Amokfahrt in Mannheim: Mit dem Auto in der Waffenverbotszone
In deutschen Innenstädten wird das Auto zum Tatwerkzeug. Genauso wie andere Waffen hat das Lieblingsspielzeug der Deutschen dort nichts verloren.
D ie Angst vor einem Anschlag, vor einem Mann, der sein Auto als Waffe benutzt, ist derzeit omnipräsent. Konstant häufen sich die Nachrichten über Amokfahrten. Am Montag fuhr ein 40-jähriger Mann aus Ludwigshafen in Mannheim in eine Menschenmenge. Drei Wochen zuvor war ein Mann in eine Verdi-Demonstration in München gerast und hatte zwei Menschen getötet.
Jede Woche scheint es derzeit einen Anschlag in Deutschland zu geben. Jedes Mal ist es ein Mann, oft nimmt er ein Auto als Waffe. Meist gibt es einen Verdacht auf eine psychische Erkrankung, und oft ist er rechtsextrem oder islamistisch motiviert.
In Anbetracht dieses Terrors ist es leicht, mit Hass zu antworten. Die AfD will im großen Stil abschieben. Doch Abschiebungen würden das Problem nicht lösen. Das Problem sind Männer, die durch ihre unbehandelte psychische Erkrankung einem Wahn folgen und in rechtsextreme Ideologien abgleiten. Das Problem sind Städte, die vom Autoverkehr dominiert werden.
So war die Verdi-Demonstration in München mit dem Auto leicht zu erreichen, und in Mannheim war die Straße nicht durch Absperrungen gesichert. Fußgängerzonen, wie die in Mannheim, können einfach mit dem Auto befahren werden. Hier gibt es keinen Schutz. Keine Barrieren oder Zäune, die zumindest minimale Sicherheit geben könnten. Fußgänger:innen sind regelrecht konstanter Gefahr ausgesetzt.
Gerade Fußgänger:innenbereiche sind Waffenverbotszonen. Das Führen gefährlicher Gegenstände wie Messer oder Schusswaffen ist hier nicht erlaubt. Dass man jedoch mit einer durchschnittlich 1,4 Tonnen schweren Waffe – dem Auto – einfach in die Waffenverbotszone fahren kann, wird vergessen.
Das Auto ist momentan kein einfaches Transportmittel, sondern eine ernst zu nehmende Gefahr. Das konnte man auch schon in der taz lesen. Also nehmt den Tätern endlich ihre Waffen weg.
Wir brauchen mehr autofreie Zonen. Die Innenstädte sind mit der deutschen Autoobsession fundamental überfordert. Das sieht man an fehlenden Parkplätzen und Staus. Autofreie Zonen würden helfen, ein größeres Sicherheitsgefühl auf dem Gehweg zu schaffen und Festveranstaltungen sicherer zu gestalten – ganz ohne Betonpoller oder bedrückende Polizeipräsenz.
Weniger Autos würden in deutschen Innenstädten mehr Sicherheit bringen. So sollte man auch Sicherheitsvorkehrungen bei Festveranstaltungen wie Weihnachtsmärkten umdenken: Neben dem Absperren aller Durchfahrten bis auf eine (für Notfälle), könnte man einfach die Innenstädte für die Zeit autofrei gestalten.
Geschwindigkeitslimits helfen angesichts der Motivation der Amokfahrer nicht. In neueren Automodellen gibt es dagegen einen Geschwindigkeitswarner. Doch auch die sind überflüssig, denn sie warnen nur vor zu hoher Geschwindigkeit, drosseln diese aber nicht automatisch. Und in den meisten Autos auf Deutschlands Straßen sind nicht mal die eingebaut. Was wir stattdessen brauchen, sind Bremsmechanismen in jedem Auto.
Wir müssen über autofreie Städte reden
Sicherheit sollte in Anbetracht der gehäuften Anschläge oberste Priorität haben. Fußgänger:innen dürfen nicht in Angst auf dem Gehweg laufen, panisch, wenn ein:e Autofahrer:in mal wieder zu schnell fährt.
Auch der Ausbau therapeutischer Hilfe wird jetzt gefordert, was richtig ist. Doch wir müssen auch über autofreie Städte reden. In Deutschland wird das schwer umzusetzen sein. Doch wenn uns die Sicherheit der Gesellschaft, der Passant:innen auf Gehwegen und Festen wichtig ist, braucht es Veränderungen.
Damit es keine nächste Amokfahrt gibt, die uns in Trauer versetzt und uns fragen lässt: Wie konnte so was passieren?
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