Rechtsextreme Medien: Doch kein „Compact“-Verbot
Das Bundesverwaltungsgericht gibt der Klage des rechtsextremistischen Verlags statt. „Compact“-Inhalte seien überwiegend nicht verfassungswidrig.
Das Verbot der Compact Magazin Gmbh durch das Bundesinnenministerium war rechtswidrig. Das entschied an diesem Dienstag das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig und hob das Verbot auf. Die verfassungswidrigen Inhalte von Compact seien „nicht prägend“ für das Magazin.
Der Compact Verlag um Chefredakteur Jürgen Elsässer gibt das Monatsmagazin Compact mit einer verkauften Auflage von rund 40.000 Exemplaren heraus. Noch einflussreicher ist CompactTV, das auf Youtube täglich eine Schwerpunkt-Sendung produziert und inzwischen rund 516.000 Abonennt:innen hat.
Im Juli 2024 verbot die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Compact Magazin GmbH und angeschlossene Gesellschaften unter Berufung auf das Vereinsgesetz. Die Gesellschaften richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, so Faeser. Straftaten wurden Compact nicht vorgeworfen.
Compact konnte Bekanntheit steigern
Compact klagte gegen das Verbot beim BVerwG und erreichte mit einem Eilantrag, dass das Verbot bis zur Entscheidung über die Klage wieder ausgesetzt wurde. Compact konnte in den letzten Monaten also weiter arbeiten und konnte durch den Konflikt seine Bekanntheit stark steigern. Jetzt hat das erst- und letztinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht Faesers Verbot ausdrücklich als „rechtswidrig“ eingestuft, Rechtsmittel sind nicht mehr möglich.
Dies war kein Grundsatzurteil für die Pressefreiheit. Denn laut BVerwG können Medien durchaus nach dem Vereinsgesetz verboten werden. Das Vereinsgesetz schütze gegen die von Kollektiven ausgehenden Gefahren und sei „blind“ für den Zweck der jeweiligen Organisation. Allerdings müsse das Grundrecht in der Abwägung berücksichtigt werden, so das Gericht.
Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft begründete die Aufhebung des Compact-Verbots mit zwei Argumentationslinien. Zum einen sei Compact kein reines Medienunternehmen, sondern verfolge eine politische Agenda, organisiere Veranstaltungen und Kampagnen. Compact sehe sich „als Teil einer Bewegung, für die es auf eine Machtperspektive hinarbeitet“. Gemeint ist offensichtlich die AfD, auf die sich Compact mit seinen „Blaue Welle“-Veranstaltungen bezog.
Verbot sei nicht verhältnismäßig
Das Verbot sei aber auch nicht verhältnismäßig, so die zweite Argumentationslinie des Gerichts. Compact verbreite zwar Inhalte, die sich gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ richten, also gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat. Diese Inhalte aber könnten ein Compact-Verbot nur tragen, wenn sie für Compact „prägend“ wären. Schließlich garantiere das Grundgesetz auch den „Feinden der Freiheit“ die Meinungs- und Pressefreiheit, so Richter Kraft.
Als verbotsträchtig wertete das Gericht die Remigrations-Programmatik des identitären Rechtsextremisten Martin Sellner, dem Compact „seit Jahren ohne jegliche Distanzierung einen breiten Raum einräumt“. Dabei werden Deutsche mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse angesehen. Wenn sie sich nach Meinung Sellners nicht genügend „assimilieren“ sollen sie mit Druck zur „Remigration“ in ihre Herkunftsstaaten gedrängt werden. Diese Programmatik verstoße gegen das von Menschenwürde und Demokratieprinzip geschützte egalitäre Verständnis der deutschen Staatsangehörigkeit, so das BVerwG.
Diese verbotsträchtigen Inhalte seien aber nicht prägend für Compact, das auch viele andere Inhalte vertrete. Als nicht verbotsträchtig wertete das Gericht eine zugespitzte Kritik an der deutschen Migrations- und Einbürgerungspolitik, wozu Richter Kraft auch „migrationsfeindliche“ Äußerungen zählte. Als nicht verbotsträchtig sah das Gericht zudem die Kritik von Compact an den Corona-Maßnahmen, die Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine sowie die in Compact regelmäßig präsentierten „Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Betrachtungen“ an.
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