Schönheitsideale in Sozialen Medien: Die neue Norm

Schönheitsideale gibt es schon lange. Doch die Coronakrise und Instagram verschärfen das Problem – vor allem für junge Frauen.

Kim Kardashian post vor einer rosa Wand

Kim Kardashian ist für viele junge Frauen der Inbegriff von Schönheit Foto: Charles Sykes/Invision/AP/dpa

In meinem Umfeld bin ich die Einzige, ausgenommen meiner Familien, die noch nie eine Diät gemacht hat. Wenn mir Schülerinnen oder meine erwachsenen Freundinnen erzählen, wie sie über ihre Körper denken und was sie ihnen schon alles angetan haben, frage ich mich fast schon, ob mit mir etwas nicht stimmt. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass mein Körper der Norm entspricht. Der meiner Freundinnen aber auch, und sie quälen sich trotzdem.

Meine Eltern haben mein Aussehen nie thematisiert. Weder in Form von Komplimenten noch Kritik. Und auch über ihr Aussehen haben sie nie groß gesprochen. Das Einzige, was meine Mutter mir gesagt hat, ist: „Es ist gut, wenn du drei bis fünf Kilo über dem Normalgewicht liegst, damit dein Körper, falls du krank wirst und abnimmst, noch immer genug Kraft hat.“ Und so sehe ich meinen Körper bis heute, jemand der mir Kraft zum Leben gibt.

Schönheitsideale gab es immer schon, doch mit den sozialen Medien hat sich die Angelegenheit noch einmal gewandelt – vor allem seit dem es Instagram-Filter gibt. Chirurg_innen berichten, dass immer mehr jüngere Mädchen zu ihnen kommen und sich wünschen, wie auf ihren Fotos mit Filtern auszusehen. Momentan sind das vor allem dicke Lippen und Kardashian-Körper.

Während das früher mehrheitlich kritisch gesehen wurde, wird es nun teilweise auch mit feministischen Argumenten supportet. Nach dem Motto: Jede Frau hat das Recht, mit ihrem Körper zu machen, was sie will. Der „healthy Lifestyle“, der in sozialen Medien propagiert wird, gibt aber auch Essstörungen unter dem Vorwand gesunder Ernährung Rückendeckung. Und weiße Frauen mit normschönen Gesicht, die ihre minimalen Speckröllchen in die Kamera halten und „Steh zu deinem Körper“ posten, machen es auch nicht besser, sondern erzeugen eher den Gedanken: „Wenn die schon glaubt, sie wäre nicht perfekt, was bin dann ich, die kein symmetrisches Gesicht hat und Kleidergröße 36 trägt?“

Die Kombination soziale Medien plus Pandemie verschärft die Situation: Die Einsamkeit im Lockdown, das Gefühl, dass in der Krise nichts mehr unter Kontrolle zu sein scheint und man deshalb zumindest sein Gewicht kontrollieren will, gepaart mit noch mehr Zeit, die man auf Instagram und Co verbringt, wo man ununterbrochen scheinbar perfekte Menschen sieht. Tatsächlich melden Kinder- und Jugendpsychiatrien seit Corona mehr Patientinnen mit Magersucht.

Die niederländische Influencerin Negin Mirsalehi mit 6,3 Millionen Fol­lo­wer:­in­nen auf Instagram, postete vor einer Woche ein „Pre-Covid vs. Now“ – Video ihres Körpers: Beide Versionen ihres Körpers sind normschön und makellos. Trotzdem habe sie jetzt wieder mit Workouts begonnen, schreibt sie. Auch andere In­flu­en­ce­r:in­nen sprechen von „Lockdown-Kilos“, die sie weghaben wollen. Die Message: Im ersten Lockdown haben alle noch Bananenbrot gebacken – jetzt wird abgenommen.

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Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien

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