friedensforschungskreisen erkennbar eine offene Frage.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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39 Kommentare

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  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Die Sache mal von vorne denken. Der Angriffskrieg zielt auf annexionen von bedeutenden Gebieten. Deshalb die Frage: Wo sollen die Ukrainer leben, die z.B. zu 80% aus Mariupol geflohen sind und die weder Russen werden wollen noch mit Leuten aus dem Wagner-Symphonieorchester als Nachbarn leben wollen?

    • @658767 (Profil gelöscht):

      ihre fragestellung ist eher irritierend. könnten sie sie mal begründen???

  • es hatte mich von beginn des krieges gegen die ukraine schwer irritiert, wie bellizistisch die friedens-forschungs-institute waren + sind.



    liegt evtl.an der besetzungspolitik dieser institute ? spd-mitglieder? grüne??

  • Olaf L. Müller formuliert rückwirkend: „Wenn sich die Ukraine bereits unmittelbar nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 entschieden auf eine zivile Verteidigung...



    Oh mein Gott, kann ein erwachsener, halbwegs gebildeter Mensch wirklich so naiv sein?! Offensichtlich ja! Unfassbar ...



    Herr Müller, bitte bitte, lesen sie das noch einmal laut, was sie da gesagt haben und hören sie sich dabei selbst zu - könnte eventuell helfen!

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Ich fragte, ob dadurch nicht Menschen enttäuscht würden, die denken, dass die Friedensforschungsinstitute zur Erforschung des Friedens und nicht für Waffenforderungen da sind.“



    Und morgen lesen Sie: „Klimaforscher*innen gegen Tempolimit.“

  • "zivile Widerstandsformen, Streik, Verweigerung, Untergrundorganisationen"



    Wie das russische Militär darauf reagiert ist hinlänglich bekannt.

    • @Luftfahrer:

      Das wäre ja aber dann russische Innenpolitik die kann man ignorieren.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die Welt produziert ihre Konflikte immer so neu und anders, dass es selten möglich scheint, aus Vergangenem zu lernen.""



    ==



    Was ist neu am Selbstbestimmungsrecht der Völker, was ist neu an der Erkenntnis, das der Krieg Russlands gegen die Ukraine seit 2014 ein verbrecherischer Angriffskrieg ist,



    was ist neu an dem Verständnis, das sich der Wiederstandswillen der Ukrainer auch aus dem von Russland organisierten Holodomor aus den 30iger Jahren speist genauso wie aus den leidvollen Erfahrungen des 2. Weltkrieges als Opfer eines brutalen Vernichtungsfeldzugs der Nazis und der nachfolgenden Okupation durch die Sowjetunion, gegen die sich die Ukraine mindestens ein Jahrzehnt lang nach Beendigung von WWII gewehrt hat.

    Jürgen Scheffrat möge sich bitte eine neue Brille kaufen und nachlesen wie es der Sozialen- & Demokratiebewegung in Weißrussland ergangen ist - dto. der Opposition in Russland seit dem Jahr 2012 und der friedlichen Wiederstandsbewegung im Iran angesichts der viehischen Gewalt der Basidji Milizen, die extra für die Niederschlagung demokratischer Bewegungen vom iranischen Regime in Stellung gebracht wurden.

    Der Syrienkrieg und der Krieg Russlands gegen die Ukraine sind die mit am besten dokumentierten Kriege deren Schilderungen eineindeutig die Schuldfrage beschreibt. Daran ist nichts neues zu entdecken.

    Wenn Friedensforscher das Dilemma verstanden haben, das der Krieg gegen die Bevölkerung in Butcha und Irpin und anderswo erst richtig los ging als die Kampfhandlungen zwischen russischer und ukrainischer Armee zunächst beendet waren -- aber Russland im gleichen Moment Folterkeller einrichtete, Bewohner verschwanden und Kinder nach Russland deportiert wurden sind sie am Kern des Problems angelangt.

    Die Ukraine ist Opfer eines verbrecherischen Angriffskrieges - & Friedesnsforscher haben nicht die Aufgabe den Ukrainern die Waffen & Unterstützer weg zu kritisieren die sie zum ersten Mal in der Geschichte nicht zu hilflosen Opfern machen.

  • "Die Welt produziert ihre Konflikte immer so neu und anders, dass es selten möglich scheint, aus Vergangenem zu lernen."

    Dieser Satz stellt - bis auf den Silberstreifen im Wörtchen "scheint" - eine fatale Denkverweigerung dar. Natürlich ist kaum ein Konflikt GENAU wie irgendein anderer. Aber dafür sind wir Menschen nunmal verrnunftbegabte Wesen: Wir können untersuchen, wo die Unterschiede aufhören und die Gemeinsamkeiten anfangen. Und dadurch können wir auch die historischen Präzedenzfälle identifizieren - und feststellen, dass eine Appeasement-Politik noch NIE einen nationalistisch oder faschistisch motivierten Eroberer zum Innehalten bewogen hat.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      „Und dadurch können wir auch die historischen Präzedenzfälle identifizieren - und feststellen, dass eine Appeasement-Politik noch NIE einen nationalistisch oder faschistisch motivierten Eroberer zum Innehalten bewogen hat.“



      Wie oft, wann, und wo wurde Appeasement-Politik schon angewandt? Haben Sie mehr als ein Beispiel?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Um es jetzt nicht zu weit in die Vergangeheit zu treiben, könnte ich beim Alten Rom anfangen, das zunächst von vielen, letztlich doch eroberten, Nachbarn mit Tributzahlungen erfolglos "appeased" wurde (und später seinerseits seinen Untergang nicht aufhalten konnte, indem es auf seine Grenzen drückende Germanenstämme reinließ und zu assimilieren suchte - auch Appeasement im weitesten Sinne). Den Inka und Azteken erging es mit der zunächst furchtsam-freundlich empfangenen spanischen Conquista auch nicht besser. Weitere Indigene folgten, wo immer der kolonisiernde Fuß gut gerüsteter europäischer



        Herrenmenschen hintrat und nicht gleich bekriegt wurde. Napoleon hat seinen Teil Appeaser dann doch geschluckt und gut gekaut wieder ausgerotzt. 1876 wurde der "Japanisch-Koreanische Freundschaftsvertrag" geschlossen - mit dem bekannten Nachspiel...

        Chamberlain mag als erster den heute gebräuchlichen Markennamen "Appeasement" verwendet haben, aber die politische Taktik ist uralt. Und ihre Erfolglosigkeit gegen Aggressoren, die wirklich glauben, sie verdienten den Sieg, weil sie etwas Besseres sind, ist es auch.

  • Das Mantra der sogenannten Friedensforschung ist doch: "Kriege durch westliche Demokratien sind schlecht, (Bürger)Kriege aller anderen Staaten sind OK und letztlich ist der Westen sowieso an jedem Krieg schuld."

    Positiv könnte man das als "innenpolitische" Stoßrichtung für ein pazifistisches Ideal werten, negativ als ethnozentristisch und von der Allmacht der weißen, europäisch-stämmigen Menschen überzeugt.

    Dumm und falsch ist es allemal.

    • @Chris McZott:

      Die im Artikel beschriebene Positionierung der vier Institute dürfte doch eigentlich mehr als ausreichender Beleg sein, dass dem eben nicht so ist. Friedensforschung und die - zunehmend querfrontlerische - 'Friedensbewegung' sind wohl doch zweierlei.

    • @Chris McZott:

      Wo sind für die Friedensforschung andere Kriege ok? Belege?

  • Wenn Friedensforschung sich ideologischen Vorgaben unterwirft, verliert sie die Berechtigung, sich "Forschung" zu nennen. Insofern ist es zu begrüßen, dass sich die Institute keine intellektuellen "no-go-areas" vorschreiben lassen.

    • @Normalo:

      „Wenn Friedensforschung sich ideologischen Vorgaben unterwirft, verliert die die Berechtigung, sich ‚Forschung‘ zu nennen.“



      So formuliert kann ich zustimmen. Das betrifft die akademische Forschung und da sollte es selbstverständlich sein, wissenschaftliche Standards einzuhalten. Punkt.



      Aber heute hatten wir ja auch die Meldung zum Tode von Tilman Zülch, dem langjährigen Vorsitzenden der GfbV. In der konkreten Friedens- wie in der Menschenrechtsarbeit geht es gerade darum, eindeutig Stellung zu beziehen, parteiisch zu sein für die Opfer von militärischer Gewalt und Genozid. Das gilt ja nicht nur für die Skandalisierung der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.



      Und ja, es gehört auch dazu, dieses anzuprangern, wenn es im Namen von freedom&democracy geschieht. Hier haben die eigenen ideologischen „Vorlieben“ natürlich auch keine Rolle zu spielen, Ehrlichkeit ist Trumpf. Sonst brauche ich mit dieser wichtigen Arbeit erst gar nicht anzufangen.

    • @Normalo:

      Ich habe noch nie von friedensbewegten gehört, die irgendeine Schuld bei denjenigen gesucht haben die Opfer westlicher Kriege wurden. Oder hat schon irgendjemand mal gefragt was die Vietnamesen eventuell falsch gemacht haben könnten um den amerikanischen Angriff zu verhindern? Wurden jemals Waffenlieferungen an Nordvietnam kritisiert?

      • @Suchender:

        Es ist das gute Recht der Friedensbewegten, sich - als politische Aktivisten - ihre Stoßrichtung auszusuchen und zur Schärfung ihrer Agenda dann auch mal auf gewissen Augen blind zu sein. Das gehört zur Politik, andere Lobbyisten machen es auch nicht anders, und zur Korrektur der Einseitigkeiten gibt es den politischen Dialog und die Medien.

        Wenn sich dagegen universitäre Forschungsinstitute so verhalten, ist das aus meiner Sicht grob zweckwidrig und darf kritisiert werden. Umgekehrt müssen solche Vorkommnisse Einen aber nicht hindern, lobend zur Kenntnis zu nehmen, dass es jetzt gerade mal NICHT passiert.

        Davon abgesehen ist es wohl grundsätzlich nicht falsch, die Möglichkeit(!) zur Friedenswahrung primär bei dem zu sehen, der die größten militärischen Möglichkeiten hat und/oder ohne einen Sieg in dem jeweiligen Konfliktherd eher leben kann als die anderen Beteiligten. Das ist beileibe keine "immer"-Regel, sollte aber im Auge behalten werden.

        Im Fall Vietnam hat die Geschichte gezeigt, dass die USA aufgrund grober Fehleinschätzungen der Prioritätensetzung in der vietnamesischen Bevölkerung und der militärischen Möglichkeiten, ein fremdes Land zu befrieden, das Einen nicht haben will, mit ihrem massiven Einsatz das Gegenteil von Frieden erreicht haben, ohne ihr Kriegsziel erreichen zu können (es sei denn, man zählt die Abschreckungswirkung auf andere Länder zu den Kriegszielen - ein zweites Vietnam wollte sicher kein vielleicht zum Kommunismus neigender Staat im Kalten Krieg gerne werden). Das herauszuarbeiten ist genau ein Fall für die Friedensforschung - wie auch, dass Putin gerade strukturell einen nicht unähnlichen Fehler macht...

        • @Normalo:

          Wenn sich jemand als Pazifist bezeichnet hat das universell zu gelten sonst ist es nur ein Lippenbekenntnis. Als Pazifist kann man niemals auf einem Auge blind sein.Wenn ein Pazifist heute die Ukrainer dazu auffordert die Waffen zu strecken und stattdessen zivilen Ungehorsam zu leisten hätte dies auch damals für den Vietkong gelten müssen.

          • @Suchender:

            Sie verlangen moralische Perfektion von Menschen. Das ist - mit den Worten eines alten politischen Fahrensmannes - unfair. ;-)



            Davon abgesehen war der Vietcong als ursprünglicher Aggressor für die Pazifisten ein untaugliches Objekt - so wie es jetzt Putin ist. Der Aggressor hat schon bewiesen, dass er den Krieg als Mittel zur Erreichung seiner Ziele der Verhandlung vorzieht. Er ist im Zweifel immer der schwerer vom Ablassen von diesem Mittel zu überzeugende - selbst wenn sich die strategische Situation so stark geändert hat, wie seinerzeit durch das US-Engagement auf Seiten der Südvietnamesen.

            Das außen vor besteht natürlich ein gewisse Neigung, mit Kriegsparteien härter ins Gericht zu gehen, die nicht bloß vorgeben sondern an sich ehrlich den Anspruch stellen, die Vertreter von Frieden und Freiheit zu sein. Das ist im vergangenen Jahrhundert in der Regel der Westen gewesen.

            • @Normalo:

              Na gut, ich laß das mal als mildernde Umstände gelten. Sind Sie Anwalt?:-)

  • "Die Welt produziert ihre Konflikte immer so neu und anders, dass es selten möglich scheint, aus Vergangenem zu lernen." - In der Physik wie in der Erziehung entstehen immer wider neue Gemische und Persönlichkeiten, dass es selten möglich scheint, daraus allgemeine Regeln abzuleiten. Könnte es vielleicht nicht am Objekt der Betrachtung sondern an den geistigen Fähigkeiten der Betrachter scheitern?

  • "hat aber auch für den akuten Fall der Ukraine eine Idee: das Konzept der sozialen Verteidigung, gemeint sind zivile Widerstandsformen, Streik, Verweigerung, Untergrundorganisationen."

    Schöner Gedanke, nur: wie naiv, zu glauben, damit würde man eine Alternative zur militärischen Unterstützung der Ukraine skizzieren.

    Es gab und gibt ja in den besetzten Gebieten durchaus zivilen Widerstand, nur wird dem von russischer Seite auch mit massiver Repression, Folter, Deportation und Ermodungen begegnet.

    Selbst Menschen, die in den besetzten Gebieten blaue Schleifen aufhängen (und ich ziehe auch vor diesen Menschen meinen Hut) setzen sich einer akuten Lebensgefahr aus.

    Zu glauben, die Ukraine würde noch als unabhängiger Staat existieren, wenn man sich auf diese Formen des Widerstands gegen Russland beschränkt hätte, ist einfach nur, bestenfalls, naiv, und in den meisten Fällen wohl mit einer Feigheit zu begründen, sich dem faschistischen Aggressor entgegen zu stellen.

    Und ja, ich bin im Kern gegen Militarismus, aber einem militärisch agierenden, expansionistischen Faschismus nur mit nicht-militärischen Mitteln gegenüber treten zu wollen, kann nur in die Unterwerfung führen.

  • "Eine Friedensforscherin ruft zu mehr Waffenlieferungen für die Ukraine auf"



    Wie kommt man auf die Idee, dass diese vom Staat angestellte "Friedensforscherin" wirklich unabhängig ist?

    Wikipedia zu dem "Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik":



    "Gremien des Instituts sind neben einem 10-köpfigen Kuratorium unter dem Vorsitz der Staatsrätin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Eva Gümbel, (Die Grünen) und dem Präsidenten der Universität Hamburg, Hauke Heekeren, der Institutsrat geführt von Ursula Schröder und der wissenschaftliche Beirat unter Anna Geis, Universitätsprofessorin für Politikwissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität."

    Nennt man dies nun wirklich "Unabhängigkeit" ??? In Frankfurt sieht es an der Uni übrigens mit der "Friedensforschung" nicht viel besser aus.

  • Beginnen Sie bitte mit Georgien 2003, 2008 und mit Tschetschenien. In Osteuropa wurde über alle diese Vorgänge untereinander in den letzten Jahren viel kommuniziert. Schauen Sie in die Zeitschrift Osteuropa, die seit langem erscheint. Dort wurde es zeitnah deutschsprachig vermittelt.



    Mit der Infragestellung der Kriegslogik wenden Sie sich bitte an den Kreml.

    • @Land of plenty:

      Zumindest Spiegel Print hatte 2008 ein halbes Jahr spaeter noch den Anstand, eine revidierte Version der Ereignisse in Georgien zu bringen, wo aufeinmal nicht mehr der Kreml der Boesewicht war. Dies war der Zeitpunkt, ab dem ich die "offizielle" Berichterstattungder Aussenpolitik begann sehr kritisch zu beleuchten.

  • "Die Welt produziert ihre Konflikte immer so neu und anders, dass es selten möglich scheint, aus Vergangenem zu lernen."

    Da kann ich von Clausewitz empfehlen.



    Oder so ziemlich jeden Historiker.



    Man kann, sollte und muss! aus der Vergangenheit lernen. Wie bitte soll es sonst funktioniern? Glaskugel?

  • Ich bin sehr erstaunt über die Ideen von Herrn Müller. Waren die Maidan Proteste nicht gerade das zivile (vom Westen auch finanziell unterstütze) Zeichen an Moskau, dass Russland seine Finger von der Ukraine lassen soll? Hat nicht Putin diese Proteste als inszeniert um vom Westen gesteuert dargestellt und ist schließlich in die Ukraine einmarschiert; hat als Reaktion den Krieg im Grunde begonnen (Waffenlieferungen in den Donbas, Annexion der Krim)? Hat Putin zudem nicht die gesamten Medien Russlands in der Hand, sodass all die Versuche der Ukrainer ihre Haltung klar zu machen gescheitert sind und als westliche Propaganda verkauft wurden? Ausserdem sollte die Logik nicht sein dass ein Staat anderen klarmachen muss dass er nicht überfallen werden will. Das sollte doch beim besten Willen wirklich jedem klar sein. Bleibt höchstens noch dass es ungeschickt, aber nicht unrechtmäßig war der NATO beitreten zu wollen.

    Und nur so nebenbei, in Weißrussland haben Millionen über Jahre demonstriert und gestreikt. Was hat es gebracht. Putin hat Lukaschenko gestützt und jetzt leben die Weißrussen in einem totalitären Vasallenstaat.

  • Der zentrale Trugschluss ist die Gleichsetzung von Waffen mit Krieg als Gegenteil von Frieden.

    Besserer Vergleich: einem pöbelden, potentiell gewaltbereiten Neonazi tritt man sicherer und überzeugender verbal entgegen, wenn man Kampfsport betreibt und die entsprechende Physis hat. Auch wenn letzteres eventuell ebenfalls auf den Nazi zutrifft, ist nicht der Kampfsport an sich das Problem.

    • @Fairchild670:

      Auch wenn ich grundlegend zustimmen würde, sehe ich das nur eingeschränkt.

      Wenn wir eine Gesellschaft haben, in der Leute ständig trainieren, sich zu prügeln, dann ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass sie bei Konflikten auf den Gedanken kommen, sich zu prügeln.

      Wenn sie stattdessen trainieren, verbal zu kämpfen, dann werden sie eher eine Diskussion — oder ein Rap-Battle — veranstalten, aus der/dem zwar Leute beleidigt rauskommen, aber meistens nicht körperlich verletzt.

      Die Grundfrage ist, wie wir damit umgehen, wenn die Angreifer Kampfsport betreiben. Dann müssen wir uns offensichtlich wehren können, solange wir sie nicht überzeugen können, lieber verbal zu kämpfen.

      • @Arne Babenhauserheide:

        "Wenn sie stattdessen trainieren, verbal zu kämpfen"

        Warum entweder oder? Wer sowohl verbal als auch körperlich kämpfen kann, wird insbesondere wissen, dass letzteres deutlich schmerzhafter ist - zumindest in Konflikten mit Fremden.

        Außerdem bleibt das Problem, dass der Nazi in meinem Beispiel unabhängig von der geltenden Norm die gewalttätige Problemlösung vorzieht, und Ihnen während des Rap-Battles oder danach eine reinhaut.

        Und nehmen wir einmal an, der Nazi betreibt Kampfsport. Wurde er deswegen erst gewalttätig?

        Trotz allem Widerspruch sind wir, glaube ich, gar nicht so weit voneinander entfernt. Ich bezweifle nur die Behauptung, Kampfsport führe grundsätzlich zu mehr Gewalt. Eventuell verstärkt er schon vorhandene Gewaltbereitschaft, aber bei friedlichen Personen sehe ich grundsätzlich keine Gefahr.

        Ganz am Rande, ich betreibe keinen Kampfsport und bin etwa 1,70 m. Non-verbale Konfliktlösung konnte ich bisher weitgehend vermeiden, allerdings ab und an durch Konfliktvermeidung mit anschließenden Gewissensbissen.

  • Oh Mann, ich kann's echt nicht mehr hören. Ist es wirklich das Einzige, was Leuten, die sich sogar beruflich damit beschäftigen, dazu einfällt? Mehr Waffen?



    Warum sagt so jemand nicht mal, was denn eigentlich das Ziel ist? "Mehr Waffen" ist ja nur das Ziel der Rüstungskonzerne. Für jeden anderen sollte "mehr Waffen" nur das Mittel für welches Ziel auch immer sein.

    Und dieses Ziel sehe ich von niemandem aus dem "mehr Waffen"-Lager erklärt. Wie kommt es denn nach der Lieferung von mehr Waffen dann endlich zum Frieden? Bisher haben mehr Waffen - wenig erstaunlich - nur zu mehr Toten und mehr Zerstörung geführt. Wie würden die Toten diese Initiative beurteilen?

    Es wird keinen Frieden geben, indem mit mehr Waffen die Ukraine Russland aus dem, was die Ukraine immer als monolithisches Land darstellt, es aber keineswegs ist, vertreibt. Schon gar nicht, wie die Ultranationalisten Selenskjy Melnyk & Co es wollen, die Krim ebenfalls noch zurückerobern. Putin wird nicht sagen "sorry, hab mich geirrt, gehe ich halt wieder". Es muss eine für beiden Seiten mögliche Lösung geben. Sonst gibt es keine Lösung, so mies das auch sein mag.

    Und von einer sogenanten Friedens- und Konfliktforscherin würe ich mir erheblich mehr Hintergrund wünschen. Wenn sie schon meint, sie würde Sachen, die einfach erscheinen, gerne verkomplizieren. Verkomplizieren sie mal Ihr "mehr Waffen"!

    • @Jalella:

      Die Wahrung der territorialen Integrität, die Kernaufgabe jedes Staates und jeder Regierung, soll jetzt "ultranationalistisch" sein. Was für ein Unsinn.



      Wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, zwischen den Positionen "Selbsterhalt der Ukraine" und "Imperiales Recht Russlands, sich nach eigenem Belieben Länder und Völker einzuverleiben" eine moralische und rechtliche Äquidistanz herzustellen, zeigt doch, dass Frieden und Moral für Sie nur Worthülsen sind.

      Wer Putin eine akzeptable Lösung bieten will, ist kein Pazifist, sondern nimmt gelassen in Kauf, dass Krieg sich wieder lohnt (für gewünschte Staaten natürlich).



      Damit würde die Saat für nochmehr Kriege in Europa gesät. Moskaus Sicherheitsinteressen reichen bis nach Deutschland.

      "Warum sagt so jemand nicht mal, was denn eigentlich das Ziel ist?"

      Das Ziel ist: Moskau durch hohe Verluste den Appetit zu verderben und (idealerweise) auf die eigenen Grenzen zurückzudrängen!



      Solange die Ukrainer bereit sind, die dafür notwendigen Opfer zu erbringen, sollten wir sie dabei unterstützen.

      "Ultranationalisten Selenskjy Melnyk & Co" - Was ist dann, um den Maßstab zu wahren, eigentlich Putin? Ein "supermassiver Faschist"?

    • @Jalella:

      "... , wie die Ultranationalisten Selenskjy Melnyk & Co es wollen, die Krim ebenfalls noch zurückerobern."

      Wenn ich etwas nicht mehr hören kann, dann sind es die beständigen Versuche, die Ukraine zum eigentlich Schuldigen zu erklären. Die Verteidigung des eigenen Landes gegen eine militärische Aggression als "ultranationalistisch" zu bezeichenen - auf die Idee muss man auch erst einmal kommen.

      Die Generalversammlung der UB hat am 14. März 2014 eine Resolution zur territorialen Integrität der Ukraine - und d. h. einschließlich der Krim - verabschiedet



      de.wikipedia.org/w...Generalversammlung

      Im Gegensatz zu Putin plant die Regierung Selenskyi keineswegs die Eroberung fremden Territoriums. Sie fordert lediglich die Umsetzung geltenden Völkerrechts.

    • @Jalella:

      "Es muss eine für beiden Seiten mögliche Lösung geben. Sonst gibt es keine Lösung, so mies das auch sein mag." Die gibt es nicht. Ich habe es schon an anderer Stelle gepostet, Russland hat den Anspruch Weltmacht zu sein, eine Weltmacht die einem Land was noch nichtmal Regionalmacht ist seinen Willen nicht aufzwingen kann ist keine Weltmacht. Daher gibt es für Russland keine mögliche Lösung außer dem Sieg, zumindest solange Russland sich als Weltmacht betrachtet. Sich Russland zu unterwerfen ist keine Lösung für die Ukraine und die Ukrainer würden nicht aufhören zu kämpfen. Daher gibt es keine Lösung als soviel Waffen zu schicken das für Russland der Schmerz so groß wird das die Aufgabe des Anspruches Weltmacht zu sein tolerierbar wird.

    • @Jalella:

      Ich kann's es auch nicht aber genau das, was hier steht, bzw. die absurden Floskeln, dass eine Lösung mit Putin ohne Waffen möglich ist!



      Ich versuche es mit einem einfachen Vergleich: Ein Verbrecher, ein echter Bandit, dringt mit Gewalt in mein Haus ein. Er versucht mich zu töten aber zuvor vergewaltigt und tötet er einige aus meiner Familie ... Und er hat nur eine Absicht - alles mit Gewalt an sich zu reißen und bleiben. Da er viel stärker und mächtiger ist als ich (mit Verhandlungen, die nicht in seinem Sinne sind, hat er nicht so ...), bin ich auf meine Nachbarn angewiesen, die mir helfen können, den Schwerverbrecher zu verjagen und zu Verantwortung zu ziehen.



      Ganz ehrlich, ich würde die Hilfe gerne annehmen. Noch Fragen?

      • @Tomphson:

        ...und wer glaubt, dass dem Verbrecher das eine Haus reicht, der ist weltfremd und naiv - die Nachbarhäuser wurden zuvor auch längst anvisiert, dummerweise und zum Glück für alle, lief es mit der Hausbesetzung nicht so schnell wie geplant. Apropos Verhandlungen; ja, auf die lässt sich der Verbrecher ein ABER: das Wohnzimmer, den Hauswirtschaftsraum und die Küche möchte er schon Mal behalten und sich dort breit machen...



        Geht's noch?!!! Es ist (leider) richtig, dass Waffen weiterhin geliefert werden und ein Glück, dass dem Selensky klar ist, mit wem er zu tun hat und ja, jemand verdient auch Geld mit den Waffen aber das war schon immer so!

  • Ja, die offene Frage zur Beendigung des Krieges bleibt.



    Die derzeitige Taktik sorgt dafür, dass der Krieg erhalten bleibt.

    • @Philippo1000:

      Der Krieg geht - Stand jetzt - weiter, bis Russland entweder seine Ziele erreicht oder sie aufgibt. Mit dem Stopp der Waffenlieferungen könnte man ersteres erzielen, aber wäre das wirklich eine Lösung im Sinne des Friedens? Putin ist nicht der Erste, der auf Basis eines Wahns von der schicksalhaften Expansionsbestimmung seines Volkes loszieht, um sein Reich - im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Gehtnichtmehr - kriegerisch zu vergrößern. Keiner seiner Vorgänger hat je den Hals vollgekriegt, bevor er ihm militärisch gebrochen wurde. Ihn gewähren zu lassen, IST daher keine Option, die absehbar Frieden bringt.

      Bleibt der zweite Weg zum Frieden, Russland zum Abrücken von seinen Eroberungszielen zu bewegen. Das geht nur mit Waffen, die die Ukraine befähigen, ihm diese Ziele dauerhaft zu verweigern.

      Sie können also entweder die Ausgangsthese im ersten Satz dieses Postings glaubhaft widerlegen, oder Sie werden zugeben müssen, dass die weitere Lieferung von Waffen unter mehreren schlechten Optionen die am wenigsten schlechte ist.