Prüfauftrag nach Gaza-Protesten: Staatssekretärin Döring muss gehen
Das Bildungsministerium ließ Strafen für Autor*innen eines offenen Briefs prüfen. Konsequenzen gibt es jetzt – aber nicht für die Dozent*innen.
„Die Wissenschaftsfreiheit ist ein sehr hohes Gut und zu Recht verfassungsrechtlich geschützt“, erklärte Stark-Watzinger. Der entstandene Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das Bundesbildungsministerium „nachhaltig zu beschädigen“. „Wissenschaftsförderung erfolgt nach wissenschaftlichen Kriterien, nicht nach politischer Weltanschauung“, betonte die Ressortchefin.
Stark-Watzinger hatte den im Mai veröffentlichten Brief scharf kritisiert: „Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost“, sagte sie damals der Bild-Zeitung. Kürzlich berichtete dann das ARD-Magazin „Panorama“ unter Berufung auf interne E-Mails, im Bildungsministerium sei um eine Prüfung gebeten worden, inwieweit Aussagen im Brief strafrechtlich relevant sind und ob das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte. Das sorgte für Kritik.
Stark-Watzinger erklärte nun, ihr sei eine E-Mail der Fachebene ihres Ministeriums zu diesem Thema am 11. Juni „zur Kenntnis gebracht worden“. Sie habe veranlasst, dass der Sachverhalt gründlich und transparent aufgearbeitet werde. „Fest steht, dass eine Prüfung potentieller förderrechtlicher Konsequenzen bei den zuständigen Fachreferaten in der Tat erbeten wurde.“
Die für die Hochschulabteilung zuständige Staatssekretärin Döring habe den Prüfauftrag veranlasst. „Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe. Nichtsdestotrotz wurde der Eindruck erweckt, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde.“ Das widerspreche den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit, unterstrich die FDP-Politikerin. „Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt.“
„Von der Meinungsfreiheit gedeckt“
Döring hatte vergangene Woche erklärt, die Hausleitung habe „sehr zeitnah nach Erteilung des Prüfauftrags klargestellt, dass zuwendungsrechtliche Aspekte“ nicht Bestandteil der rechtlichen Prüfung sein sollten. Diese habe ergeben, dass der Inhalt des Briefs von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
In einem „Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“ hatten mehr als 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen im Mai die Räumung eines Protestcamps propalästinensischer Demonstranten an der Freien Universität Berlin kritisiert. „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“, schrieben sie. Und weiter: „Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.“
Stark-Watzinger reagierte schon damals entsetzt auf den Unterstützerbrief. „Es macht mich bis heute fassungslos, wie einseitig in diesem Brief der Terror der Hamas ausgeblendet wurde“, erklärte sie nun. „Und wie dort etwa pauschal gefordert wurde, Straftaten an den Universitäten nicht zu verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beobachten sind.“
Sie betonte jetzt aber mit Blick auf den offenen Brief auch: „Das ist ein legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit. Genauso selbstverständlich ist es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen.“
Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, forderte die Ressortchefin zum Rücktritt auf. „Bundesministerin Stark-Watzinger hat Recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen“, erklärte er. „Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden.“ Damit habe sie die Richtung für das Ministerium vorgegeben. „Dass sie dies mit keinem Wort einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe.“
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