Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
@JIM HAWKINS
anschliesse mich. Und danke, Andreas Speit, für den Artikel.
Correctamundo.
Das Verbot dieses Hetzblattes ist richtig und wichtig.
Ich weiß jetzt nicht, ob Umberto Eco oder Karl Popper der erste war, der über dieses Paradoxon schrieb. Bei Popper heißt es das Paradox der Toleranz.
Es bedeutet, dass uneingeschränkte Toleranz gegenüber Intoleranz wehrlos sei und zum Verschwinden der Toleranz führen werde.
Goebbels wusste das, er lachte über die Dummheit der Demokraten, die es den Nazis ermöglichte, an die Macht zu gelangen:
"„Wir treten in den Reichstag ein, um uns mit demokratischen Waffen zu rüsten. Wenn Demokratie dumm genug ist, uns kostenlose Bahnpässe und Gehälter zu geben, dann ist das ihr Problem … Wir kommen weder als Freunde noch als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf die Schafe angreift, so kommen wir.“
Und deshalb, alles, was den Nazis schadet, ist gut und muss unterstützt werden.
Diese fast schon lächerliche Abwägen von Pro und Contra eines Verbotes dieses Naziblattes zeigt die Schwäche der liberalen Gesellschaft.
Gegen Nazis muss mit größtmöglicher Härte und Geschlossenheit vorgegangen werden.
Und es müssten möglichst breite Bündnisse geschlossen werden, von der Antifa bis zur CDU.
@Jim Hawkins Eher wird Barack Obama nochmals Präsident der Vereinigten Staaten. Einfach einmal einen Blick auf die CDU im Osten werfen. Was die da so treiben ist teilweise nicht weit weg von AfD Positionen. Und bis die träge Masse in der Mitte der Gesellschaft sich bequemt aktiv zu werden, dürfte es schon zu spät sein. Da setze ich eher auf "Omas gegen Rechts"!
@Sam Spade Die Omas allein werden es nicht richten können.
Die Lage ist ausgesprochen ernst. Da wird ein "mit denen nicht" eher hinderlich als förderlich sein.
Nazis in Deutschland stehen kurz davor reale Macht zu bekommen.
Da sollten alle, die keine Nazis sind zusammen stehen.
Auf die Linke ist kein Verlass, die hat eher Israel und Identitätspolitik im Visier, auch um Preis ihres Untergangs weigert sie sich, die Realität zur Kenntnis zu nehmen.
@Jim Hawkins Juristisch, und darauf wird es ankommen, ist die Vorgehensweise mehr als umstritten. Ökonomisch ist Elsässer erledigt oder zumindest sehr geschwächt, da sich eine mögliche juristische Auseinandersetzung über Jahre hinziehen wird. Politisch ist das Verbot heikel. Sollte das Verbot Bestand haben, dürfte es auch zur Blaupause für ein mögliches Vorgehen gegen z.B. linke Kräfte werden, unabhängig von der Zusammensetzung der Regierung. Sollte das Verbot gekippt werden, was ich befürchte, wird eine Stärkung und Festigung der rechten Kräfte die Folge sein, wie ich es mir heute nicht auszudenken wage.
@Hans Hermann Kindervater Welche linken Kräfte, die eine Opposition im Sinne einer Systemüberwindung verfolgen, käme ihnen da in den Sinn?
Mir fällt keine ein.
T. C. Boyle gilt als einer der wichtigsten Autoren der USA. Ein Gespräch über Faschismus, die Arbeiterklasse und Hoffnung wider alle Hoffnung.
Verbot vom „Compact“-Magazin: Gegen ein ganzes Netzwerk
Wer sich nach dem Verbot um Pressefreiheit sorgt, unterschätzt die Gefahr des rechtsextremen Magazins. Sein Ende kann nur der Anfang sein.
Jürgen Elsässer bei einer „Friedensdemonstration“ im Februar 2015 Foto: Stefan Boness
Auf der Werbung zum „Tag des Vorfeldes“ ist ein Who is Who der rechtsextremen Mediennetzwerke von Magazinen bis zu Radiosendern angekündigt. Bei der Veranstaltung der AfD Schleswig-Holstein am Samstag dürfte jedoch eines der angekündigten Medien fehlen. Ausgeladen wurde Compact zwar nicht, doch am 16. Juni verbot das Bundesministerium des Inneren (BMI) das rechtsextreme Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer auf Grundlage des Vereinsrechts. Ein Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit?
Nein, vielmehr ein konsequentes Vorgehen gegen einen Networker, der in all seinen Auftritten und Schreiben ein Ziel verfolgt: „Wir wollen einfach das Regime stützen.“
Allein die angekündigte Teilnahme des Magazins an dem AfD-Event bestätigt deren strategische Intention. Compact wollte an dem Tag mit weiteren Szenepublizist*innen wie Benedikt Kaiser und Szenemedien wie „Trigger FM“ für die AfD das Sag- und Wählbare weiter verschieben. Seit Jahrzehnten bemühen sich Akteure des Rechtsextremismus mit Diskursen und Debatten, die Denk- und Verhaltensweise der Mitte der Gesellschaft zu beeinflussen. Um die bestehenden Verhältnisse zu delegitimieren – und letztlich zu eliminieren.
Die Erfolge der Szene spiegeln sich nicht nur in der Mandatsgewinnung im politischen Raum wider. Es wird auch ein verkürzter Antonio Gramsci kolportiert. In „Kulturkampf von rechts“ empfahl Alain de Benoist, ein französischer Vordenker der Neuen Rechten, 1985 die Strategie des italienischen Marxisten mit einem Bonmot: „Die alte Rechte ist tot. Sie hat es wohl verdient.“ Diesen Gramscismus von rechts forcierte Elsässer schon lange mit seinem Magazin – inklusive Compact TV, einem Shop und Sommerfesten.
Vom Linken zur Front gegen Humanität
Elsässer wurde als linker Publizist bekannt, doch nachdem er den Linken vorwarf, mit Wokeness und Gutmenschentum die „einfachen Leute“ zu verraten, wandte er sich zur Front gegen Humanität. Diese frühe Kritik formulierte später Sahra Wagenknecht ganz ähnlich. Kein Wunder also, dass die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht auf dem Cover der Compact schon als „Die beste Kanzlerin“ gefeiert wurde. Ein ehemaliger Mitstreiter aus dem Kommunistischen Bund (KB) pointierte früh, dass Elsässer das revolutionäre Subjekt „Proletariat“ gehen „Volk“ austauschte. Seitdem hat der Chefredakteur sich mehr und mehr einem ethnischen Volksverständnis zugewandt.
Das ist eine der Positionen, die das BMI in ihrer fast 80-seitigen Begründung für das Verbot anführt. Dieses Verständnis Elsässers führte zu einem radikalen Hass gegen alle nicht „Bio-Deutschen“ und „Links-Versifften“. Eine weitere Begründung des BMI: Die ständig verbreiteten Verschwörungserzählungen, in denen immer wieder auch von „den Juden“ geraunt wurde.
Die stabile Auflagenhöhe, die starke Internetpräsens und die gut besuchten Veranstaltungen brachten dem Magazin politischen Einfluss und ökonomische Gewinne. Das Magazin wurde zur Radikalisierungsmaschine für viele. Compact gelang es, sich AfD-strömungs- aber auch als spektrumsübergreifend zu etablieren. Es war nie das AfD-Magazin und war es doch. Den radikalen Kurs von Björn Höcke trieb es voran.
Mit Götz Kubitschek gründete Elsässer den Verein „Ein Prozent“, der rechtsextreme Projekte wie die Identitäre Bewegung unterstützt. Deren Posterboy, Martin Sellner, gehörte zu den Stammautoren des Magazins. In einen Video erklärte er: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache.“ Und der Ex-Compact-Redakteur und nun AfD-Bundestagsmitarbeiter Mario Müller ergänzte: „Wir wollen keinen Stehplatz im Salon, sondern ein Ende der Party.“
Nur ein erster Schritt
So reden und schreiben Feinde der Demokratie, die jetzt die fehlenden Meinungsfreiheit beklagen. Elsässer und Co wollen kein offenes Gespräch, sie wollen ein geschlossene Gemeinschaft, ein Ende der parlamentarischen Demokratie und der liberalen Gesellschaft. Wen jetzt also allein die Sorge der Pressfreiheit umtreibt, der könnte die Gefahr des Netzwerks Compact, ihre Strategie und ihre Macht verkennen.
Umberto Eco hat das Paradoxon zum intellektuellen Rechtsextremismus früh formuliert: „Um tolerant zu sein, muss man die Grenzen dessen, was nicht tolerierbar ist, festlegen.“ Das Verbot war also geboten. Die Ultima-Ratio-Maßnahme war die späte Reaktion gegen einen zentralen Player des Rechtsextremismus. Doch das Ende von Compact kann nur ein erster Schritt sein, weitere Grenzziehungen sollten folgen.
Das befreundete Netzwerk um Kubitscheks scheint sich auf jeden Fall schon vorzubereiten, eine organisatorische Umstrukturierung erfolgte bereits. Denn die Verbotsbegründung von Compact dürfte sich Kubitschek als Verleger vom Antaois-Verlag ganz genau durchlesen. Schließlich ließe sich diese auch auf andere übertragen. Zeit sich weitere Publikationsnetzwerke genauer anzuschauen. Schließlich folgen den rechtsextremen Worten schon viel zu lange Taten.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Jürgen Elsässer
Kommentar von
Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Themen