Anklage gegen Daniela Klette erhoben: „Politisch motivierter Verfolgungseifer“
Die RAF-Verdächtige Daniela Klette wurde angeklagt. Ihr werden 13 Überfälle vorgeworfen. Ihre Verteidiger*innen üben Kritik.
Die Staatsanwaltschaft selbst war vorerst nicht zu erreichen. Der Prozess soll vor dem Schwurgericht Verden verhandelt werden.
Klette war Ende Februar 2024 in Berlin-Kreuzberg festgenommen worden, nach mehr als 30 Jahren des Untertauchens. Sie soll zur dritten und letzten Generation der RAF gehört haben, die sich im Jahr 1998 auflöste und der zehn Morde zugerechnet werden.
Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelte indes nur zu mehreren Raubüberfällen auf Supermärkte und Geldtransporter in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die Klette von 1999 bis 2016 begangen haben soll, nachdem sie mit den ebenso RAF-Beschuldigten Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg abgetaucht war. Die Überfälle werden nicht mehr der RAF zugerechnet, sondern nur noch der Finanzierung des Untergrundlebens für das Trios.
Mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet?
Warf die Staatsanwaltschaft Klette zunächst acht Überfälle vor, kamen später weitere dazu. Am Ende waren es 13. Die Ankläger stützen sich dabei auf Datenfunde, die sie nach Klettes Festnahme auf ihrem Handy und Computer sicherstellten. Bei den Überfällen soll das Trio mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet haben.
Bei einem Überfall 2015 in Stuhr (Niedersachsen) wurde auch auf den Beifahrer eines Geldtransporters geschossen, Klette soll mit einer Panzerfaust gedroht haben. Diese Tat wertet die Anklage als versuchten Mord.
Die Verteidiger von Klette – Undine Weyers, Ulrich von Klinggräff und Lukas Theune – kritisierten die Anklage am Freitag. Diese weise „erhebliche Mängel“ auf, vor allem bei dem Vorwurf des versuchten Mordes, teilten sie der taz mit. „Die Staatsanwaltschaft weigert sich hier beharrlich, offenkundige und entlastende Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zur nehmen.“
So würden die Ermittlungsergebnisse widerlegen, dass gezielt auf den Fahrer des Geldtransportes geschossen wurde. Auch werde die entlastende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ignoriert, so Theune, von Klinggräff und Weyers. Es dränge sich „der Eindruck einseitiger Ermittlungen und ein offenkundig politisch motivierter besonderer Verfolgungseifer auf“. Dies habe sich zuvor schon durch eine „öffentliche Vorverurteilung“ von Klette gezeigt.
Verteidigung sieht Vorwürfe nicht als erwiesen an
Die Verteidiger*innen hatten zuletzt betont, dass eine Anwesenheit Klettes an den Tatorten nicht erwiesen sei. DNA-Spuren von ihr fänden sich nur in Fluchtfahrzeugen, die teils 1.000 Kilometer und mehr zurückgelegt hätten. Auch gebe es bei einigen Überfällen Spuren von vier Personen an den Tatorten. Man könne also nicht davon ausgehen, dass immer nur Staub, Garweg und Klette bei den Taten dabei gewesen seien.
Und im Fall Stuhr sei der Vorwurf des versuchten Mordes nicht zu halten: Auch bei dieser Tat sei niemand verletzt worden. Die mitgeführten Waffen hätten stets nur als Drohkulisse gedient. Obwohl es bei anderen Taten Möglichkeiten gegeben hätte, Menschen zu verletzen, seien dort Raubversuche lieber abgebrochen worden. Die Staatsanwaltschaft Verden hatte dem widersprochen.
Auch die Bundesanwaltschaft ermittelt noch gegen Klette, wegen drei RAF-Taten, an denen die 66-Jährige mit Staub und Garweg beteiligt gewesen sein soll: auf ein Gebäude der Deutschen Bank im hessischen Eschborn 1990, auf die US-Botschaft in Bonn 1991 und auf einen Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993. Klettes Anwält*innen betonten auch hier bisher, dass eine RAF-Mitgliedschaft Klettes gar nicht erwiesen sei. Die Mitgliedschaft an sich wäre aber ohnehin bereits verjährt.
Auch Klette hatte zuletzt aus der Haft in der JVA Vechta heraus die Vorwürfe gegen sich als „konstruiert“ kritisiert: Der Staat setze „weiter auf Eskalation und Denunziation“. Bei der Festnahme von Klette sollen in ihrer Wohnung allerdings Waffen, Sturmhauben, Gold und mehr als 240.000 Euro Bargeld gefunden worden sein.
Nach Staub und Garweg wird bis heute erfolglos gefahndet. Garweg hatte zuletzt unerkannt auf einem Bauwagenplatz in Berlin gewohnt. Klette konnte ihn bei ihrer Festnahme noch übers Handy warnen, woraufhin er flüchtete. Festnahmeversuche von Garweg erwiesen sich zuletzt als Verwechslungen. Für Hinweise auf den Aufenthaltsort von Garweg und Staub haben die Behörden bis zu 125.000 Euro ausgelobt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus
Getöteter Schwarzer in den USA
New Yorker Wärter schlagen Gefangenen tot
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“