piwik no script img

Amokfahrt in MannheimMit dem Auto in der Waffenverbotszone

Kommentar von Julia Schöpfer

In deutschen Innenstädten wird das Auto zum Tatwerkzeug. Genauso wie andere Waffen hat das Lieblingsspielzeug der Deutschen dort nichts verloren.

Das Tatauto nach der Amokfahrt von Mannheim Foto: Boris Roessler/dpa

D ie Angst vor einem Anschlag, vor einem Mann, der sein Auto als Waffe benutzt, ist derzeit omnipräsent. Konstant häufen sich die Nachrichten über Amokfahrten. Am Montag fuhr ein 40-jähriger Mann aus Ludwigshafen in Mannheim in eine Menschenmenge. Drei Wochen zuvor war ein Mann in eine Verdi-Demonstration in München gerast und hatte zwei Menschen getötet.

Jede Woche scheint es derzeit einen Anschlag in Deutschland zu geben. Jedes Mal ist es ein Mann, oft nimmt er ein Auto als Waffe. Meist gibt es einen Verdacht auf eine psychische Erkrankung, und oft ist er rechtsextrem oder islamistisch motiviert.

In Anbetracht dieses Terrors ist es leicht, mit Hass zu antworten. Die AfD will im großen Stil abschieben. Doch Abschiebungen würden das Problem nicht lösen. Das Problem sind Männer, die durch ihre unbehandelte psychische Erkrankung einem Wahn folgen und in rechtsextreme Ideologien abgleiten. Das Problem sind Städte, die vom Autoverkehr dominiert werden.

So war die Verdi-Demonstration in München mit dem Auto leicht zu erreichen, und in Mannheim war die Straße nicht durch Absperrungen gesichert. Fußgängerzonen, wie die in Mannheim, können einfach mit dem Auto befahren werden. Hier gibt es keinen Schutz. Keine Barrieren oder Zäune, die zumindest minimale Sicherheit geben könnten. Fuß­gän­ge­r:in­nen sind regelrecht konstanter Gefahr ausgesetzt.

Gerade Fuß­gän­ge­r:in­nen­be­reiche sind Waffenverbotszonen. Das Führen gefährlicher Gegenstände wie Messer oder Schusswaffen ist hier nicht erlaubt. Dass man jedoch mit einer durchschnittlich 1,4 Tonnen schweren Waffe – dem Auto – einfach in die Waffenverbotszone fahren kann, wird vergessen.

Das Auto ist eine ernst zu nehmende Gefahr. Also nehmt den Tätern endlich ihre Waffen weg

Das Auto ist momentan kein einfaches Transportmittel, sondern eine ernst zu nehmende Gefahr. Das konnte man auch schon in der taz lesen. Also nehmt den Tätern endlich ihre Waffen weg.

Wir brauchen mehr autofreie Zonen. Die Innenstädte sind mit der deutschen Autoobsession fundamental überfordert. Das sieht man an fehlenden Parkplätzen und Staus. Autofreie Zonen würden helfen, ein größeres Sicherheitsgefühl auf dem Gehweg zu schaffen und Festveranstaltungen sicherer zu gestalten – ganz ohne Betonpoller oder bedrückende Polizeipräsenz.

Weniger Autos würden in deutschen Innenstädten mehr Sicherheit bringen. So sollte man auch Sicherheitsvorkehrungen bei Festveranstaltungen wie Weihnachtsmärkten umdenken: Neben dem Absperren aller Durchfahrten bis auf eine (für Notfälle), könnte man einfach die Innenstädte für die Zeit autofrei gestalten.

Geschwindigkeitslimits helfen angesichts der Motivation der Amokfahrer nicht. In neueren Automodellen gibt es dagegen einen Geschwindigkeitswarner. Doch auch die sind überflüssig, denn sie warnen nur vor zu hoher Geschwindigkeit, drosseln diese aber nicht automatisch. Und in den meisten Autos auf Deutschlands Straßen sind nicht mal die eingebaut. Was wir stattdessen brauchen, sind Bremsmechanismen in jedem Auto.

Wir müssen über autofreie Städte reden

Sicherheit sollte in Anbetracht der gehäuften Anschläge oberste Priorität haben. Fuß­gän­ge­r:in­nen dürfen nicht in Angst auf dem Gehweg laufen, panisch, wenn ein:e Au­to­fah­re­r:in mal wieder zu schnell fährt.

Auch der Ausbau therapeutischer Hilfe wird jetzt gefordert, was richtig ist. Doch wir müssen auch über autofreie Städte reden. In Deutschland wird das schwer umzusetzen sein. Doch wenn uns die Sicherheit der Gesellschaft, der Pas­san­t:in­nen auf Gehwegen und Festen wichtig ist, braucht es Veränderungen.

Damit es keine nächste Amokfahrt gibt, die uns in Trauer versetzt und uns fragen lässt: Wie konnte so was passieren?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

schreibt für tazzwei / Medien, studiert Soziologie und Medienwissenschaft und interessiert sich für internationale Literatur, Filme & Popkultur.
Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Man hat ja schon eine Menge dummes Zeug in der taz lesen können. Dies hier ist dermaßen von der Sorte links-grünes Standard-Gesabbel, dass es eigentlich der Erwiderung kaum wert ist.

    Klar, keine Autos, keine Amok-Fahrten, ganz einfach. Wenn's mit Autos und Lastwagen nicht mehr geht, dann probiert es mal einer mit einem Linienbus. Oder mit einem PKW auf Wegen, die eigentlich dem ÖPNV vorbehalten sind. Oder durch einen Rettungsweg, wie in Magdeburg.

    Und dann kommen Sie und wollen uns die "autofreie Innenstadt" verkaufen?

    Dann gibt es keine Anschläge mehr?

    Alles wird gut?

  • Und die Attentäter werden dann am Schild "Autofreie Zone " stehen bleiben und ihren Plan aufgeben. Ale Innenstädte mit Pollern absperren ist so gut wie unmöglich. Da müssen Busse rein, Taxifahrer, Lieferanten, Gehbinderte die zum Arzt wollen.

    Der Weihnachtsmarkt von Magdeburg war auch bis auf Ausnahmen eine "Autobefreite Zone."

  • "und in Mannheim war die Straße nicht durch Absperrungen gesichert. Fußgängerzonen, wie die in Mannheim, können einfach mit dem Auto befahren werden."

    Das könnte vielleicht - aber wirklich nur vielleicht - etwas damit zu tun haben, dass man die Innenstadt eines Oberzentrums wie Mannheim auch mit den ÖPNV erschließen will - die Straßenbahnschienen, entlang denen der Täter gefahren ist, waren auf eigentlich allen Bildern zu sehen...

  • Skurriler Artikel.

  • Ist das Satire?

    Ich bin ebenfalls für mehr autofreie Städte, aber dies mit Anschlägen zu begründen, ist völlig absurd.

  • Wenn wir jetzt große autofreie Bereiche in Städten haben, wie werden die denn dann für Nichtfußgänger erschlossen? Nicht jeder kann große Strecken zu Fuß zurücklegen also kommen dann Radler und Rollis mit und ohne E-Antrieb hinzu, da ist das Schädigungspotential bei Mißbrauch überschaubar. Kommen dann Busse und Tram dazu, könnten diese ja auch missbraucht werden.



    Wir werden immer mit gewissen Gefahren leben müssen.

  • Das reicht natürlich nicht!



    Wir brauchen menschenleere Innenstädte !

    Warum überhaupt persönlich in den Stadt fahren ?



    Ok, schnell mal ins Auto gesetzt und ruckzuck erledigt.



    Nee, das war mal. Also warum in die Stadt fahren ?

    Im Internet gilbt es alles und so gut, wie der ÖPNV funktioniert, ist die Ware schneller aus dem Internet bei mir als der Bus.

    Also eigendlich ... brauchen wir gar keine Innenstädte mehr.

  • In Waffenverbotszonen gibt es Ausnahmeregelungen, so ist das Mitführen eines Messers für ein Picknick oder ein Barbeque gestattet.

    Übertragen auf die "Autoverbotszone" bedeutet dies, dass Führen des Fahrzeuges für den bestimmungsgemäßen Gebrauch weiter gestattet bleibt.

    Aber ja, in den Fällen des Gebrauches als Waffe sollte das Auto aus den Städten verbannt werden.

  • Vielleicht braucht es mehr große, öffentliche Hinweistafeln mit Angabe einer Notfallnummer zum sofortigem kontaktieren einer seelischen Hilfeeinrichtung für psychologische Hilfestellung, für überreagierende/ überforderte Mitmenschen. Am besten Mehrsprachig und plakativ Wir müssen da unbedingt prophylaktisch, professionell etwas unternehmen. Hier MUSS unser Staat echt umgehend aktiv werden.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Ein psychisch Kranker der Mordphantasien hat muss sich nur bei seine (Haus) Arzt, in einem Krankenhaus, oder bei der Polizei melden. Da braucht man keine große Tafeln für.

  • Ja, es muss einiges an unserem Umfeld geändert bzw. verbessert werden.



    Einerseits ist da die soziale Komponente, zu der ja die notwendige psychologische Hilfe für Bedürftige gehört. Das kommt immer noch viel zu kurz.



    Andererseits ist es auch die vorhandene Infrastruktur. Die ist noch viel zu sehr auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet. Deswegen haben wir uns auch angewöhnt, täglich weite Wege zurückzulegen. Deswegen müssen viele Menschen für die tägliche Arbeit diese weiten Wege auch in Kauf nehmen. Deswegen sind Gewerbegebiete auch oft weit entfernt von Wohngebieten, mit der oft einzigen Option, diese mit dem eigenen motorisierten fahrbahren Untersatz erreichen zu können, zumindest in einer vertretbaren Zeit.



    Und nun? Autofreie Städte werden aus meiner Sicht übrigens nicht funktionieren. Es wird immer nötig sein, mit motorisierten Gefährten auch in Wohngebieten unterwegs zu sein, schon alleine, wenn größere Dinge zu transportieren sind, z.B. von Handwerkern, bei Umzügen, bei medizinischen Notfällen, bei Bränden, etc.



    Das größte Problem für mich ist, dass das Auto immer noch einen zu hohen Stellenwert in der Gesellschaft besitzt, und oft genug ein Statussymbol ist.

  • Autofreie Innenstädte wegen der Amokfahrten kann man fordern. Ändern würde sich für psychisch Erkrankte oder andere die so etwas vor haben, nicht viel. Es gibt immer einen Bahnhofsvorplatz, eine Bushaltestelle, eine Schule ausserhalb der autofreien Zone. Und wenn müsste die natürlich wohl abgesichert sein, ein Verbot alleine nützt nicht.



    Das Phänomen ist leider in der letzten Jahren aufgekommen, es ist mit LKW gestartet und nach SUVs nun Kleinwagen. Eigentlich bleibt nur die Hoffnung, dass es bald auch wieder abnimmt.

    • @fly:

      Nach einem Bundesligafußballspiel sind Zb. in Dortmund zigtausende gleichzeitig auf der Strasse. Und autofreie Bundesligaspiele bei jeweils 80000 Besuchern im Westfalenstadion ist wohl kaum möglich. So viel Busse und Bahnen haben die Stadtwerke nicht. Dazu kommen dann noch Samstags bei schönen Wetter die Menschen die in die Innennstadt fahren. Und der DB Regionalverkehr steht im Ruhrgebiet zwei mal täglich vor dem Kollaps.

  • Ein sehr vernünftiger Vorschlag. Manchmal stelle ich mir vor wie unsere Nachfahren in 200 Jahren wohl auf uns zurückblicken werden. "Waaas! Die sind einfach so völlig ungesichert mit diesen tonnenschweren Fahrzeugen kreuz und quer durch die Gegend gefahren? Da sind Menschen gestorben? Das gibts doch gar nicht!"

    • @Christian Steingässer:

      Na klar. Die haben damals auch die Messer abgeschafft und das Brot durchgebrochen.

  • Wofür man doch alles so eine Tat instrumentalisieren kann.

    "Also nehmt den Tätern endlich ihre Waffen weg."

    Das Übermaßverbot ist eine Errungenschaft des demokratischen Rechtsstaates.

    Das mildere Mittel gegenüber dem Komplettverbot wäre ein Verbot für psychisch Kranke und Islamisten, Autos zu führen.

    Die AfD wird jubeln bei dem Vorschlag.

    Nimmt man noch die Rechtsextremisten mit rein, könnte auch die Linke glücklich sein.

    Ein Kompromiss in Hufeisenform.

    Instrumentalisierungen erschließen manchmal ungeahnte Möglichkeiten.

  • Sinnfreie Forderung



    Oder wollen sie Taxis, Krankenwägen, DHL, Hermes, etc. auch für die Innenstädte verbieten, weil ein Täter sich ja so ein "Auto" aneignen könnte.



    Oder wollen sie allen Ernstes alle Menschen die in der Innenstadt leben von Taxis, Rettungs-. und Lieferdiensten abschneiden?



    Morgen verbieten wir dann Benzin und Spiritus, ist ja auch tödlich und er Hand eines Irren, dann Gartenhacke und Heckenschere. Wer töten will, wird immer eine "Waffe" finden, und Verbote sind ihm total egal.

    • @Hans Dampf:

      völlig korrekt!

      In dieser "Logik" des Artikels wäre es am besten auch auch zu fordern, dass man in Innenstädten (oder am besten überall) nur mit angelegten Handschellen und Fussfesseln unterwegs sein darf, denn auch die Hände oder Füsse können ja als tödliche Waffe eingesetzt werden...