Wahlkampf der AfD Brandenburg: Brandenburgische Stichwerkzeuge
Die extrem rechte AfD Brandenburg tritt für ein Parlament an, das sie von innen bekämpfen will. An Infoständen verteilte eine Kandidatin sogar Waffen.
Berndt forderte die Streichung öffentlicher Förderung des Landesjugendrings und drohte damit, das Toleranznetzwerk sowie den Verein Opferperspektive im Falle eines Wahlsiegs abzuschaffen. Letzterer kümmert sich um Opfer rechter Gewalt. Der Verein hat im Zuge des Rechtsrucks einen massiven Anstieg rechter Gewalttaten in Brandenburg verzeichnet – für 2023 insgesamt 242 rechte Angriffe, ein Anstieg um 75 Prozent.
Dass die AfD nun zahlreiche Opfer rechter Gewalt alleine lassen will, überrascht nicht – sie ruft gar indirekt selbst zu Gewalt auf: So verteilte die Landtagsabgeordnete und Direktkandidatin im Wahlkreis Barnim III, Lena Kotré, an ihren Wahlkampfständen sogar Kubotans. Das ist ein Hieb- und Stichwerkzeug, das in vielen Ländern unter das Waffengesetz fällt oder sogar verboten ist – in Deutschland allerdings nicht.
Die 38-jährige AfD-Politikerin verteilt diese spitzen Faustkeile aus Metall mit dem Aufdruck „Seid Wehrhaft!“. Kotré war es auch, die nach dem islamistischen Anschlag von Solingen ein generelles und Grundrechten widersprechendes „Betretungsverbot“ für Geflüchtete „auf öffentlichen Veranstaltungen“ forderte. Sie sagte: „Wenn es tatsächlich auch Unschuldige trifft, ist das leider so – ein Kollateralschaden.“ Ebenso fordert Kotré eine privat finanzierte Abschiebeindustrie.
Gaulands schützende Hand
Den islamistischen Anschlag in Solingen instrumentalisierte die AfD schamlos und ohne Rücksicht auf Betroffene. Sie schürt aber auch darüber hinaus mit rassistischen Narrativen Angst vor Geflüchteten, teils auch in KI-generierten Wahlkampfspots. Bei Wahlkampfauftritten hetzten AfD-Politiker*innen auf Marktplätzen bei sogenannten Sommerfesten und Bürgerdialogen, die Eventcharakter haben sollten, aber häufig auch von Gegenprotesten begleitet waren. In den Umfragen steht die AfD dennoch seit Monaten auf Platz 1 in Brandenburg – mittlerweile dicht gefolgt von der SPD.
Für Resonanz sorgt die Partei dabei nicht nur über die bewährte Präsenz auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok, Youtube, Telegram und X, sondern kann auch auf langfristig gewachsene rechtsextreme Strukturen aufsatteln und lokal vernetzte Neonazigruppen und Corona-Protestierende als Multiplikatoren nutzen.
Der Brandenburger AfD-Landesverband ist seit seiner Gründung von rechtsextremen Akteur*innen bestimmt: Unter der schützenden Hand des heutigen AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland hatte der völkisch-nationalistische Flügel mit dem auch im Neonazimilieu verankerten Andreas Kalbitz stets die Oberhand und hat dabei auch maßgeblich zur Radikalisierung der Bundespartei beigetragen.
Nachdem Kalbitz’ Mitgliedschaft wegen seiner Verbindungen zur verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend annulliert wurde, gab es hinter den Kulissen einen lang anhaltenden Grabenkampf zwischen zwei extrem rechten Fraktionen, den letztlich das Lager um den Spitzenkandidaten Hans-Christoph Berndt für sich entschied.
Rechtsextremer Wahlkampf unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Inhaltlich ist das Lager um Berndt nicht weniger radikal. Ihr Auftreten ist allerdings weniger breitbeinig und auf professionellere Außenwirkung bedacht. Kalbitz hingegen war berüchtigt für Wutausbrüche und Alkoholexzesse. Er schlug den heutigen Bundesvorstand Dennis Hohloch einmal derart in die Magengegend, dass dieser mit einem Milzriss ins Krankenhaus musste.
Mittlerweile sind die Reihen nach außen geschlossen: Der Landesvorsitzende ist der Bundestagsabgeordnete René Springer, der frühere Büroleiter von Alexander Gauland. Der lässt keine Gelegenheit verstreichen, um gegen ausländische Sozialhilfeempfänger und Ukraineflüchtlinge zu hetzen. In seinem Bundestagsbüro beschäftigt er einen ehemaligen Identitären. Dass die Organisation auf der Unvereinbarkeitsliste steht, stört in der AfD 2024 kaum noch jemanden, in Brandenburg schon gar nicht.
Konsequenterweise begann Spitzenkandidat Berndt seinen Wahlkampf unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen mit zahlreichen Rechtsextremisten beim formal aufgelösten Institut für Staatspolitik des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek. Das ist ein weiterer rechtsextremer Thinktank im AfD-Umfeld, der rechte Ideologie und Umsturzanleitungen publiziert – unter anderem des österreichischen Identitären Martin Sellner.
Berndt warb dort nicht nur dafür, dass Brandenburg das unfreundlichste Land für Migrant*innen werden wolle, sondern sprach sich auch dafür aus, das System von innen zu bekämpfen: „Wir brauchen die Partei eben auch als Instrument, um den Parteienstaat klein zu schneiden“, forderte Berndt. Er ist nicht der Erste aus der AfD Brandenburg, der die Abschaffung des Parteienstaats fordert.
„Neonationalsozialistisch beeinflusst“
Der ehemalige Labormediziner trat erst 2018 in die AfD ein, nachdem sie bereits rechtsextrem dominiert war. Mit seinem flüchtlingsfeindlichen Verein Zukunft Heimat hatte er rassistische Demonstrationen in Cottbus und Umgebung durchgeführt, ebenso war er mehrfach bei Pegida aufgetreten. Berndt ist auch gut in der neonazistischen Szene vernetzt. Er zählt sich selbst zur völkischen Strömung der Partei und sitzt für die AfD seit 2019 im Landtag. Als Oppositionsführer empfahl er gegen Covid ein Entwurmungsmittel für Pferde.
Ansonsten versprach die AfD wie gewohnt viel Uneinlösbares: Wie auch zuletzt in Sachsen und Thüringen wolle man von Brandenburg aus „Initiativen veranlassen“, um Frieden zwischen Russland und der Ukraine einzuleiten und alle Sanktionen gegen Russland fallen zu lassen. Sonnen- und Windenergie will die AfD abschaffen. Koalitionspartner für ihr „Programm“ hat die AfD keine: Alle anderen Parteien schließen eine Kooperation mit ihr aus.
Und es verwundert nicht, dass der Verfassungsschutz Hans-Christoph Berndt als rechtsextremistisch einstuft. Er hält seinen Verein für „neonationalsozialistisch beeinflusst“, auch weil Berndt mit dem ehemaligen Neonazi Marcel Forstmeier eng zusammenarbeitet. Entsprechend überrascht es nicht, dass Berndt die „Remigrations“-Pläne von Martin Sellner verteidigte – ebenso wie der Landesvorsitzende René Springer: Millionenfache Abschiebungen seien „kein Geheimplan, sondern ein Versprechen“.
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