Darum geht’s beim Rentenpaket

Die Rente ist innenpolitisch gerade eine der wichtigsten Streitfragen – vor allem in der FDP. Was plant die Bundesregierung?

Der Mann hat recht. Um mehr Gerechtigkeit innerhalb der Generationen zu schaffen, müsste das Rentenpaket aber anderswo ansetzen Foto: Waechter/Caro/Fotofinder

Von Jasmin Kalarickal
und Cem-Odos Güler

Worum geht’s beim Streit über die Rente?

Am Montag berät der Arbeitsausschuss des Bundestags über das neue Rentengesetz. In der öffentlichen Anhörung dürfte es heiß hergehen, weil in der FDP eine Auseinandersetzung über das Thema tobt. Die Bundesregierung hatte nach einer Einigung zwischen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Ende Mai den Gesetzentwurf zum Rentenpaket II auf den Weg gebracht. Liberale kritisierten den Kompromiss schon damals: Der geplante Anstieg der Rentenbeiträge von derzeit 18,6 Prozent auf etwa 22,3 Prozent im Jahr 2035 würde Angestellte und Firmen, die sich diesen Beitrag teilen, zu stark belasten.

Dass die FDP meckert, kennt man doch …

Ja, aber eine kontroverse Auseinandersetzung über die Rente ist durchaus angebracht, denn es geht um sehr viel Geld. Fast 133 Milliarden Euro plant die Bundesregierung laut ihrem Haushaltsentwurf allein im Jahr 2025 als Zuschuss für die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter. Dieses Geld entspricht mehr als einem Viertel des gesamten Bundeshaushalts. Es fließt in den Rententopf, um die Bezüge der Se­nio­r*in­nen stabil zu halten.

Warum braucht es eine ­Rentenreform?

Die Rente wird über eine Umlage finanziert, die darauf aufbaut, dass arbeitende Menschen die Bezüge der Älteren finanzieren. Das funktioniert in einer alternden Gesellschaft nur bedingt, deshalb muss der Staat diese immensen Summen beisteuern. Derzeit kommen 37 Menschen im Ruhestand auf 100 Menschen im Erwerbsalter. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) geht davon aus, dass sich dieser sogenannte Altenquotient im Jahr 2040 auf 43,4 erhöht.

Was plant die Bundesregierung?

Kern des Rentenpakets II ist, das derzeitige Rentenniveau bis zum Jahr 2039 zu garantieren. Dafür sollen nicht nur die Beiträge steigen. Auf Wunsch der FDP soll der Staat jedes Jahr 12 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und in Aktien investieren. Die erhofften Erträge aus diesem „Generationenkapital“ sollen in die Rentenkasse fließen.

Kapitalmarkt klingt doch nach FDP. Was stört die Liberalen?

Die FDP feiert den Einstieg in die Aktienrente als politischen Meilenstein, auch wenn deren Effekt erst mal überschaubar bleiben wird. „Ein nennenswerter Kapitalaufbau und damit auch eine spürbare Entlastung ist bei diesem Zeitraum kaum zu erwarten“, heißt es sogar in einem Statement der DRV zum Generationenkapital. So sieht es auch die FDP-Fraktion um den parlamentarischen Geschäftsführer Johannes Vogel, der sich für die Aktienrente einen größeren Wurf wünscht und seinen Parteichef vor sich herzutreiben versucht. Lindner erklärte das Rentenpaket II letztens für „ausverhandelt“, hatte früher jedoch selbst mit der Verhandlungsmacht der FDP-Fraktion kokettiert. Im Gespräch mit der taz etwa hatte er zu der Rentengesetzgebung gesagt, dass kein Gesetz den Bundestag so verlasse, wie es eingebracht worden sei.

Was steckt hinter dem Streit in der FDP?

Möglich, dass Lindner und Vogel in Good-Cop-/Bad-Cop-Manier versuchen, das Rentenpaket ganz nach Gusto der FDP auszugestalten, also die geplanten Beitragssteigerungen zu mindern. Möglich ist aber auch, dass sich bei den Liberalen nun Widerstand gegen Lindner bildet.

Ist eine Lösung in Sicht?

Nach den miserablen Ergebnissen bei den Landtagswahlen könnte der FDP die Diskussion über die Rente zu heiß werden. Fraktionschef Christian Dürr sagte in einem Interview mit dem Handelsblatt, an dem Gesetz werde die Koalition nicht scheitern. Er sprach nur von „technischen Änderungen“, die fürs Rentenpaket nötig seien. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, kann die Aus­einandersetzung nicht nachvollziehen. „Die Alternative zum Rentenpaket II wäre, dass jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer höhere Beiträge zahlen und am Ende niedrigere Renten hätten. Das ist gerade nicht generationengerecht“, sagte er der taz.

Was hat das Rentenniveau mit Generationengerechtigkeit zu tun?

Das Rentenniveau beschreibt, wie sich die Bezüge im Vergleich zu den Löhnen entwickeln. Das derzeit geltende Recht besagt, dass das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fallen darf. Diese sogenannte Haltelinie soll mit dem Rentenpaket II bis zum Jahr 2039 festgeschrieben werden. Damit mehr Geld in die Rentenkasse kommt, soll der Beitragssatz steigen. Dieser liegt seit 2018 bei 18,6 Prozent. Ab 2028 soll es voraussichtlich einen Anstieg auf 20 Prozent geben, ab 2035 dann auf 22,3 Prozent. Das heißt, die Jungen müssten mehr in die Rentenkasse einzahlen.

Wie soll die Aktienrente helfen?

Für die FDP handelt es sich beim Generationenkapital, das von einer Stiftung verwaltet werden soll, um einen ersten Schritt zu einer verstärkten Kapitalmarktdeckung der Altersvorsorge. Den Plänen nach sollen ab 2036 jährlich 10 Milliarden Euro vom Generationenkapital in die Rente fließen. Die Regierung rechnet damit, dass sich der Rentenbeitrag so um das Jahr 2040 herum um 0,3 Prozentpunkte reduzieren lässt: von 22,6 Prozent auf 22,3 Prozent. Jedes Jahr sollen dafür mindestens 12 Milliarden Euro Kredit an der Schuldenbremse vorbei aufgenommen werden, bis im Jahr 2036 dann ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro steht.

Ließe sich mit dem Geld nicht anderswo mehr Gerechtigkeit finanzieren?

Doch, man könnte etwa kleine Renten stärker bezuschussen. Alters­armut ist ein reales Problem.

Was könnte man noch tun?

Die, die gut verdienen, könnten mehr ins Rentensystem einzahlen. Momentan liegt die Beitragsbemessungsgrenze bei etwa 7.500 Euro. Wer also 14.000 Euro im Monat verdient, zahlt denselben Beitrag wie ein Angestellter, der 7.500 Euro verdient.