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Anwerbung von AuslandsfachkräftenUngleich, aber nicht ungerecht

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte alleine werden den Mangel nicht lösen. Aber alles ist besser als nichts in der Krise.

Ausländische Fachkräfte sollen mit Steuererleichterungen ins Land gelockt werden Foto: Sven Hoppe/dpa

S teuererleichterungen nur für Ausländer, das ist eine Steilvorlage. Unions-Politiker*innen, BSW und selbst Teile der SPD prügeln auf die Pläne der Ampelspitze ein, nach denen eingewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren in Deutschland auf 30, 20 und 10 Prozent ihres Bruttoeinkommens keine Abgaben leisten müssen. Arbeit müsse gleichviel wert sein. Und überhaupt: Wie ungerecht, das alles!

Dabei zahlt auch jetzt schon nicht je­de*r den gleichen Steuersatz. Wer mehr verdient, muss einen höheren Anteil des Einkommens abgeben und Singles zahlen mehr als Verheiratete. Steuern sind eben auch ein politisches Steuerungsinstrument. Und dass Deutschland bei der Anwerbung von Fachkräften dringend umsteuern muss, ist offensichtlich. 2030 könnte es nach Prognosen bis zu 5 Millionen Stellen geben, die unbesetzt bleiben müssen, einfach, weil es keine geeigneten Be­wer­be­r*in­nen gibt. Das wird die deutsche Wirtschaft ausbremsen – und die schwächelt ja jetzt schon.

Klar: Der temporäre Steuerrabatt wird den Fachkräftemangel nicht allein lösen. Und mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz hat die Ampel voriges Jahr schon einen wichtigen Schritt getan. Nötig sind nun vor allem weitere Beschleunigungen und mehr Personal bei der Visavergabe. Doch auch wenn die Steuererleichterungen nur einen kleinen Beitrag leisten, ist das besser als nichts. Die deutschen Unternehmen müssen dringend wieder in Schwung kommen und auch langfristig wachsen. Von Wirtschaftskrisen profitiert niemand, außer die extreme Rechte.

Dazu kommt: Studien zeigen, dass Ein­wan­de­re­r*­in­nen im Schnitt in den ersten Jahren weniger Geld verdienen als Personen, die schon länger hier sind. Und wer als Fachkraft einwandert, ist fertig ausgebildet, geht nicht mehr zur Schule oder in die Uni und profitiert damit nicht mehr vom steuerfinanzierten Bildungssystem. Solche Personen kommen also in einer Phase ihres Lebens, in der sie den Staat nicht mehr viel kosten, aber viele Steuern zahlen. Ungleichbehandlung bedeutet hier also nicht automatisch Ungerechtigkeit.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
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25 Kommentare

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  • Fachkräftezuwanderungsgesetz? Hat Deutschland keine Fachkräfte mehr? Wenn das stimmt, dann muss man wohl mal etwas in der Bildungspolitik ändern. Deutsche Schulen, Hochschulen und Universitäten sollten dann mal auf den Prüfstand gestellt werden, und natürlich auch gleich noch die deutschen Firmen, die ja gerne "günstige" Fachkräfte aus dem Ausland nehmen, aber selbst nicht ausbilden wollen.

  • Wieso macht man eigentlich nie was für Hoteliers?



    Oder für Erben? Auch die Besserverdiener die unser Land stark machen sollten dafür einen Benefit bekommen.



    Vielleicht mit einem Sondervermögen?

  • Den Steuersatz anhand der Herkunft der Menschen zu ermitteln könnte durchaus gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

    Davon abgesehen werden sich deswegen kaum Fachkräfte nach D verirren - in den meisten anderen Ländern sind solche (für uns) niedrigen Steuersätze normal

  • Die Steuerreduktion ist nicht der eigentliche Skandal sondern der Fakt, dass wir eines der reichsten Länder der Erde anderen, oft wesentlich weniger wohlhabenden Ländern fertig ausgebildete Fachkräfte abwerben anstatt die Abschlüsse der schon nach Deutschland geflüchteten Menschen anzuerkenen bzw. diese zu qualifizieren. Aber dann müssten wir ja investieren anstat zu schmarotzen!

    • @Ressourci:

      Sie meinen, es ist weniger schmarotzend, wenn der Facharbeiter hier erst noch eine Qualifikation nachholen muss?

      Das müssten Sie erklären.

      Ich sehe da aus der Perspektive des Herkunftslandes keinen Unterschied.

      Ob der afrikanische Mediziner nun im Schlauchboot übers Mittelmeer kommt oder im Flugzeug.

      Wo sehen Sie den Unterschied für sein Herkunftsland?

  • Wie wäre es mal generell alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen, einen Haufen Verwaltungsstellen zu automatisieren und das eingesparte Geld durch Steuersenkungen den Menschen zurückzugeben. Dann hat man niedrigere Steuern, bessere Ausgabentransparenz und eine moderne Verwaltung das macht das Land gleich attraktiver. Und die nicht mehr benötigten Verwalter stehen dann als Arbeitskräfte der Wirtschaft zur Verfügung.

  • Ich kenne die Regelung nicht im Detail, denke aber, wenn diese Arbeitnehmer Anspruch auf Kindergeld, Wohngeld, später ggf. Bürgergeld, Grundrente oder andere Transferleistungen haben, ist es nicht so ganz fair, dass sie in der Zeit, in der sie leistungsstark sind, einen geringeren Anteil Steuern bezahlen müssen, als die einheimischen Bürger.

    Grundsätzlich bin ich aber nicht dagegen. Es kann ja mal versucht werden, wenn dem keine juristischen Bedenken entgegenstehen.

  • Die wichtigste Frage wurde nicht gestellt: Warum kommen die meisten Fachkräfte nicht zu uns? Am Geld liegt es eher nicht.



    Deutsche Sprache, schwere Sprache wäre ein Problem, teilweise offener Fremdenhass auf den Straßen ein weiteres. Ich finde die "Idee" des Steuerprivilegs falsch, lasst euch was besseres einfallen.

  • Die Frage ist wohl mit welchem Ziel das geschehen soll.

    Es gab mal ne Studie vom SVR die zeigte, das gerade man 40% 1 Jahr nach dem Studium in Arbeit waren. 1/3 war immer noch auf Arbeitssuche. Der Rest ist ins Ausland; entweder an der Jobsuche resigniert oder im Vorfeld beabsichtigt.

    Steuererleichterungen lösen diese Probleme nicht. Da wäre es besser unbezahlte Praktika endlich zu verbieten und den Mindestlohn für den Erwerb eines Visums auf den regionalen Standard für den jeweiligen Beruf anzupassen. Ausländische MINT Studenten bekommen häufig nur unvergütete Praktika, während hiesige mit 1000+ entlohnt werden. Neben den schlechteren Response-Raten auf Bewerbungen und damit geringeren Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt ist das offerierte Gehalt in der Regel ebenso niedriger. Häufig verdächtig nahe der 41k Marke, dem minimum für die blaue Karte.

    Steuererleichterungen generieren m.E. nur einen akademischen Niedriglohnsektor. Da fände ich es fast sinniger ein Grundeinkommen für Erntehelfer einzuführen.

  • Das ist wieder eine so hilflose Idee - einfach irgendwas mit Geld bewerfen, weil zu mehr Kraft und Können fehlen.

    Ergebnis wird mit dem vergleichbar sein, was Christian Lindner im Hörsaal in Ghana bekommen hat, auf die Frage hin, wer sich ein Arbeitsleben in Deutschland wünschen würde...

  • Wenn die Leute mit Steuer- und Abgabenerleichterungen gelockt werden sollen, zeigt das eher, dass Steuern und Abgaben grundsätzlich gesenkt werden müssen.

    • @Luftfahrer:

      Ja, dann müssen aber auch die staatlichen Leistungen runter. Weniger Rente, Krankenhäuser und Schulen. Polizei, Feuerwehr und Bobbycars statt Panzer. Oder glauben Sie, Elon Musk und Co zahlen das dann?

      • @Matt Gekachelt:

        Ich glaube, die Senkung von Steuern und Abgaben für alle Lohnabhängigen war gemeint. Musk, Bezos und Zuckerberg darf man allerdings endlich ihre Steuern zahlen lassen - das würde manches gut finanzierbar machen.

      • @Matt Gekachelt:

        Wie wäre es damit, Vorschriften auf ein sinnvolles und verständliches Maß zu reduzieren, die Bürokratie zu verkleinern und zu digitalisieren sowie unsere exorbitanten Sozialausgaben (Verwaltung, Gießkannenprinzip etc.) in den Griff zu bekommen? Egal wo der deutsche Staat Geld reinsteckt, es versickert in den Taschen der Bürokraten.

  • Mal unabhängig davon wie gut oder sinnvoll der Vorschlag ist, frage ich mich warum es eine Untergrenze beim Gehalt geben soll, ab der die Reduzierung der Steuer nicht gelten soll. Die Obergrenze kann ich da eher nachvollziehen.

    Das da niemand in der RegPk nachgefragt hat, fand ich schade.

    Vielleicht weiß ja hier jemand mehr.

    • @Hitchhiker:

      Die Untergrenze hat argumentativ etwas mit der Verhinderung von Lohndumping zu tun. Wir sprechen schließlich von Leuten, die eindeutig über dem Mindestlohn bezahlt werden, aber oft über-/außertariflich und bei denen ein bisschen weniger Brutto immer noch mehr Netto bedeuten würde.

    • @Hitchhiker:

      Ich glaube:



      1. weil die Definition von "Fachkraft" schwierig, angreifbar und sowieso wieder in bürokratischem Irrsinn ausarten würde, nimmt man an, dass Fachkräfte ein gewisses mindestes Lohnniveau haben sollten; und



      2. damit der Subventionscharakter ("Du zahlst 30% weniger Steuern, also biste mit 10% weniger brutto eh noch besser bedient als der Otto neben Dir!") dieser Maßnahme ein wenig verschleiert werden soll.

  • Ich denke dieses Lockinstrument wird einen nahezu unmessbar kleinen Effekt haben. Dafür lohnt sich die Gerechtigkeitsdebatte nicht. Außerdem befeuert er einen ruinösen Wettbewerb zwischen anwerbenden Nationen, der die gesuchten positiven Effekte für die deutschen Sicherungssysteme und die Staatskasse untergraben könnte.

    Hubertus Heil hat Recht: Die wichtigste Stellschraube sind die bürokratischen Hemniss: die endlosen Anerkennungsverfahren, Eingliederungsverfahren, etc. pp. und die fehlende Leistungsfähigkeit im Verwaltungsapparat aus Mangel an schneller digitaler Antragsabwicklung, aber teilweise auch einfach wegen Personalmangels.

    Beides Digitalisierung und Personal kostet Geld, was mal wieder zeigt, dass nicht jeder eingesparte Euro später eine Entlastung bringt, sondern manchmal daraus 2 Euro werden, die man dann als Opportunitätskosten hinten raus weniger einnimmt.

  • Die öffentliche Debatte um Zuwanderung, ob kontrollierte oder unkontrollierte, lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Migration an sich ist weder das große gesellschaftliche Problem, noch kann sie gesellschaftliche Probleme lösen. Menschen waren schon immer in Bewegung, Demografien verändern sich und Konjunkturlagen schwanken. Das alles sind aber nur Randphänomene und sie beschreiben nicht den grundlegenden Wandel, den unsere Gesellschaft durchläuft und durchlaufen muss.

    Die Zeiten stabilen Wachstums und steigenden Wohlstands gehen dem Ende entgegen. Dafür sprechen der globalisierte Wettbewerb und auch ein durch Zwang zur Innovation verstetigter Strukturwandel. Auch die Folgekosten der Naturzerstörung und einer Wettbewerbslogik, die Konflikte bis hin zu Kriegen generiert, zwingen zu ständigen Anpassungen. Während viele Menschen dabei verlieren, gelingt es einigen Vermögenden ihren Reichtum zu mehren. Die soziale Schere weitet sich und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer Radikalisierung gesellschaftspolitischer Konflikte.

    Was wir brauchen, ist eine ehrliche und offene Debatte über die Mängel von Marktwirtschaft und repräsentativer Demokratie, die diese Herausforderung

  • Die Vorstellung, dass Fachkräfte in ein Land mit einer lustigen Sprache und Diskussionen über eine Leitkultur kommen, weil sie 3 Jahre lang ein paar € Steuern weniger zahlen, ist sehr merkwürdig.

    Aber das ist nicht das eigentliche Problem.

    Das eigentliche Problem ist, dass viele glauben, dass ein Land, das seit vielen Jahren nicht in der Lage ist, ein Bildungssystem aufzubauen, das die Wirtschaft mit den benötigten Fachkräften versorgt (ca. 25% der jungen Leute sind ohne Ausbildung), glaubt, es könne die benötigten Leute einfach wo anders abwerben. So etwas nennt man Schmarotzertum. Andere Länder sollen investieren, um uns zu versorgen. Wir sorgen dafür, dass Fachkräfte wo anders fehlen. Wie kann man nur so tief sinken?

    Aber Hauptsache "Deutschland first"!

  • Cool, meine nicht-deutsche, aber voll integrierte Lebensgefährtin arbeitet erfolgreich in Deutschland. Wie lange muss sie formal ihren Wohnsitz im Ausland haben um Steuererleichterungen in Deutschland in Anspruch nehmen zu können? Oder muss sie kündigen und sich wieder anstellen lassen? Da zieht ihr Arbeitgeber mit, schließlich spart er sich die anstehende Lohnerhöhung. Ihr Antrag auf Einbürgerung ist auch erst seit 8 Monaten ohne Antwort, den ziehen wir besser schnell zurück.

  • Ironischerweise offenbart der Vorschlag ein Problem ohne es jedoch zu lösen. So wie die einen von der Steuer- und Abgabenlast nämlich vom kommen abgeschreckt werden, so treibt selbige auch inländische Fachkräfte in alle Welt.

    Der Vorschlag ist einen Versuch wert, sollte aber noch auf frische Eltern ausgeweitet werden. Konkret für die Jahre 1 bis 3 nach der Geburt.

  • Spannend werden die Feinheiten, was wenn ich als Deutscher nach 15 Jahren wieder aus dem EU-Ausland zurückkehre?

    • @Thomas Koll:

      Warum sollten sie das wollen? Bis auf familiäre Gründe kann ich mir da kein realistisches Szenario vorstellen warum man das möchte wenn man erfolgreich (und davon gehe ich bei 15 Jahren aus) im Ausland sein Leben aufgebaut hat.

    • @Thomas Koll:

      Haha - dann wird erst einmal geprüft, ob sie damals eventuell die Reichsfluchtsteuer (heißt Wegzugbesteuerung, ist aber im Wesentlichen seit 1931 unverändert) unterschlagen haben könnten.