Propalästinensische Proteste in Berlin: Die Freude an der Repression

Der Senat gibt im Umgang mit der Pro-Palästina-Bewegung den harten Hund. Dass das so wenig Widerspruch erfährt, liegt auch an den Aktivisten selbst.

Das Bild zeigt die Räumung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der HU in der vegangenen Woche

Wenig zimperlich: Räumung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der HU in der vegangenen Woche Foto: Sören Stache/dpa

Dass und wie der Senat propalästinensische Proteste unterdrückt, ist hochgradig verstörend. Denn Schwarz-Rot scheint kein Problem damit zu haben, rechtsstaatliche Prinzipien zu missachten. Das zeigte jetzt auch noch einmal die Antwort der Innenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zur Auflösung des umstrittenen „Palästina-Kongresses“ im April. Fazit: Die rechtliche Begründung hierfür war komplett konstruiert.

Auch der Umgang mit den Besetzungen an der Freien Universität und der Humboldt-Universität in den vergangenen Wochen verdeutlicht, dass das Versammlungsrecht in Berlin keinen allzu hohen Stellenwert genießt.

So wurde HU-Präsidentin Julia von Blumenthal, die anfangs den Dialog suchen und nicht direkt räumen lassen wollte, von Berlins Regierendem Kai Wegner (CDU) und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) zurückgepfiffen, die Polizei räumte umgehend, und das wenig zimperlich. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag beklagten die Be­set­ze­r:in­nen Übergriffe durch Polizist:innen, hinzu kamen ein verhafteter Anwalt und Angriffe auf Journalist:innen.

Im Hinblick auf die rechtsstaatliche Enthemmtheit, die Staat und Polizei gegenüber propalästinensischen Ak­ti­vis­t:in­nen zunehmend an den Tag legen, gibt es in der Zivilgesellschaft und der Medienöffentlichkeit nur wenig Widerspruch. Auch in der taz wird lediglich diskutiert, ob mit den Uni-Besetzungen nicht die Grenzen des legitimen Protests erreicht sind.

Selbstisolierung der propalästinensischen Bewegung

Doch die Gründe für diese Entsolidarisierung liegen weniger in vermeintlichen kollektiven deutschen Zwangsneurosen als vielmehr im Auftreten der propalästinensischen Bewegung selbst. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober gelingt es vielen Ak­ti­vis­t:in­nen nicht, sich glaubhaft mit den antisemitischen Teilen ihrer Bewegung auseinanderzusetzen, gar davon abzugrenzen.

Kompromissbereit gibt sich die Bewegung kaum – wer Israel als legitimen Staat anerkennt, gilt als Zio­nis­t:in und somit als Gegner:in, wie der jüngste Boykottaufruf des Fusion Festivals durch die Gruppe Palästina Spricht zeigt. Statt Bündnisse zu schmieden, isoliert sich die Bewegung lieber selbst durch das Beharren auf Maximalpositionen.

Das macht die propalästinensische Bewegung zu einem Geschenk für konservative Po­li­ti­ke­r:in­nen wie Senatschef Wegner & Co., die hier ihre autoritären Fantasien ausleben können. Auf ihrem Repressionstrip haben sie quasi einen Freifahrtschein, auch weil viele linke Gruppen und große Teile der Zivilgesellschaft den Krieg in Gaza weiterhin ignorieren.

Dabei ist Protest gegen Israels Militäreinsatz in Gaza notwendiger denn je. In immer kürzeren Abständen erscheinen Medienberichte über zerbombte Zeltlager, gefolterte Kriegsgefangene und eine sich rasch ausbreitende Hungerkatastrophe. Deutschland ist der zweitgrößte Waffenlieferant Israels und könnte deutlich mehr tun, um das Land zum Einlenken zu bewegen.

Die Lösung wäre also, eine Alternative zu schaffen: eine Bewegung, die sich für einen sofortigen Waffenstillstand, Freilassung aller Geiseln und Stopp der Waffenlieferungen einsetzt, ohne die Hamas zu romantisieren und ohne antisemitische Ausfälle zu dulden. Man wird ja noch träumen dürfen.

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