Café schmeißt Israeli und Partnerin raus: Lehrstück über linken Antisemitismus
Zwei Personen werden aus der linken Berliner Kneipe „K-Fetisch“ geworfen. Auf ihrem T-Shirt stand das Wort „Falafel“ – unter anderem in hebräischer Schrift.
F ast könnte man dem linken Café „K-Fetisch“ in Berlin-Neukölln dankbar sein. Nach einem Vorfall vom Ende letzter Woche äußerte sich das Team nun am Donnerstag in den sozialen Medien mit einer zweiseitigen Erklärung in englischer Sprache, die einzurahmen sich lohnen würde: als ein Lehrstück für alles, was faul ist in der Positionierung vieler Linker zum Nahost-Konflikt. Das Kollektiv beschreibt sich darin selbst als Opfer eines Shitstorms. Als Grund für den Rauswurf eines Paares schieben sie die eigenen verletzte Gefühle vor.
Dabei wäre es wichtig gewesen – auch für eine innerlinke Debatte – diesen Vorfall als das zu benennen, was er ist: ein antisemitischer Übergriff.
Am Freitag waren eine Besucherin und ihr israelischer Partner beschimpft und aus dem Café geworfen worden. Die Frau berichtete, dass eine Mitarbeiterin zuvor ihr T-Shirt bemerkt hatte, auf dem in arabischer, lateinischer und hebräischer Schrift das Wort „Falafel“ geschrieben stand. Laut Aussage der Frau habe die Café-Mitarbeiterin ihr dazu gesagt, sie „bediene keine Zionisten“, habe ihr vorgeworfen, „den Genozid zu unterstützen“, und soll gesagt haben, dass „Hebräisch die Sprache des Unterdrückers“ sei.
Das T-Shirt, das die Besucherin trug, ist von dem Label „Falafel Humanity Shirt“. Das sammelt Spenden für die israelische Frauenorganisation „Women Wage Peace“, die sich für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einsetzt.
Kollektiv-Versagen und kollektives Versagen
Statt nun als linkes Kollektiv innezuhalten und womöglich die eigenen Ressentiments zu reflektieren, reagiert das Team mit Ausreden. Nicht die hebräische Sprache sei der Grund für den Rauswurf gewesen, sondern die „kulturellen Implikationen“: Man sehe das T-Shirt als „anstößig“ („offensive“) an, weil es die Ganzheit der Kulturen der Region auf ein kulinarisches Symbol reduziere – zumal in Zeiten des Hungers in Gaza.
Dass das nicht mehr als eine verlogene Ausrede ist, sieht man beim ersten Blick auf das Social-Media-Profil: Erst im Mai warb das Café dort für ein kulinarisches Event zugunsten palästinensischer Trans-Personen mit dem kulinarischen Symbol einer Melone.
Für das Team des Cafés, aber auch für die linke Szene, zu der das Kollektiv zählt, hätte der Vorfall vom Freitag ein Anlass sein können, politische Leitplanken zum Nahost-Konflikt erneut zu diskutieren. Darüber etwa, dass es möglich sein muss, Solidarität mit dem Leid der Menschen in Gaza auszudrücken und die Kriegsführung Israels zu kritisieren, ohne alle Israelis, hebräisch-sprechenden Menschen und Jüdinnen und Juden auszugrenzen.
Darüber, wie falsch es ist, die Verbrechen der Hamas zu verklären oder gar gutzuheißen. Darüber, wie man es schaffen kann, hier auf Demos klare Grenzen zu ziehen. Darüber, dass unter autoritärer Hamas-Herrschaft am meisten die Bevölkerung in Gaza leidet und dass Hisbollah, Huthis und islamistisches Regime in Iran keine Verbündeten der Linken sein können.
Oder darüber, wie sich jenseits der Sicht auf Terror und Krieg in Nahost eine gesellschaftliche Linke hierzulande gegen den zunehmenden Antisemitismus stellen könnte. Dieser Antisemitismus kommt nicht nur von rechts, sondern auch von islamistischer Seite, aus der Mitte und auch von links.
In alledem hat die große Masse der gesellschaftlichen Linken seit dem 7. Oktober 2023 versagt. Das Statement des Café-Kollektivs zeigt das nun einmal mehr. Es gibt keine gemeinsamen roten Linien, keine Leitplanken, keinen „common ground“ oder „common sense“. Weder auf vermeintlich linken Demos, noch in linken Kneipen, noch in linken Medien.
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