Anwerbung von Auslandsfachkräften: Ungleich, aber nicht ungerecht
Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte alleine werden den Mangel nicht lösen. Aber alles ist besser als nichts in der Krise.
S teuererleichterungen nur für Ausländer, das ist eine Steilvorlage. Unions-Politiker*innen, BSW und selbst Teile der SPD prügeln auf die Pläne der Ampelspitze ein, nach denen eingewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren in Deutschland auf 30, 20 und 10 Prozent ihres Bruttoeinkommens keine Abgaben leisten müssen. Arbeit müsse gleichviel wert sein. Und überhaupt: Wie ungerecht, das alles!
Dabei zahlt auch jetzt schon nicht jede*r den gleichen Steuersatz. Wer mehr verdient, muss einen höheren Anteil des Einkommens abgeben und Singles zahlen mehr als Verheiratete. Steuern sind eben auch ein politisches Steuerungsinstrument. Und dass Deutschland bei der Anwerbung von Fachkräften dringend umsteuern muss, ist offensichtlich. 2030 könnte es nach Prognosen bis zu 5 Millionen Stellen geben, die unbesetzt bleiben müssen, einfach, weil es keine geeigneten Bewerber*innen gibt. Das wird die deutsche Wirtschaft ausbremsen – und die schwächelt ja jetzt schon.
Klar: Der temporäre Steuerrabatt wird den Fachkräftemangel nicht allein lösen. Und mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz hat die Ampel voriges Jahr schon einen wichtigen Schritt getan. Nötig sind nun vor allem weitere Beschleunigungen und mehr Personal bei der Visavergabe. Doch auch wenn die Steuererleichterungen nur einen kleinen Beitrag leisten, ist das besser als nichts. Die deutschen Unternehmen müssen dringend wieder in Schwung kommen und auch langfristig wachsen. Von Wirtschaftskrisen profitiert niemand, außer die extreme Rechte.
Dazu kommt: Studien zeigen, dass Einwanderer*innen im Schnitt in den ersten Jahren weniger Geld verdienen als Personen, die schon länger hier sind. Und wer als Fachkraft einwandert, ist fertig ausgebildet, geht nicht mehr zur Schule oder in die Uni und profitiert damit nicht mehr vom steuerfinanzierten Bildungssystem. Solche Personen kommen also in einer Phase ihres Lebens, in der sie den Staat nicht mehr viel kosten, aber viele Steuern zahlen. Ungleichbehandlung bedeutet hier also nicht automatisch Ungerechtigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution