piwik no script img

Umstrittener Agrarverband verliert KlageForscherin besiegt „Freie Bauern“

Janna Luisa Pieper darf den Verband Freie Bauern „rechtspopulistisch“ nennen, urteilt die zweite Instanz. Das sei eine zulässige Meinungsäußerung.

Sattelzug mit Schriftzug „Führerhaus“ bei einer Demonstration der Freien Bauern am 8. Januar in Berlin Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Die „Freien Bauern“ haben erneut ein Gerichtsverfahren gegen die Wissenschaftlerin Janna Luisa Pieper verloren, die den Agrarunternehmerverband als „rechtspopulistisch“ bezeichnet hatte. Das Oberlandesgericht Naumburg wies laut Beschluss vom 20. September die Berufung der Organisation gegen ein Urteil des Landgerichts Halle zurück, wonach Pieper die Äußerung nicht per einstweiliger Verfügung zu verbieten ist. Die zweite Instanz habe das einstimmig und ohne mündliche Verhandlung bestätigt, weil der Antrag „offensichtlich unbegründet“ war, sagte ein Justizsprecher: „Der Senat hat es als Meinungsäußerung angesehen, zu der die Verfügungsbeklagte aufgrund der allgemeinen Meinungsfreiheit berechtigt war.“

Als Tatsachengrundlage genügte laut Landgericht, dass die Freien Bauern „sich mit plakativ vorgetragener Kritik an Bauerndemonstrationen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung beteiligt“ hätten. Die Freien Bauern müssen jetzt laut Beschluss die Kosten des Berufungsverfahrens bezahlen. „Die Entscheidung des Senats ist unanfechtbar“, so der Sprecher.

Pieper hatte im Februar während der Bauernproteste, die auch zur Aufhebung wichtiger Umweltregeln für Agrarsubventionen führten, in einem NDR-Interview von „rechtspopulistischen Vereinigungen innerhalb der Landwirtschaft“ gesprochen und gesagt: „Dazu zählen natürlich auch LSV [Landwirtschaft verbindet Deutschland] und die Freien Bauern.“ Daraufhin brach besonders in den sozialen Medien ein Shitstorm über Pieper herein. Der Kölner Anwalt Stephan Stiletto flankierte diesen mit gleich drei Unterlassungsbegehren, in denen er Pieper aufforderte, auf die Aussagen zu verzichten. Da sie das ablehnte, beantragte er, dass Gerichte der Wissenschaftlerin die Äußerungen durch Einstweilige Verfügungen verbieten sollten. Falls sie sich nicht daran halte, solle ihr ein Ordnungsgeld von „bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft“ angedroht werden.

Kläger waren außer den Freien Bauern der Influencer Anthony Lee – damals noch LSV-Bundespressesprecher – und ein LSV-Landesverband. Doch sie unterlagen vor mittlerweile fünf Gerichten. Berufungen sind nicht mehr möglich. Zwar könnten die Kläger jetzt „Hauptsacheverfahren“ anstrengen, in denen sich Gerichte dann noch ausführlicher mit den Klagen befassen müssten. Aber die hätten wohl kaum Erfolgschancen, nachdem nun schon mehrere Kammern in drei Bundesländern im Sinne von Pieper geurteilt haben.

„Kartell aus Pseudowissenschaft und Medien“

Die Freien Bauern argumentierten in Halle, ihr Programm beschäftigte sich nur mit der Agrarpolitik, aber nicht mit rechtspopulistischen Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder angeblich korrupten Eliten. Die Organisation räumte allerdings ein, dass sie den Dialog mit Parteien und Gruppierungen „im gesamten politischen Spektrum“ suche, „um Schnittmengen zu finden“. Aber „ein Näheverhältnis“ zu Parteien meide man „gezielt“. Bei einer Demonstration in Berlin hätten sich die Freien Bauern „zur politischen Neutralität“ bekannt.

Pieper verteidigte sich damit, dass gerade agrarpolitische Themen „rechtspopulistisch bearbeitet und kommuniziert werden“ könnten. So hätten die Freien Bauern in einer Pressemitteilung erklärt, in „der gegenwärtigen Agrarpolitik würden sich fast ausschließlich die weltfremden Ideologien einer selbstgerechten liberalen Oberschicht widerspiegeln“. In einer anderen Pressemitteilung sei von „Brüsseler Bürokraten“ die Rede, die „als grüne Ideologen“ einen „Vormachtsanspruch“ und das Ziel einer „schleichende[n] Enteignung“ verfolgen würden. Bei einer Demonstration in Brüssel habe ein Bundesvertretungsmitglied der Freien Bauern gesagt, es gebe „ein gigantisches Kartell aus Pseudowissenschaft und Medien, die den Menschen einreden, sie würden die Welt retten, wenn sie anstatt Milch, Fleisch und Eiern oder Fisch ein industrielles Designerfood fressen würden“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Wenn Rechte, Nazis, Faschos und sonstige verirrter sich selbst nicht erkennen und gar nicht verstehen, dass sie Rechtsextreme sind. Das trifft man leider nicht nur bei diesen Bauern an. Das ist sehr verbreitet bei vermeindlichen normalos.

  • Das erst der Rechtsstaat denen erklären muss. Dass sie „recht(s)populistisch“ sind, ist schon erstaunlich. Lesen die nicht ihre eigenen Aussagen?

  • Prima, geht doch! .. Dieser BV hat sich m.E. dem Vorwurf entsprechend geäußert und daraus wurde der richtige Schluss gezogen.

  • Mängel im Rechtssystem zu Lasten Unschuldiger !

    Wenn man eine Reise tut und die war nicht so pralle hat man oft einen Erstattungsanspruch wegen entgangener Urlaubsfreuden gegen den Reiseveranstalter.

    Wenn man mit Klagen überzogen wird, beeinträchtigt dass auch bei hartgestottenen Zeitgenossen die Lebensqualität.

    Und dafür müsste unser Rechtssystem auch eine Kompensation vorsehen.



    Und die nicht zu kanpp.



    Das würde auch die Gerichte entlasten.



    Denn dann würde diese Art der Klagen (Slap-Klagen) sehr schnell viel weniger werden.

  • "Die Freien Bauern müssen jetzt laut Beschluss die Kosten des Berufungsverfahrens bezahlen. „Die Entscheidung des Senats ist unanfechtbar“, so der Sprecher."



    Am besten mit den eigenen Mitteln schlagen, denn die systematisch implementierte Idee der Rechten ist es, missliebige Äußerungen zu unterbinden, indem empfindliche finanzielle Sanktionen als weißer Elefant in den Raum gestellt werden. Einzelne anderweitig Betroffene konnten als Prominente offenbar das Schlimmste durch Fundraising verhindern, wie Petra Reski, Journalistin und Schriftstellerin.



    /



    Zu den ❗SLAPPs



    umweltinstitut.org...uechterungsklagen/



    Dort steht:



    "Immer öfter werden Gesetze und Gerichte missbraucht, um diejenigen anzugreifen, die im öffentlichen Interesse auf Missstände aufmerksam machen. Mit SLAPP-Klagen versuchen Unternehmen, Regierungen und mächtige Einzelpersonen, unbequeme Kritik zu unterdrücken."



    Für Verbände und Parteien analog: idem

  • Wer Wind sät.... und rechte Propaganda betreibt muß damit rechnen als "Rechtspopulistisch" bezeichnet zu werden.

    • @Tom Lehner:

      Ulrich Wickert schrieb 2016 ein Buch mit dem Titel "Gauner muss man Gauner nennen". Und genau das wollen die radikalen Rechten vermeiden, denn sie möchten als "normal" und als "neue Mitte" angesehen werden. Eben die Diskursverschiebung nach rechts. Und die wissen, was das Label "rechtspopulistisch" bedeutet. Es zu leugnen ist Betrug, wobei wir wieder bei Wickert wären ...

  • Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Gerichte Meinungsfreiheit stärken. Ganz unabhängig von diesem Verband bedeuten solche Urteile ja nicht, das die Meinenden sachlich richtig liegen, sondern erst mal nur, das sie sich so äußern durften. Und das ist wichtig und richtig.

    • @Matthias:

      Überall wo Rechtspopulisten regieren, werden als erstes die freie Presse und die Gerichte gleichgeschaltet, ergo Ende der Meinungsfreiheit. Darum endet deren Meinungsfreiheit auch bei Angriffen auf das demokratische System, Diese Leute sind grundsätzlich von der Regierung auszuschließen.

  • Immer wieder lustig, wenn sehr meinungsstarke Vereinigungen selber stets die Meinungsfreiheit nutzen aber dann Gerichte beschäftigen, wenn es Gegenwind von andere Meinungen gibt.

    Bleibt halt zu hause und der Öffentlichkeit fern, wenn Ihre das nicht abkönnt.

    • @0ctan:

      Es ist aktuell die große Mode am rechten Rand, gegen andere Meinungen vorzugehen. Die ganze "cancel-Culture"-Kampagne der Rechten versucht nichts anderes, als missliebige Reaktionen auf rechte Äußerungen zu diskreditieren.



      Immer nach dem Motto "Ich sage, was ich will, und Du darfst das nicht Sch***** finden".



      Für Rechtspopulisten meint Meinungsfreiheit immer nur die Freiheit der eigenen Meinung.

    • @0ctan:

      Genau das ist doch auch die Masche der AfD. Wichtig für die ist, den Gegner mundtot zu machen, also genau das Gegenteil von Meinungsfreiheit. Dazu werden, wie im Artikel ebenfalls erwähnt, auch persönlich Angriffe genutzt, wo das rechte Rudel über Einzelpersonen herfällt ...

  • Ich mag differenzierte Sprache mehr als "immer", "nie", "alle", "keine", "schlimmste", ...



    allerdings hätte ich die Auffassungen, Aussagen und Aktionen der Freien Bauern auch kaum anders bezeichnet.



    Denen geht es kaum um die Bauern selbst, sondern vor allem, so mein Eindruck, um ihr eigenes Süppchen, sehr heiß gekocht und arg rechts dabei.



    Tipp: die Grünen erst verstehen und lesen, bevor man solche Töne spuckt.

  • Herr Maurin, die Einstufung 'rechtspopulistisch' wird der eine oder andere - gerade im Osten des Landes - eher als Ritterschlag sehen, denn als Malus. Wie uns die jüngsten Landtagswahlergebnisse zeigen, hat die Bezeichnung 'rechts' in weiten Teilen der Bevölkerung de facto ihren Schrecken verloren.

    • @Nikolai Nikitin:

      Der Begriff ist auch überholt. Präziser wäre radikal autoritärer Nationalismus, national-autoritärer Radikalismus, ...



      (Scobel: Lohnt lesen von Texten, deren Autoren längst tot sind? Z.B. Adorno.



      www.youtube.com/watch?v=hFOgVDuO7_M

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Warum sind die dagegen vorgegangen? Nach allem, was man aktuell mitbekommt, ist rechtspopulistisch zwar bäh, aber recht erfolgreich. Eine Welle, auf der alle schwimmen.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Die sind dagegen vorgegangen, weil es mediale Aufmarksamkeit bringt.



      Wird die Eingabe oder Klage abgewiesen, können Sie sich als Opfer gerieren. Sollten sie gar gewinnen, haben sie eine Gegnerin nicht nur finanziell demontiert.

  • 250K Euro. Die haben aber hoch gezielt. Riecht nach SLAPP.

    • @tomás zerolo:

      Es erscheint mir zwar auch als SLAPP, weil die Äußerung offensichtlich von der Meinungsfreiheit gedeckt war. Aber der Antrag an das Gericht, ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR anzudrohen, ist bei Unterlassungsklagen nichts Ungewöhnliches, weil diese Obergrenze des Ordnungsgeldes im Gesetz steht. Wortlaut von § 890 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung:



      "(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.



      (2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird."