§ 218 gilt weiter: Die Debatte ist nicht beendet!
Es gab eine Chance, Abtreibungen zu legalisieren. Union und FDP haben das verhindert. Der Bundestag hinkt der Gesellschaft hinterher. Aber der Kampf geht weiter.
![Lichtprojektion "Abtreibung legalisieren" auf dem Brandenburger Tor Lichtprojektion "Abtreibung legalisieren" auf dem Brandenburger Tor](https://taz.de/picture/7525161/14/37652123-1.jpeg)
E s hätte ein historischer Moment werden können. Noch kurz vor der Wahl hätte der Bundestag Schluss machen können damit, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland eine Straftat sind. Aber Union und FDP haben eine Abstimmung blockiert. Im Plenum wäre eine Mehrheit möglich gewesen. Dafür hätte sich nur eine Handvoll Abgeordneter aus der FDP darauf besinnen müssen, was Liberalismus bedeutet. Im nächsten Bundestag werden die Mehrheiten höchstwahrscheinlich andere sein. Doch die Union sollte sich gefasst machen: Sie wird nicht darum herumkommen, sich mit Frauenrechten zu befassen.
Mehr als 150 Jahre ist der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch, der Abtreibungen kriminalisiert, nun alt. Und seit 30 Jahren gilt er in seiner heutigen Form: Abtreibungen sind rechtswidrig und unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Die Botschaft an Schwangere und Ärzt*innen lautet: Was ihr tut, ist unrecht und gesellschaftlich geächtet. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Union und FDP beschwören eine gesellschaftliche Polarisierung, wo keine ist. Das Gegenteil ist der Fall: 80 Prozent der Gesellschaft sind für legale Abbrüche. Selbst Unionswähler*innen oder Christ*innen sehen das so. Eine aktuelle Untersuchung bringt es gut auf den Punkt: „Gesellschaftliche ‚Mehrheiten‘, die sich gegen die Neuregelung aussprechen, bestehen lediglich innerhalb der Gruppe der über 60-jährigen Katholik*innen in Süddeutschland.“
Jahrzehntelang hat dieses Land sich mit einem völlig unzureichenden rechtlichen Konstrukt begnügt. Selbst feministische Politiker*innen haben sich lange nicht getraut, vehement das Ende von Paragraf 218 zu fordern. Zu groß war die Sorge, dass es am Ende eine Verschlechterung gibt statt eine Verbesserung.
Jetzt ist klar: Der Wille zur Veränderung ist da. Notwendig ist diese allemal, die Versorgungslage hierzulande ist schlecht. Anders als noch vor wenigen Jahren ist das jetzt wissenschaftlich belegt. Der Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen ist Teil der Menschenrechte von Frauen. Regelmäßig wird Deutschland von der UN für seine Rechtslage gerügt. Das grundsätzliche Abtreibungsverbot ist aus „völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive“ nicht haltbar – so die klare Aussage der Expert*innenkommission.
Es gibt einen Gesetzentwurf, der einen konkreten Vorschlag macht, wie es anders gehen könnte. Und nach Jahren der Stille gibt es jetzt eine laute Debatte, die nicht wieder verstummen wird. Das sind die Fakten, auch, wenn Union und FDP es gerne anders hätten. Das Ende des Gesetzentwurfs ist nicht das Ende der Debatte. Dafür werden Feminist*innen sorgen.
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